Nahrung oder Treibstoff
In den vergangenen 20 Jahren wurde die Produktion von Biokraftstoff weltweit stark erhöht, mit dem Ziel mehr erneuerbare und klimafreundlichere Energie zu erzeugen. Bei der Verbrennung von Biokraftstoff entsteht jene Menge an CO2, welche die Pflanze über die Photosynthese der Atmosphäre entzogen hat, die Verbrennung ist also CO2-neutral. Eine genauere Analyse legt jedoch den Schluss nahe, dass die Klimabilanz von Biokraftstoffen doch nicht neutral ist. Beim Anbau der Getreide- und Pflanzensorten, aus denen Biokraftstoff hergestellt wird, kann es durch Verwendung von Stickstoff-Dünger zu Lachgas-Emissionen kommen, ein Treibhausgas, das massiv zum Treibhauseffekt beiträgt. Ein weiterer, zurzeit hochaktueller Kritikpunkt ist, dass der Anbau von Energiepflanzen auf begrenzten Anbauflächen mit der Nahrungsmittelproduktion in Konkurrenz steht.
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Seit dem Ausbruch des Ukraine-Krieges wird die Kritik an der Verwendung von Biokraftstoffen lauter
Schon jetzt erfordert die Produktion von Biokraftstoffen in Europa eine Fläche, die 5% der gesamten Ackerfläche entspricht.
Infolge des Ukraine-Krieges kam es weltweit zu einer Verknappung und zu massiven Preissteigerungen von Getreide und Pflanzenölen, da sowohl die Ukraine, als auch Russland zu den weltweit wichtigsten Getreide- und Pflanzenölexporteuren gehören und seit Kriegsausbruch nur mehr sehr eingeschränkt liefern. Viele Länder in Afrika, im Mittleren Osten und in Asien sind zu einem großen Teil auf Getreidelieferungen aus der Ukraine und Russland angewiesen und es besteht die berechtigte Sorge, dass in diesen Ländern die Ernährungssicherheit nicht mehr gewährleistet werden kann und eine Hungersnot droht. Zudem wird befürchtet, dass es in manchen Ländern wegen der Lebensmittelknappheit und den nicht mehr bezahlbaren Preisen, auch zu sozialen Unruhen kommen könnte. *
Führende NGOs, wie Oxfam, Greenpeace und WWF haben die EU aufgefordert, die Produktion von Biokraftstoffen aus Nahrungs- und Futterpflanzen einzustellen, um den Druck auf Lebens- und Futtermittelrohstoffe zu verringern. Auch die deutsche Bundesentwicklungsministerin Svenja Schulze fordert angesichts der Lebensmittelkrise ein Ende der Lebensmittelnutzung zur Herstellung von Biokraftstoffen.
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Welche Rohstoffe werden zur Herstellung von Biokraftstoffen verwendet?
Biodiesel wird aus ölhaltigen Pflanzen, Raps, Soja, Sonnenblumen, Ölpalmen und Kokospalmen hergestellt.
Bioethanol als Ersatz für Benzin wird durch die Vergärung von zucker- und stärkehaltigen Pflanzenbestandteilen hergestellt. Die gängigsten Pflanzen zur Herstellung von Bioethanol sind Zuckerrohr und Zuckerrüben oder Mais und Weizen.
Biogas wird zur Stromerzeugung, als Kraftstoff für den Verkehr und zur Wärmeerzeugung genutzt. Als Ausgangsmaterialien dienen Mais, Weizen, Sonnenblumen oder auch Dung von Nutztieren.
Als Biokraftstoffe der 1. Generation bezeichnet man Biokraftstoffe, die aus auf Ackerland angebauten Nahrungs- oder Futterpflanzen hergestellt werden. Sie stehen in Konkurrenz zur Nahrungsmittelversorgung, deshalb kam es schon in der Vergangenheit zur Debatte “Teller oder Tank”, wo kritisiert wird, dass auf Ackerland Energiepflanzen wie Mais, Raps oder Hirse angebaut werden, und diese Flächen nicht mehr für die Produktion von Lebens- und Futtermitteln zur Verfügung stehen. Kritiker weisen auch daraufhin, dass der extensive Anbau der Energiepflanzen eine Gefahr für die Biodiversität darstellt.
Biokraftstoffe der 2. Generation basieren auf Ausgangsstoffen, die nicht als Nahrungs- oder Futtermittelpflanzen genutzt werden, dazu gehören u. a. gebrauchtes Speiseöl und Abfälle aus der Land- und Forstwirtschaft wie Fruchtschalen, Stroh oder Holzspäne oder Dung von Nutztieren.
Die 3.Generation von Biokraftstoffen wird aus Algen gewonnen. Diese Art der Biokraftstoffgewinnung befindet sich noch weitgehend im Forschungs- und Entwicklungsstadium.
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Verwendung von Biokraftstoffen in der EU
Biokraftstoffe werden entweder in Reinform oder als Beimischung zu fossilen Kraftstoffen verwendet**. In der EU besteht der Großteil der Rohstoffe zur Herstellung von Biokraftstoffen aus Nahrungsmittel- oder Futtermittel-Pflanzen, während Biokraftstoffe, die aus pflanzlichen Abfällen (z.B. Stroh) nur einen geringen Teil ausmachen. Mit 36% macht Rapsöl bei der Herstellung von Biodiesel den größten Teil aus, Palmöl hat einen Anteil von 31%, Alt-Speiseöl beträgt 17%, Sojaöl 7% und Sonnenblumenöl und andere Öle betragen 9%. Das in der EU konsumierte Bioethanol wird zu 49% aus Mais, zu 21% aus Weizen und zu 19% aus Zuckerrüben/Zuckerroh hergestellt, andere Getreidearten, wie Roggen und Gerste machen 7% aus und pflanzliche Abfälle haben nur einen Anteil von 4%.
Während 85,5% des Biokraftstoff-Verbrauchs in der EU produziert werden, müssen 14,5% importiert*** werden.
In Zukunft will die EU gezielt Biokraftstoffe der 2. Generation, auch fortschrittliche Biokraftstoffe genannt, fördern, von denen weniger negative Auswirkungen auf die Landnutzung ausgehen, als bei herkömmlichen Biokraftstoffen. Die Nutzung von Biokraftstoffen aus Nahrungs- und Futterpflanzen soll auf das heutige Niveau begrenzt bleiben.
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Die weltweite Produktion von Biokraftstoffen ist in den vergangenen 20 Jahren um das 10-fache gestiegen
Während im Jahr 2000 weltweit gerade einmal 175.000 Barrels**** Biokraftstoff pro Tag produziert wurden, stieg die Produktion innerhalb von 20 Jahren um über das 10-fache und erreichte im Jahr 2019 1.790.000 Barrels pro Tag. Biobenzin (=Bioethanol) machte 57% aus, während der Anteil von Biodiesel 43% betrug. Im Jahr 2020 kam es wegen der Covid-Krise zu einem bedeutenden Rückgang der Biokraftsoff-Produktion, 2021 stieg die Produktion wieder an und erreichte fast das Niveau von 2019. Laut Prognose der Internationalen Energiebehörde wird die Produktion und der Verbrauch von Biokraftstoffen im heurigen Jahr um circa 20% sinken. Einerseits schwächt der Ukraine-Krieg das weltweite Wirtschaftswachstum und die Energie-Nachfrage auch im Transportsektor, andererseits führen die Covid-bedingten Mobilitätsbeschränkungen in China zu einer geringeren Nachfrage nach Treibstoff im Transportsektor.
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Die USA produzieren über ein Drittel der weltweiten Biokraftstoffe
Mit 36% sind die USA weltweit mit Abstand die Nummer eins bei der Produktion von Biokraftstoffen. Der größte Teil entfällt auf Bioethanol, zu dessen Herstellung vorwiegend Mais verwendet wird. Brasilien produziert 23% des weltweiten Biokraftstoffe und war eines der ersten Länder, das einen großer Teil seines Treibstoffbedarfs mit Bioethanol, das aus Zuckerrohr hergestellt wird, deckt. Die EU-Länder haben einen Anteil von 17% an der weltweiten Biokraftstoff-Produktion, ein großer Teil davon ist Biodiesel. In Indonesien wird Biokraftstoff hauptsächlich aus Palmöl hergestellt.
Fazit
Die Verwendung von Weizen, Mais, Raps und anderen Nahrungs- und Futtermittelpflanzen zur Herstellung von Biokraftstoffen ist in Zeiten der Nahrungsknappheit bedenklich, wenn nicht moralisch unverantwortlich. Wenn es gelingt mehr Biokraftstoff der 2. Generation aus Rest- und Abfallstoffen der Land- und Forstwirtschaft oder aus Algen herzustellen, dann ist Biotreibstoff eine gute Alternative zu Benzin und Diesel und wird dazu beitragen im Transportsektor den Einsatz fossiler Energien zu reduzieren und die Erreichung der Klimaschutzziele voranzutreiben.
*Während des Arabischen Frühlings kam es in einer Reihe von Ländern der arabischen Welt zu Proteste und Aufständen, unter anderem auch, weil die Nahrungsmittelpreise sehr stark gestiegen waren. Damals waren die Weizenpreise infolge von Missernten extrem hoch. In Ländern, wie Ägypten ist Weizen sehr wichtig, denn Brot ist das Hauptnahrungsmittel für die ärmere Bevölkerung. Die ägyptische Regierung ist über die Entwicklung des Ukraine-Krieges sehr besorgt, denn 80% ihres Getreideimports stammen aus der Ukraine und Russland. Schließlich war eine der Hauptforderungen der Menschen im Januar 2011, während des Arabischen Frühlings, „Brot, Freiheit und soziale Gerechtigkeit“.
**In der EU wird Biokraftstoff meist Diesel und Benzin beigemischt und nur selten in Reinform verwendet.
*** Der importierte Biodiesel stammt meist aus Asien oder Südamerika. Dort wird Regenwald oder unberührte Natur abgeholzt, um Ölpalmen und Sojapflanzen anzubauen, die dann für die Herstellung von Biodiesel genutzt werden. Die klimaschädlichen Folgen sind enorm.
www.salto.bz/de/article/14122021/umstrittenes-palmoel
**** 1 Barrel entspricht 159 Liter
Vielen Dank für diesen
Vielen Dank für diesen gehaltvollen Beitrag. Bei rund 700 Millionen Hungernden (https://www.unicef.de/informieren/aktuelles/presse/2020/un-report-nahru…) - und demnächst werden es aufgrund des Kriegs gegen die Ukraine ist die Produktion von Biokraftstoffen der 1. Generation ethisch und global betrachtet unvertretbar. M.a.W. 700 Millionen Menschen hungern, obwohl sie ernährt werden könnten mit dem Getreide, Mais und Ölpflanzen, das für die Herstellung von Treibstoffen, also fürs Fahren, verwendet wird.