(K)ein Mindestlohn in Südtirol?
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Im Rahmen des Formats „AFI im Dialog“ führte das Arbeitsförderungsinstituts (AFI) am 16. Oktober 2024 ein Webinar zum Thema „Gemeinde-Mindestlohn“ durch. Dabei wurde über mögliche Maßnahmen zur Bekämpfung von Lohndumping in Südtirol diskutiert. Auslöser waren Anträge der Gemeinderatsmitglieder Verena Stenico (Brixen) und Andrea Rossi (Meran), die einen Mindestlohn auf Gemeindeebene einführen wollen. Etwa 20 italienische Städte haben diesen Schritt bereits in den Jahren 2023 und 2024 vollzogen: Es soll keine Aufträge mehr geben, ohne die Garantie eines Mindestlohns. In Südtirol stößt dieses Modell allerdings auf Zurückhaltung.
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Das „Modell Florenz“
Florenz gilt mit einem Mindestlohn von 9 Euro pro Stunde als Vorreiter im Kampf gegen das Lohndumping. Das „Modell Florenz“ stellt eine Selbstverpflichtung der Stadt dar, bei öffentlichen Aufträgen auf die Einhaltung von Mindeststandards zu bestehen. Arbeits-Stadtrat Dario Danti erklärte, dass Florenz die erste Stadt sei, die den Mindestlohn in allen öffentlichen Ausschreibungen anwende. „Es handelt sich um eine Maßnahme zur Sicherung der Menschenwürde“, so Danti. In den Ausschreibungen wird der vorteilhafteste Branchen-Kollektivvertrag zugrunde gelegt, wodurch garantiert wird, dass keine sogenannten „Piratenverträge“ Anwendung finden. Diese Initiative soll nicht nur die Einkommenssituation von Arbeitnehmern verbessern, sondern auch die Qualität der Dienstleistungen, die von der Stadt in Auftrag gegeben werden.
„Wir müssen ein Zeichen gegen unterbezahlte Arbeit setzen.“
Zusätzlich verpflichtet sich die Stadt, alle seit 2022 abgeschlossenen Verträge regelmäßig zu überprüfen und halbjährlich einen Bericht über die Einhaltung der Vertragsbedingungen vorzulegen. Diese Maßnahmen sollen sicherstellen, dass die neuen Richtlinien auch tatsächlich umgesetzt werden.
Anträge in Südtirol: Ein Zeichen gegen Unterbezahlung?Angeregt durch die positiven Beispiele aus Florenz und anderen Städten in Italien, stellten die Gemeinderatsmitglieder Verena Stenico (Brixen) und Andrea Rossi (Meran) Anträge zur Einführung eines Gemeinde-Mindestlohns ein. Doch beide Initiativen wurden abgelehnt, wenn auch in Meran nur knapp. „Wir müssen ein Zeichen gegen unterbezahlte Arbeit setzen“, argumentierten sie. Kritiker halten dagegen, dass die Gemeinden für die Festlegung eines Mindestlohns nicht zuständig seien. Zudem behaupteten sie, dass in Südtirol ohnehin keine Löhne unter 9 Euro gezahlt würden. Stenico und Rossi widersprachen dem und betonten, dass ihnen Fälle bekannt seien, in denen Mitarbeiter bei öffentlichen Aufträgen weniger als 9 Euro erhielten. Sie sehen die Ablehnungen als verpasste Chance, faire Arbeitsbedingungen zu fördern und Lohndumping in der Region entgegenzuwirken.
„Wenn wir faire Vergaberichtlinien umsetzen, können wir einen entscheidenden Beitrag zur Bekämpfung von Lohndumping leisten!“
AFI-Direktor Stefan Perini machte deutlich, dass die Zeit des Abwartens in Südtirol vorbei sein und die vorherrschende Taktik des Aufschiebens enden müsse. Mit einem Auftragsvolumen von 2,12 Milliarden Euro im Jahr 2023 spiele die öffentliche Hand eine zentrale Rolle bei der Bekämpfung von Lohndumping. Perini betonte, dass es in der Hand der Gemeinden liege, faire Arbeitsbedingungen in Ausschreibungen zu verankern. „Das macht die Gemeinden zu zentralen Akteuren in der Vergabepolitik. Wenn wir faire Vergaberichtlinien umsetzen, können wir einen entscheidenden Beitrag zur Bekämpfung von Lohndumping leisten!“
Angeregte DiskussionenDer Südtiroler Arbeitsrechtler Josef Tschöll äußerte sich in einem Artikel von 2023 in der Südtiroler Wirtschaftszeitung kritisch zu einem kommunalen Mindestlohn. Ein kommunaler Mindestlohn sei in Südtirol rechtlich schwer umsetzbar, da dies die Kompetenzen der Gemeinden überschreiten könnte. Auch die Kontrolle der Einhaltung sei eine Herausforderung, insbesondere bei ausländischen Firmen. Er warnte vor der Gefahr zahlreicher Rechtsstreitigkeiten und betonte, dass eine solche Regelung möglicherweise gegen Artikel 117 der Verfassung verstoßen könnte, der die Zuständigkeiten zwischen Staat und Regionen regelt.
„Das ist innerhalb ihrer Autonomie möglich.“
Dahingehend betont Perini, dass es dennoch möglich sei, Mindeststandards festzulegen. „Die Vergabestelle kann durchaus festlegen, dass sie in ihren Ausschreibungen eine angemessene Behandlung der Mitarbeiter fordert. Das ist innerhalb ihrer Autonomie möglich.“ Perini sieht die Einführung von Mindeststandards bei Ausschreibungen als möglich, verweist jedoch auf Schwierigkeiten bei der Kontrolle. Viele Gemeinden verfügten noch nicht über das nötige Know-how, um zu prüfen, ob Unternehmen die vorgeschriebenen Tarifverträge einhalten. Besonders kompliziert werde es, wenn Unternehmen eigene Verträge anwenden oder internationale Firmen beteiligt sind.
„Die Verantwortung muss sich in den Ausschreibungen widerspiegeln – durch klare Kriterien, die faire Arbeitsbedingungen für die Beschäftigten der beauftragten Unternehmen sicherstellen.“
In der anschließenden Diskussion des Webinars wurde kontrovers über die Übertragbarkeit des „Modell Florenz“ auf Südtirol debattiert. Während Perini und andere Sprecher die Verantwortung der öffentlichen Hand betonten, faire Arbeitsbedingungen sicherzustellen, bleibt die Frage der Umsetzbarkeit eines Gemeinde-Mindestlohns in der Region offen. AFI-Präsident Andreas Dorigoni unterstrich die moralische Verpflichtung der Gemeinden, sich nicht an der Ausbeutung von Arbeitnehmern zu beteiligen: „Die Verantwortung muss sich in den Ausschreibungen widerspiegeln – durch klare Kriterien, die faire Arbeitsbedingungen für die Beschäftigten der beauftragten Unternehmen sicherstellen.“
Insgesamt bleibt festzuhalten, dass Südtirol in der Debatte um den Gemeinde-Mindestlohn vor einer wichtigen Entscheidung steht. Die Erfahrungen aus Florenz könnten als Vorlage dienen, um faire Arbeitsbedingungen zu schaffen und Lohndumping wirksam zu bekämpfen. Es bleibt abzuwarten, ob die Gemeinden bereit sind, den Schritt zu wagen und die Selbstverpflichtung zur Einhaltung eines Mindestlohns in ihren Vergabepolitiken zu verankern.
Für sich selber haben es die…
Für sich selber haben es die edlen Landes-Hauptmann, -Rätinnen + -Räte ja gaschafft, ihre bereits zu hohen Bezüge der von -i h n e n- mit-verursachten Iflation an zu passen!
Antwort auf Für sich selber haben es die… von Josef Fulterer
Rechtliche Hürden gibt's…
Rechtliche Hürden gibt's immer nur bei den anderen ...
Ud warum gibt es diese …
Ud warum gibt es diese "rechtlichen Hürden" in Florenz nicht?