Silvio Berlusconi
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Politik | Vorwahlklima

Salvini provoziert das Heer

Das Vorwahlklima bestimmt einmal mehr Italiens Politik. Berlusconi steigt nach 25 Jahren als Spitzenkandidat in den Ring
Innenminister Matteo Salvini liebt es, die Grenzen seines Ressorts ständig zu überschreiten.
Mal agiert er alsAussen- , mal als Verteidigungsminister. Regeln sind ihm zuwider. Diesmal freilich hat der Vizepremier den Zorn des Heeres auf sich gezogen.  Seine Anweisungen  über den Schutz des jonischen Meeres im Falle einer kriegsbedingten Flüchtlingswelle aus Libyen hat energische Proteste des Generalstabs erregt: "E' un' ingerenza inaccettabile. Non prendiamo ordini dal ministro degli interni. Siamo   indignati per una ingerenza che non ha precedenti."  Auch die  Küstenwache protestierte gegen die Weisungen Salvinis. Verteidigungsministerin Elisabetta Trenta  entschärfte den Konflikt in einem Gespräch mit Generalstabschef Enzo Vecciarelli. Die Ministerin gilt als Gegenpol zu Salvini - sie übt ihr Amt stets zurückhaltend und diskret aus.  
Auch Premier Giuseppe Conte zeigt sich zunehmend genervt vom Primadonna-Stil etlicher Minister. Staatspräsident  Mattarella wiederum übt Kritik an der Ankündigungswut der Regierung. Es gehe nicht an, ständig neue Dekrete anzukündigen, ohne sie auch zu verabschieden. So kündigte Arbeitsminister Di Maio in einer Woche dreimal  die Veröffentlichung des decreto crescita an, das zunächst 20 Artikel und 10 Tage später ganze 50  umfasste - mit erheblicher Erhöhung der Kosten.  Lega und Fünf-Sterne-Bewegung befinden sich bereits im Wahlkampf für die im Mai fälligen EU-Wahlen und die Erneuerung des Regionalrats in Piemont. Mit dabei: viele alte Gesichter. 
 
 
25 Jahre nach seinem Einstieg in die Politik zieht etwa Silvio Berlusconi wieder in den Wahlkampf - diesmal als Spitzenkandidat bei den bevorstehenden Europawahlen. Ein Comeback mit pathetischem Beigeschmack. 
Denn jeder weiss, dass der fast 83-jährige die Sitzungen des EU-Parlaments nie besuchen wird. Schon als Regierungschef war er bei 98 Prozent der Parlamentssitzungen abwesend. Die Kandidatur des presidente kann freilich über den jämmerlichen Zustand seiner Partei kaum hinwegtäuschen, die letzthin unter die 10-Prozent-Grenze gesunken ist. Die Frustration  darüber führt dazu, dass immer mehr prominente  Mitglieder ihr den Rücken kehren. Schwerster Verlust ist der Abgang des ligurischen Präsidenten Giovanni Toti, der zur Rechtspartei Fratelli d'Italia wechselt.  Denselben Weg geht der langjährige Präsident Apuliens, Raffaele Fitto. Schmerzhaft für Die Partei auch der Verlust von Elisabetta Gardini, die Forza Italia im Senat und im Europaparlament vertreten hatte: "Non mi riconosco più nel partito.Le scelte politiche del partito non sono più quelle che mi avevano spinto ad aderire. A Silvio continuano a raccontare un partito che non c'è."
In der Partei verstärken sich im Hinblick auf die bevorstehenden Wahlen die Flügelkämpfe. So werfen mehrere Abgeordnete der stellvertretenden Kammerpräsidenten Mara Carfagna vor, sie arbeite an der Demontage ihres ehemaligen Mentors Berlusconi.
Totti hat bereits seinen Wechsel zu den Fratelli d'Italia angekündigt. Deren ultrarechte Parteichefin Giorgia Meloni verfolgt kühne Träume. Sollte es nach den Europawahlen zu einem vorgezogenen Urnengang kommen, peilt sie eine Rechtskoalition mit der Lega an. Doch Matteo Salvini erteilt ihr eine klare Absage: "Ci vogliono usare solo per superare la soglia del 4 per cento. Meloni continua a provarci, ma deve capire che non c'è spazio per lei nella maggioranza. "  
Das Bröckeln von Berlusconis Partei könnte Italiens grösster politischer Anomalie schon bald ein Ende setzen: dass Salvini in Rom mit der Fünf-Sterne-Bewegung regiert, in den Regionen und Gemeinden jedoch mit deren Erzfeind Silvio Berlusconi.  Dass der 83-jährige es versäumt hat, rechtzeitig einen Nachfolger auszuwählen, wird für die Partei zur Überlebensfrage.
Ein Meister dieses Metiers ist etwa der Fünf-Sterne-Abgeordnete Adriano Zaccagnini, der es geschafft hat. in einem Jahr fünf Mal Partei zu wechseln.
Der langjährige Minister Paolo Romani will das Bündnis mit der Lega beenden: "L'arroganza della Lega nei nostri confronti nulla ha a che fare con una coalizione. Il centrodestra a cui eravamo abituati non esiste più". Aber genau diese Koalition regiert zahlreiche Regionen und Gemeinden - etwa die Lombardei, die mehr Einwohner als Österreich zählt. Politische Widersprüche dieser Art häufen sich, weil sich Italiens Parteienlandschaft in stetem Wandel befindet. Während in anderen Ländern Christdemokraten, Liberale oder Sozialdemokraten seit vielen Jahrzehnten im Parlament vertreten sind, ist in Italien die 1991 gegründete Lega mittlerweile die älteste Partei in Kammer und Senat.  Das kann kaum verwundern, denn Italiens Politik wird von einem Phänomen bestimmt, das in anderen Ländern nahezu unbekannt ist: dem cambio di casacca. Ein Meister dieses Metiers ist etwa der Fünf-Sterne-Abgeordnete Adriano Zaccagnini, der es geschafft hat. in einem Jahr fünf Mal Fraktion zu wechseln.