Der „Soundtrack“ der Aufklärung
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Am 24. Mai ist das Ensemble Diderot mit Adriana González und Iñaki Encina Oyón zu Gast im Kulturzentrum Toblach. Wir haben den Barockgeiger, Dirigent und Gründer des Ensembles, Johannes Pramsohler, der in Südtirol geboren wurde und in Paris lebt, interviewt.
SALTO: Herr Pramsohler, wie kam es zum Namen „Ensemble Diderot“?
Johannes Pramsohler: Als ich nach einem Namen für mein Ensemble suchte, wollte ich einen finden, der der Philosophie entspricht, die ich mir für das Ensemble wünschte. Diderot war nicht nur der radikalste und in meinen Augen der intelligenteste Vertreter der französischen Aufklärung, sondern imponiert mir auch mit seinem großartigen Projekt einer Enzyklopädie: Alles Wissen der Welt zusammentragen und den Menschen zugänglich zu machen. Mit dem Ensemble sind wir fest in der Musik des 18. Jahrhunderts verankert und versuchen somit, den „Soundtrack“ der Aufklärung zu erforschen. Diderot schien mir da als inspirierender Namensgeber ideal.
Das Ensemble ist „Artist in residence“ des Kulturzentrums Toblach. Welche Aktivitäten resultierenden daraus?
Das Kulturzentrum in Toblach ist für uns ein Ort, an dem wir uns zurückziehen und sehr konzentriert arbeiten können. Wir sind regelmäßig dort, um zu proben und machen im Gustav-Mahler-Saal auch den Großteil unserer Aufnahmen. Wir nutzen unsere Residenz vor allem zur Entwicklung neuer Projekte, zum Beispiel für eine innovative Version des Musikalischen Opfers von Bach, die Videokunst mit Musik verbindet und in Toblach entstanden ist. Damit kommen wir am 2. Dezember übrigens auch nach Bozen ins Waltherhaus. Außerdem laden wir immer wieder Musikwissenschaftler nach Toblach ein, um mit ihnen über verschiedene Aspekte der historischen Aufführungspraxis zu diskutieren und wir hatten unter anderem auch eminente Musiker, wie den Barockspezialisten Reinhard Goebel bei uns, der mit uns neues Repertoire erarbeitet hat. Ich bin sehr froh, dass meine Verbindung zu Südtirol durch diese Residenz nicht abbricht und dass ich mich dadurch weiterhin in meinem Heimatland einbringen kann.
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Sie eröffnen den Kultursommer des Pusterer Zentrums an der Seite einer jungen, hoch angesehenen Sopranistin, Adriana González, unter der Leitung von Iñaki Encina Oyón. Ist es die erste Zusammenarbeit?
Mit dem Dirigenten Iñaki Encina Oyón haben wir bereits des Öfteren zusammengearbeitet und unter anderem das Oratorium Athalia von Händel und die Oper Falstaff von Salieri aufgeführt. Iñaki ist ein großer Opernspezialist und war derjenige, der Adriana González vor circa zehn Jahren auf einer Tournee des Weltjugendchors entdeckt hat. Seither arbeiten die beiden immer wieder zusammen, unter anderem für drei großartige Lied-Alben auf unserem Label Audax Records, die ich produziert habe und die wir ebenfalls in Toblach aufgenommen haben.
Für mich geht mit diesem Projekt der lange gehegte Wunsch in Erfüllung, Adriana zum ersten Mal mit dem Ensemble Diderot zusammenzuführen. Wir werden bei dieser Gelegenheit nicht nur das Eröffnungskonzert am 24. Mai spielen, sondern das gesamte Programm in Toblach proben und Einspielungen für ein Album machen. Die Opernhäuser von London bis Barcelona, von Paris bis Berlin raufen sich um sie und ich freue mich, dass sie mit uns ihre erste große Aufnahme mit Orchester machen wird.
Adriana González wird die drei großen Rondòs von Mozart für Adriana Ferrarese del Bene, sowie Meisterwerke von Angelo Tarchi, Ferdinando Bertoni und Vicente Martín y Soler präsentieren. Sie selbst werden zwei Rondòs für Violine und Orchester von Mozart spielen. Können Sie das Programm beschreiben?
Jeder kennt das Rondò der Fiordiligi aus Così fan tutte, aber wer war die Sängerin, für die Mozart diese großartige Arie geschrieben hat? Mit unserem Programm wollen wir uns auf Spurensuche begeben und diese Frage beantworten. Der Fokus des Programms ist die große pathetische Arie des 18. Jahrhunderts, die den Primadonnen vorbehalten war. Das Publikum ist oft nur wegen dieser Rondòs in die Oper gegangen und die Sängerinnen reisten häufig mit ihren eigenen, für sie komponierten Rondòs, welche sie sozusagen als Visitenkarten präsentierten. Wir zeichnen im Programm das Leben der Ferrarese, die eine schillernde, skandalumwitterte Diva war, musikalisch nach. Kurios ist dabei, dass unsere Solistin den selben Vornamen trägt.
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Sie spielen auf einem Instrument von Pietro Giacomo Rogeri aus dem Jahr 1713. Können Sie uns etwas über die Besonderheiten Ihres Instruments erzählen?
Diese Geige ist mir sehr ans Herz gewachsen. Nicht nur wegen ihrer Geschichte, sondern vor allem wegen des erstaunlich individuellen Klangs. Sie ist in der Tiefe kräftig und samtig und hat eine unglaublich schöne, durchdringende Höhe. Es ist nicht immer ganz leicht, sie zu spielen, aber über die Jahre sind wir, glaube ich, ein ganz gutes Team geworden. Unglaublich finde ich immer wieder die Tatsache, dass sie bereits mein großes Barockgeigen-Idol Reinhard Goebel gespielt hat. Es ist eine große Ehre, dieses Instrument zu besitzen und auch ein Auftrag, so seriös und mit Hingebung damit zu arbeiten, wie es ihr Vorbesitzer gemacht hat.
Machen sie heute das, wovon sie als Junge geträumt haben?
Ich muss zugeben, dass ich nie wirklich Pläne für die Zukunft schmiede. Träumen ja, aber nicht von Dingen, die ich irgendwann machen werde. Ich bin eigentlich jemand, der jeden Tag das macht, was gemacht werden muss, ohne lang vorauszuplanen. Mir kommt eine Idee und ich verwirkliche sie. Wenn ich darüber nachdenke, glaube ich, dass ich mir mein jetziges Leben nie erträumen hätte können. Es ist viel besser gekommen, als es im Traum je sein könnte.
Ein Buch, das Ihr Leben prägte?
Oh, da gibt es viele. Eigentlich jedes, das ich in die Hand nehme prägt mich irgendwie, es kommen mir neue Ideen oder ich stelle neue Verknüpfungen her. Gerade lese ich „Moral“ von Hanno Sauer – in dem die Geschichte unserer Moral von der Entstehung menschlicher Kooperationsfähigkeit vor 5 Millionen Jahren bis zu den jüngsten Krisen moralischer Polarisierung erzählt wird. Wie wir Menschen miteinander leben und wie wir in Zukunft miteinander auskommen finde ich ein unglaublich spannendes Thema.
Stimmen Sie mit Dostojewski überein, dass „die Schönheit die Welt retten wird“?
Da müsste man „Schönheit“ zunächst definieren. Schönheit als reine ästhetische Qualifizierung,, oder Schönheit etwa als Synonym von „Gut“, also das Gegenteil von „Böse“. Im zweiten Fall bin ich unbedingt der Meinung, dass nur das Gute - die Schönheit - die Welt retten kann. Wenn wir uns den Weg dahin inzwischen aber etwas verschönern und uns mit schönen Dingen umgeben und die Schönheit der Natur bewahren wollen, kann das sicherlich auch nicht schaden.
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Der Konzertermin ist am Freitag, 24. Mai, 20 Uhr mit Adriana González (Sopran) und Johannes Pramsohler (Solovioline), sowie dem Ensemble Diderot unter der Leitung von Iñaki Encina Oyón im Kulturzentrum Toblach.