Zum mutigen Kunstwirt
„Ich war es!“ Der Mann der am Montagmorgen am Eingang seines Barbetriebs im Innenhof des Palais Campofranco sitzt, fühlt sich heldenhaft und glaubt – selbstverliebt und wohl etwas irrtümlich – tatsächlich eine wichtige Leistung vollbracht zu haben. Stolz erzählt er, wie das "Kunstwerk" und jene die es positionieren wollten, nach seinem Einwand das Weite suchten. „Die Leute hier an den Tischen haben sich aufgeregt, das waren nicht nur Touristen, auch Einheimische“, rekonstruiert der selbsternannte Kunstexperte den Tathergang, kurz nachdem er bei Tagesanbruch aufmerksam die Berichterstattung zu der doch eher unrühmlichen Geschichte für die vermeintliche Kulturstadt Bozen nachgelesen hatte.
Die Entfernung der Arbeit In loving memory of a vanished cloud des Künstlers Gabriele Picco, die im Rahmen der Bozner Blumenschau nur sehr kurz gezeigt wurde, hat in lokalen und nationalen Medien, sowie im Netz, hohe Wellen geschlagen. Zensur meinten Künstler und das Kunstmagazin Artribune und die Gemeinde Bozen entschuldigte sich sofort kleinlaut für seine tölpelhaften und tourismusverseuchten Landsleute. Man bot dem Künstler für sein Werk sogar den hauseigenen Gastgarten im Stadtmuseum an.
Bozen, ja, die etwas andere Kulturstadt. Sie ist auf dem Kunstkompass dort zu suchen, wo auch erst vor kurzem der Schriftsteller und Bürgermeister Renzo Caramaschi ins Fettnäpfchen getreten war, als engagierte Klimaktivist*innen einen Brunnen am Obstmarkt künstlerisch für eine filmische Aktion umgestalteten. Die touristische Angst ist dann immer schneller da, als Feuerwehr und Notarztwagen. Was werden die Touristen denken, die da in Südtirol nicht die heile Welt sehen, wie sie sie in den Schleimblättern Geo oder Merian vorgelullt bekommen?
Oder es wird zum x-ten mit der Sentenz „Ist das Kunst, oder kann das weg?“ kommentiert. Meistens von Menschen (oder Robotern?), die nur sehr beschränktes Kunstwissen mitbringen, aber eben den Mut für "das aufrechte Posting" haben.
Noch vor wenigen Jahren wollte das kleine Bozen gemeinsam mit Venedig Kulturhauptstadt werden. Schade, dass daraus nichts wurde. Weiter zurück liegt die Manifesta-Austragung an verschiedenen Schauplätzen in Südtirol und im Trentino. Die Sensibilisierung für zeitgenössische Kunst blieb seitdem weitgehend auf der Strecke. Und wie sieht es bei unseren Nachbarn aus? Im Mart in Rovereto regiert der nicht einmal zum Fremdschämen taugliche Kulturzampano Vittorio Sgarbi das einst angesagte zeitgenössische Kunsthaus, sowie mit regelmäßigen Kunsthasstiraden gegen das Museion oder die fortschrittliche Kunstinstallation für Erinnerungskultur vor dem Piffrader-Relief am Gerichtsplatz der Südtiroler Landeshauptstadt.
Nördlich in Tirol ließ sich der neue Landeshauptmann Anton Mattle, der sich offiziell auch für Kultur zuständig fühlt, wohl von einigen konservativen Hardlinern der Volkspartei das Siegerprojekt für ein Erinnerungsmahnmal an dem von den Nationalsozialisten erbauten Landhaus ausreden. Man wollte wohl nicht zu stark an diese Zeit erinnern. Aus einem monatelangen Ringen, bei welchem Jury und teilnehmende Künstler*innen über- und hintergangen wurden, fällte Mattle eine Entscheidung, die nicht wirklich eine ist und die aus seiner ÖVP-Sicht nur den wenigsten weh tut. Nämlich lediglich der Kunst und den Künstler*innen.
Die Geschichte in Bozen erinnert natürlich auch an den Kippenberger-Frosch, der den Kathol*innen große Angst machte, aber irgendwie auch an den verschwundenen Mussolini; jene kleine Skulptur, die im Sommer 2016 in den Dorfbrunnen von St. Ulrich pinkelte, allerdings nur für knapp eine Stunde, dann war der Spuk des kleinen Bronze-Diktators vorbei gewesen. Zu sehr sorgte man sich um die Tourist*innen, denen eine derart pikante Kunstangelegenheit sauer aufstoßen könnte, vor allem aber über eventuelle Fotos, die es schnell in italienischsprachige Gazetten schaffen könnten und Gäste vom doch so beliebten Grödnertal fernhalten würde. Mit frischer Fascho-Pisse.
Natürlich muss in Südtirol ein Kunstwerk weichen, wenn Touristen und Einheimische sich gestört fühlen. Das sollte nun mit dem Grabstein von Picco erneut so klar sein, wie Kloßbrühe, und das weiß man in Bozen und Umgebung auch nicht erst seit der Piefke-Saga von Felix Mitterer. Aus der Sicht der Kunst wäre es angesichts der Tatsache wohl besser gewesen, die Macher*innen der Bozner Blumenschau hätten die Arbeit des amerikanischen Künstlers Mike Bouchet The Zurich Load im Palais Campofranco aufgestellt, welche aus 80 Tonnen Fäkalien bereits bei der Manifesta 2016 von sich reden und riechen machte. Sie hätte das biedere Bozner Palais kunstvoll in einen Campo di merda umfunktioniert. Was der Palais-Innenhof natürlich auch ohne Mike Bouchets Arbeit ist.
Der mutige Gastwirt und selbsternannte Bozner Zensor sieht sein energisches Eingreifen gegen die kleine Skulptur im Palais Campofranco jedenfalls gelassen. „Durch den Skandal, ist das Kunstwerk noch mehr wert, als vorher“, sagt er und freut sich über sich und wohl auch auf weitere kunst(un)sinnige Gäste.
Es ist so, dass nicht einmal
Es ist so, dass nicht einmal die Kasselsche documenta die Freiheit der Kunst garantieren kann oder will
Antwort auf Es ist so, dass nicht einmal von Waltraud Mittich
die kunstmafia ist eben
die kunstmafia ist eben überall.. in südtirol sowieso..
"Zensur meinten Künstler und
"Zensur meinten Künstler und das Kunstmagazin Artribune und die Gemeinde Bozen entschuldigte sich sofort kleinlaut für seine tölpelhaften und tourismusverseuchten Landsleute". So steht es in diesem Beitrag. Ich verstehe allerdings nicht, warum die Gemeinde Bozen sich für "seine" Landleute (wahrscheinlich sind die Landleute des Künstlers gemeint) entschuldigen sollte. Was haben die mit der Sache zu tun?