25 Parteien, 373 Wendehälse
Grillo annulliert Vorwahlen in Genua
Die Parteien sind indessen mit internen Grabenkämpfen beschäftigt. Matteo Renzi konzentriert sich auf die Vorwahlen für den PD-Vorsitz. Sein chancenloser Konkurrent Michele Emiliano führt den Wahlkampf seit Wochen mit Tiefschlägen und massiven Beleidigungen. Der blasse Justizminister Orfeo bietet sich als Kompromisskandidat an. Renzis klarer Sieg steht außer Zweifel. Lega-Chef Matteo Salvini muss sich nach seinem missglückten Auftritt in Neapel heftige Vorwürfe der alten Lega-Garde um Umberto Bossi gefallen lassen, die den Wechsel von der territorialen zur nationalen Partei boykottiert. Silvio Berlusconi will erst Ende Mai kommenden Jahres wählen - in der Hoffnung auf ein positives Urteil des Strassburger Gerichts für Menschenrechte. Die Fünfsterne-Bewegung beginnt allmählich zu begreifen, dass sie alleine nicht regieren kann. Allianzen lehnt sie dennoch ab. Di Maios utopischer Vorschlag:" Ci presenteremo alle camere, senza offrire poltrone, chiedendo di condividere il nostro programma." Die "comunarie" des M5S für die bevorstehenden Gemeindewahlen bezeugen auffällig geringes Interesse und lösen intern heftige Polemiken aus. Besonders in seiner Heimatstadt Genua, wo Grillo die Vorwahlen kurzerhand annuliert hat, weil ihm die Bürgermeister-Kandidatin Marika Cassimatis nicht in den Kram passt - ein eigenwilliges Demokratiekonzept. Auch in Monza wurde die Siegerin zum Rücktritt gezwungen. In Lecce genügten dem Bürgermeisterkandidaten 31 Stimmen, in Frosinone 18, in La Spezia 29. In der Basis herrscht Verärgerung.
Nie war die Politikverdrossenheit größer. Für Premier Gentiloni erschwert die Spaltung des Partito Democratico die Regierungsarbeit erheblich: im Senat und in etlichen Ausschüssen ist er nun auf die Stimmen der democratici e progressisti von Bersani und D'Alema angewiesen. Erstes Ergebnis: die ersatzlose Abschaffung der vaucher, die von der neuen Linkspartei und der CGIL mit Jubel begrüsst wurde - obwohl sie nach Berechnungen des Arbeitsrechtlers Pietro Ichino weniger als ein Prozent der in Italien geleisteten Arbeitsstunden betreffen. Renzis postideologische Ära ist endgültig beendet. Gentiloni ("So che posso sembare un marziano") droht nun angesichts des EU-Ultimatums ein schwieriger Drahtseilakt unter den kritischen Blicken vieler Parlamentarier, die nur eine Prioritiät kennen: die eigene Wiederwahl.