Chronik | sonderfonds

Das Kleeblatt der Ankläger

Gleich vier Staatsanwälte gehen gegen den Durnwalder-Freispruch in die Berufung. Die Bozner Staatsanwaltschaft erhält Schützenhilfe vom Trentiner Generalstaatsanwalt.

Die Prozedur ist so selten, dass selbst ein versierter Jurist in der Strafprozessordnung nachschlagen muss.
Artikel 570 des Codice Procedura Penale regelt die Berufung durch den Staatsanwalt. Der Artikel schreibt vor, dass entweder der zuständige Staatsanwalt die Berufung einlegen kann oder der Generalstaatsanwalt am zuständigen Oberlandesgericht. Außerdem gibt es einen Sonderfall. Auch dann wenn der Staatsanwalt Berufung einlegt, kann der Generalstaatsanwalt ebenfalls Berufung einlegen. Man spricht dabei von der „gemeinsame Berufung“ (appello congiunto). In diesem Fall entscheidet dann der Generalstaatsanwalt, ob er selbst das Verfahren leitet oder den Staatsanwalt am Landesgericht delegiert.
Genau dieser Sonderfall trifft jetzt. In einem der prominentes Justizfälle der letzten Jahrzehnte: Das Sonderfonds-Verfahren gegen Luis Durnwalder

Der Prozess

Rund drei Jahre lang ermittelte die Bozner Staatsanwaltschaft gegen Landeshauptmann Luis Durnwalder wegen der widerrechtlichen Verwendung des Sonderfonds. Nach einem Schuldspruch beim Rechnungshof war Oberstaatsanwalt Guido Rispoli tätig geworden. Der Richter für die Vorverhandlung genehmigte die Einleitung des Hauptverfahrens. Wegen seiner Versetzung nach Campobasso wurde Rispoli in der Schlussphase des Verfahrens durch den stellvertretenden Staatsanwalt Igor Secco ersetzt. Secco machte im Frühsommer 2016 dann auch das Schlussplädoyer in dem er wegen des Verdachts der Amtsunterschlagung und illegalen Parteienfinanzierung drei Jahre Haft für Durnwalder forderte.


Durnwalder Anwälte während des Prozesses: Freispruch nach drei Jahren

Der Richtersenat bestehend aus dem Vorsitzenden Carlo Busato, Stefan Tappeiner und Ivan Perathoner spricht Luis Durnwalder aber am 11. Juni 2016 von allen Anklagepunkten frei. Am 17. September hinterlegte Richter Busato die Urteilsbegründung. Im Urteil heißt es, dass die Eigenerklärungen Durnwalders über den Zweck seiner Ausgaben in Ausübung seines Amtes glaubwürdiger seien, als die Staatsanwaltschaft ihm zuerkennen wollte.

Die Berufung

Nach der Urteilshinterlegung hat die Staatsanwaltschaft 45 Tage Zeit in Berufung zu gehen. Das heißt: Bis Anfang November muss der Rekurs hinterlegt werden. Weil es sich aber um einen politisch sehr brisanten Fall handelt, geht man diesmal auch einen ganz besonderen Weg.
Im Bozner Justizpalastes aber auch am Bozner Oberlandesgericht gibt es eine starke Fraktion, die der Meinung ist, dass sich die Staatsanwaltschaft den Rekurs ersparen soll. Es ist auch ein Machtkampf zwischen den Staatsanwälten und den Richtern.
Doch die Rekurs-Befürworter habe jetzt prominente Schützenhilfe erhalten. Der Rekurs gegen den Durnwalder-Freispruch wird gleich von vier Staatsanwälten unterzeichnet. Neben dem stellvertretende Staatsanwalt Igor Secco tritt auch der Generalstaatsanwalt am Oberlandesgericht Trient Giovanni Ilarda auf Parkett.
Illarda, der erst im vergangenen Juni seine Stelle am Oberlandesgericht Trient angetreten hat, ist der höchste Repräsentant der Staatsanwaltschaft in der Region Trentino-Südtirol. Seine Unterschrift erhöht noch einmal deutlich die institutionelle Gewichtung der Berufung.
Gleichzeitig will man aber auch Geschlossenheit demonstrieren. Deshalb werden den Rekurs auch Alessandra Burei, stellvertretende Staatsanwältin an der Außenstelle des Oberlandesgerichts Bozen, sowie der interimistische Leiter der Bozner Staatsanwaltschaft Markus Mayr unterschreiben. Es ist das honorigste Aufgebot der Ankläger, das man sich in der regionalen Justiz vorstellen kann.
Und es ist ein Genugtuung für den ehemaligen Oberstaatsanwalt Guido Rispoli. „Diese Entscheidung zeigt“, sagt Rispoli zu salto.bz, „dass meine Kritik am Freispruch durchaus berechtigt ist.“