Politik | Zeitgeschichte

Siegfried Steger: Bekenntnisse eines „Puschtra Buibm"

„Es tut mir leid für jeden Tropfen Blut, der geflossen ist“: Neue Einsichten in die Südtiroler Bomberjahre und die Aktivitäten der Puschtra Buibm von einem ihrer Protagonisten Siegfried Steger.
Foto: Privat

Neue Erkenntnisse zur Urheberschaft der tödlichen Schüsse in Sexten und St. Martin in Gsies, persönliche Einsichten und eine klare Abgrenzung zu rechtsextremen Exponenten wie Peter Kienesberger und Erhard Hartung: Damit wartete Siegfried Steger am heutigen Dienstag im Morgengespräch des RAI Senders Bozen auf. Der Anlass für das Interview des Journalisten Benedikt Sauer mit einer der schillerndsten Figuren der vier Puschtra Buibm? Stegers soeben erschienene Biografie „Die „Puschtra Buibm – Flucht ohne Heimkehr“. Als eine „historische Bombe“, bezeichnete Herausgeber Hans Karl Peterlini in der Neuen Südtiroler Tageszeitung die im Arob-Verlag erschienenen Erzählungen zu den Anschlägen und bewaffneten Überfällen der Gruppe zwischen 1961 und 1967.  Für RAI-Mitarbeiter Benedikt Sauer, der seinen Lebensmittelpunkt seit langem in Innsbruck hat, war sie Anlass, den heute 74-jährigen Steger an seinem Wohnort im Tiroler Telfs noch einmal vor das Mikro zu holen.

In einem längeren Gespräch, das am Dienstagmorgen in Ausschnitten von der RAI gebracht wurde, ging Saurer mit Steger noch einmal auf einige Schlüsselpassagen der Biografie ein. Darunter den bislang dem italienischen Geheimdienst zugeschriebenen Anschlag auf die Carabiniere-Kaserne in Sexten im August 1965, bei der zwei Carabinieri ums Leben kamen, sowie den Anschlag auf drei italienische Finanzsoldaten mit Schnellfeuerwaffen in St. Martin in Gsies im Sommer 1966, den zwei der Soldaten mit dem Leben bezahlten. Knapp und indirekt bestätigt Siegfried Steger im Interview, dass die Puschtra Buibm daran beteiligt waren. „Ich gebe da den Italienern nicht die Schuld, weil das tut man nicht, da muss man schon ein Bekenntnis abgeben“, so das wörtliche Zitat. Namen nennt er auch auf Nachfrage nicht, sondern verweist auf „wir Pusterer“. Das seien allerdings nicht nur die vier bekannten Exponenten gewesen, vielmehr habe es noch andere gegeben, so Steger.

Er räumte in seiner Biografie auch ein, noch lange nach der offiziellen Beendigung der gewaltsamen Aktivitäten der Puschtra Buibm im Jahre 1967 und dem Abschluss des Pakets 1972  indirekt an Aktionen beteiligt gewesen zu sein. So habe er den Sprengstoff für die Anschläge auf das Siegesdenkmal in Bozen im Jahr 1978 und den Kapuziner-Waschtl (1979) geliefert.

Gleich an mehreren Stellen reflektiert er die Geschehnisse der Sechziger Jahre durchaus selbstkritisch. „Es tut mir leid für jeden Tropen Blut, der auf beiden Seiten geflossen ist“, unterstreicht er –  allerdings nicht ohne klarzustellen, dass der Werdegang des Kampfes vom Verhalten des italienischen Staates heraufbeschworen worden sei. Denn: „Wenn ein Feuer gemacht wird, weiß man nicht, wie es sich entfaltet“, sagt er. Verantwortung zu tragen hätten dabei „die gesamten Leute, die damals dabei waren“.  „Denn selbst wenn man einen Masten sprengt, beschwört man etwas herauf.“

Auf ganz klare Distanz geht Siegfried Steger auch im Interview mit Benedikt Sauer mit den rechtsextremen Exponenten des damaligen Kampfes Peter Kienesberger und Erhard Hartung. Am deutlichsten wird dies in einer Äußerung zur immer wieder diskutierten Begnadigung, auf die Steger selbst heute keinen großen Wert mehr zu legen scheint. Vor allem aber betont er, dabei keineswegs in einen Topf mit Hartung und Kienesberger geworfen werden zu wollen. „Wenn es für die eine Begnadigung geben sollt, müsste ich den Napolitano darum bitten, dass er mich von der Liste nimmt.“