Politik | Brenner

Dort, am Brenner

Doppeltes Unverständnis bei Arno Kompatscher: Er ist enttäuscht von Österreich und zeigt sich ablehnend gegenüber Demonstrationen. Was auf den Brenner zukommt.

Arno Kompatscher ist zur Zeit ein gefragter Mann. Immer wieder bekommt der Südtiroler Landeshauptmann die Gelegenheit, in Interviews über den Brenner, die bevorstehenden Grenzkontrollen und das Thema Flüchtlinge zu sprechen. Und seine Forderung nach einer “europäischen Lösung” zu untermauern. So auch am vergangenen Wochenende. Doch während Kompatscher mit seiner Kritik am Vorgehen der österreichischen Regierung durchaus gut ankommt, hat er nun einige Äußerungen gemacht, die nicht auf ungeteilte Zustimmung stoßen dürften.


Kein Verständnis...

“Zäune werden das Problem nicht dauerhaft lösen.” Mit dieser Aussage des Landeshauptmannes betitelt Spiegel Online am Samstag, 16. April, ein Gespräch, das Redakteur Björn Hengst mit Kompatscher geführt hat. Darin zeigt er sich “enttäuscht von der Rhetorik, die mit den (von Österreich, Anm. d. Red.) angekündigten Maßnahmen verbunden ist”. Es sei “bedauerlich”, dass Österreich nun möglichen Kontrollen den Vorzug vor einer gemeinsamen europäischen Initiative zu geben scheint und von einer “Totalschließung am Brenner” spreche. Er vermisse “bei einigen Mitgliedern der österreichischen Regierung das Verständnis für die Symbolik der Brenner-Grenze”, so Kompatscher weiter. Auch wenn er überzeugt sei, dass “die österreichischen Pläne (…) sicher nicht gegen die Südtirolerinnen und Südtiroler gerichtet (ist)”.

Für uns ist der Brenner die Unrechtsgrenze (…). Der Brenner ist aber zugleich ein Symbol für das Überwinden von Grenzen, ein Symbol für den europäischen Einigungsprozess. Österreich stellt jetzt mit seinem Vorgehen auch das Zusammenführen des historischen Tirol jenseits von nationalstaatlichen Ideen in Frage – das wiegt schwer.

Im Gegensatz dazu sei die Linie der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel “sehr mutig”, sagt der Landeshauptmann und erinnert an ihre denkwürdige Entscheidung vergangenen September, die Grenzen für in Ungarn festsitzende Flüchtlinge zu öffnen. “Die deutsche Regierung hat es dann aber versäumt, darüber zu sprechen, wie es nach Merkels Akt der Humanität (…) insgesamt weitergehen soll. Deutschland ist vielleicht ein Stück weit zu blauäugig hinsichtlich der Solidarität in dieser Frage gewesen”, meint Kompatscher. Auf die Situation in Südtirol angesprochen, betont der Landeshauptmann, dass man “inzwischen die notwendigen Vorkehrungen getroffen” habe, sollte der Brenner zu einer Flüchtlingsroute werden.


... und keine Demonstration

Die jüngsten Entwicklungen weisen darauf hin, dass wohl bald mit mehr Menschen auf der Flucht am Brenner zu rechnen sein könnte. Aktuell erreichen täglich zwischen 20 und 40 Menschen den dortigen Grenzübergang. Allerdings haben die Bootsankünfte an der italienischen Mittelmeerküste infolge der Schließung der Balkanroute in den vergangenen Wochen massiv zugenommen. Vor allem aus Libyen setzen zahlreiche Schlepperboote nach Italien über. An Bord, Menschen, von denen die meisten nach Norden, also Österreich, Deutschland und die skandinavischen Länder weiterreisen wollen.

Es ist (…) schon nachvollziehbar, wenn Österreich zu dem Ergebnis kommt, dass es so nicht weitergehen kann. Dafür habe ich Verständnis. Aber man wird die Menschen ja nicht stoppen, indem man den Brenner schließt.

Den Appell, den Kompatscher Richtung Rom richtet, lautet: Lasst die Menschen nicht weiter Richtung Brenner ziehen, sondern registriert sie in Hotspots in Süditalien und verteilt sie auf alle Regionen. Es soll also vermieden werden, dass der Brenner tatsächlich zu einem “Flaschenhals” wird, an dem sich der Flüchtlingsstrom aus dem Süden zuspitzen könnte. Doch Kompatscher will ebenso Verschärfungen einer ganz anderen Art am Brenner verhindern. Ebenso am Samstag (16. April) verriet der Landeshauptmann im Mittagsjournal des österreichischen Radiosenders Ö1, “dass man darüber nachdenkt, Demonstrationen am Brenner in dieser Phase zu verbieten”. Er habe bereits mit den italienischen Behörden über ein Demonstrationsverbot gesprochen, so der Landeshauptmann.

Die – medial zum Teil hochgespielten – Szenen vom 3. April sollen sich nicht wiederholen. Zur Erinnerung: Auf der großteils friedlich abgelaufene Demonstration gegen Grenzen und die “Festung Europa” war es zu einem kurzen Zwischenfall mit der österreichischen Polizei gekommen. Landeshauptmann Kompatscher befürchtet nun, dass der Brenner zu einem “Anziehungspunkt für Berufsdemonstranten” werden könnte, denen es gar nicht um die Sache gehe. Natürlich müsse das “Recht auf freie Meinungsäußerung” von einem etwaigen Verbot unberührt bleiben, räumte der er ein: “Aber nicht unbedingt dort am Brenner.”

Auch würden Kundgebungen dort “logistisch und sicherheitstechnisch ein Problem” darstellen. Zustimmung kommt von Florian Kronbichler. Der Südtiroler Parlamentarier war erst vergangene Woche am Brenner gewesen und gibt Kompatscher in den Morgennachrichten von Rai Südtirol Recht, den Brenner “nicht für Chaoten” freizugeben. Für kommenden Sonntag, 24. April haben norditalienische Sozialzentren zu einer Kundgebung am Brenner aufgerufen. Bislang wurde diese aber nicht von der Quästur in Bozen autorisiert. Das für denselben Tag anberaumte Sensibilisierungs-Veranstaltung “Refugees Welcome Brennero” wurde abgesagt.


Bewegung am Brenner bleibt

Heute (18. April) Vormittag trifft der Fraktionsvorsitzende der Europäischen Volkspartei (EVP) im Europäischen Parlament Manfred Weber gemeinsam mit SVP-Obmann Philipp Achammer, Europaparlamentarier Herbert Dorfmann und der Kammerabgeordneten Renate Gebhard am Brenner zusammen. Sie werden zur Flüchtlingspolitik der Europäischen Union beziehungsweise der Initiative einzelner Staaten Stellung beziehen. Anschließend trifft Weber mit Landeshauptmann Arno Kompatscher in Bozen zu einem Gespräch. Bei dem Treffen im Palais Widmann wird es vorrangig um die Flüchtlingsfrage und die damit zusammenhängenden Pläne und Maßnahmen gehen. Morgen, 19. April, findet indes eine Vorveranstaltung des “Festival delle Resistenze” am Brenner statt. Das Festival wird jedes Jahr von den Provinzen Bozen und Trient organisiert, “um die Gemeinschaft in der wir leben zu den Themen Geschichte, Erinnerung und aktive Bürgergesellschaft zu sensibilisieren”. Am Brenner gibt es morgen einen Aperitiv-Abend unter dem Motto “Geteilte Grenzkulturen und -geschichten”.

Kompatscher was ist ein Berufsdemonstrant? Wer bezahlt den und warum gibt es gute Demonstranten (italienische Lebensmittelproduzenten und deren Verbände) die von Berufswegen auf dem Brenner demonstrieren und böse Berufsdemonstranten, die wie Abgeordneter Kronbichler gerade im Mittagsmagazin erklärt, "dies nur zur eigenen Unterhaltung" machen? Was jetzt Beruf oder Unterhaltung?
Warum kann man jemanden auf dieser Grundlage verbieten am Ort des Gegenstandes zu demonstrieren? Wie ist dass durch die ital. Verfassung gedeckt?
Alles im allem ein äusserst zwielichtiges Demokratieverständniss das unsere mitte/links? Politiker hier aufzeigen.

Mo., 18.04.2016 - 12:58 Permalink