Politik | SVP

Hiebe in Zeiten der Cholera

Heute wird die Parteileitung über die politische Zukunft von Arnold Schuler entscheiden. Man versucht mit allem Mitteln eine Kampfabstimmung noch zu vermeiden.
SVP-Sitzung
Foto: Salto.bz
Aus heiterem Himmel schlägt der Blitz ein. Am Donnerstag vor Ferragosto. Im ersten Moment sind alle, die er streift, etwas benommen. Sie stammeln irgendetwas daher, was sie besser nicht gesagt hätten.
Dann rollt der Donner an. Und am Wochenende kommt das große Gewitter. Aus dem „Hoch-Unser-Frauentag“ wird so im Handumdrehen ein „Nieder-mit-den-Politiker-Tag“. Und aus dem Regen eine Traufe.
Das gesamte Ausmaß der Schäden kommt aber erst am Montag zutage. Im Palais Widmann und in der Bozner Brennerstraße tagen die Krisenstäbe. Selbst am Abend kann man nicht Entwarnung geben. Die Lage ist und bleibt ernst.
Es ist kein Bulletin des Südtiroler Zivilschutzes über die Unwetterschäden am Wochenende, das hier wiedergegeben wird. Sondern die politische Zustandsbeschreibung einer Partei.
In den vergangenen fünf Tagen hat sich die Welt der Südtiroler Volkspartei nachhaltig verändert. Denn mitten im Sommerloch ist die Südtiroler Regierungspartei in eine ernsthafte Krise gestürzt.
Die Affäre um den sogenannten 600-Euro-Bonus, um den Arnold Schuler, Gert Lanz und Helmuth Tauber angesucht haben, hat innerhalb der SVP urplötzlich Sprengkräfte entfesselt, die derzeit kaum mehr kontrollierbar sind.
Wir haben uns selbst in eine Sch...-Situation hineinmanövriert“, beschreibt ein SVP-Landtagsabgeordneter recht unverblümt die Stimmung.
 

Außerordentliche Sitzung

 
Wie ernst die Lage ist, wurde spätestens am Montagabend klar. In der SVP-Basis rumort es gewaltig.
Es war SVP-Obmann Philipp Achammer, der am Montag überraschend energisch öffentlich politische Konsequenzen angekündigte. Landeshauptmann Arno Kompatscher versuchte zwar noch dagegen zu rudern, etwa in dem er SVP-Fraktionssprecher Gert Lanz die vollständige Absolution erteilte, doch zu diesem Zeitpunkt war das große Messerstechen unterm Edelweiß längst eröffnet.
 
 
Die SVP-Basis und ein Großteil der Funktionäre wollen, dass die Parteiführung die drei Landtagsmandatare sanktioniert.
Nachdem es am Montagabend zu mehreren außerordentlichen Sitzungen der SVP-Bezirksleitungen kam, etwa in Meran, berief die SVP gegen 21.30 Uhr am Bozner Parteisitz kurzfristig eine Konferenz der Bezirksobleute ein. Dort soll die weitere Gangart festgelegt werden.
Vor allem für die entscheidende Parteileitungssitzung am Dienstagnachmittag, auf der über die politische Zukunft von Schuler, Lanz und Tauber entschieden werden soll.
 

Variante Rücktritt

 
Bereits am Montag war in einer Aussprache im Palais Widmann eine Variante angesprochen worden. Zentral geht es dabei um den Landeshauptmann-Stellverteter Arnold Schuler. Lanz und Tauber sind hier nur eine Art Beiwerk.
In dem Gespräch der SVP-Kapazunder wurde ein freiwilliger Rücktritt von Arnold Schuler als Landesrat angesprochen. Schuler sollte aber weiterhin Landtagsabgeordneter bleiben. Ebenso sollen Gert Lanz als Fraktionssprecher und Helmuth Tauber als Präsident des dritten Gesetzgebungsausschusses im Landtag ihren Hut nehmen soll. „Nur so kann der Arnold seine politische Glaubwürdigkeit wiedererlangen“, meint ein Verfechter dieser Lösung.
Kaum war die Aussprache beendet titelte Tageszeitung-Online auch schon „Schuler tritt ab“. Und weiter: „Arnold Schuler wird nicht nur seine Regierungsämter zurücklegen, sondern auch das Landtagsmandat.“ Nach wenigen Minuten war der Artikel aber wieder offline und verschwunden.
 
 
Der Grund: Ein aufgebrachter Arnold Schuler intervenierte bei Tageszeitungs-Chefredakteur Artur Oberhofer und verlangte die Entfernung des Artikels. Es sei eine eklatante Falschmeldung gegen die er sich notfalls rechtlich zu Wehr setzen werde.
Durch dieses mediale Störfeuer wurde der Druck auf Schuler noch einmal deutlich erhöht.
 

Schulers Konter

 
Arno Kompatscher sollte am Montag seinen Stellvertreter davon überzeugen, dass der freiwillige Rücktritt das Beste für alle sei. Dieser Plan scheiterte aber gleich an den zwei Hauptdarstellern.
Arno Kompatscher ist nicht der Meinung, dass der Fehltritt solche Konsequenzen nötig macht. Der Landeshauptmann will seinen Stellvertreter unter keinen Umständen opfern. Auch Kompatscher weiß, dass seine SVP internen Gegner die 600 Euro als willkommenen Anlass sehen, ihm am Zeug zu flicken. Deshalb wird Kompatscher im SVP-Parteiausschuss - sollte es nötig sein - seine gesamte Autorität für Schuler in die Waagschale legen.
 
 
 
Auch Arnold Schuler selbst will von einem freiwilligen Rücktritt nichts wissen. Der Plauser Landesrat ist allgemein als integerer Politiker bekannt, der bisher bewusst auf üppige Landesbeiträge verzichtet hat. Dass er jetzt ausgerechnet über eine Bananenschale des INPS ausrutscht, empfindet nicht nur er als große Ungerechtigkeit. „Das war auch der Tenor auf der Sitzung des Meraner Bezirksausschusses“, sagt einer, der am Montagabend in Meran dabei war.
Arnold Schuler hat in den bisherigen Aussprachen unmissverständlich klar gemacht: Wenn ich gehen soll, dann muss mich die Partei abwählen. Nach Informationen von Salto.bz hat der Landesrat aber auch angekündigt auf keinen Fall kampflos das Feld zu räumen. Im Gegenteil: Schuler führt ein Argument an, das wie eine Drohung klingt. Sollte er gehen müssen, verlange er, dass auch überprüft werde, wer aus der Politik Landesbeiträge bekommen habe und in welcher Höhe.
Dann allerdigs würde die Büchse der Pandora erst recht geöffnet.
 

Die Entscheidung

 
Die kurzfristig einberufene Sitzung der Bezirksobleute am Parteisitz dürfte das Feuer noch zusätzlich angefacht haben. „Die eigentliche Sitzung der Parteileitung findet am Dienstag um 14.30 Uhr statt“, stänkerte gestern ein Mitglied der SVP-Parteileitung.
Derzeit sind alle Seiten dabei ihre Truppen in Position zu bringen.
Eines ist dabei allen Beteiligten klar: Bei einer geheimen Abstimmung im obersten SVP-Gremium könnte ein Ergebnis herauskommen, das unweigerlich zu einem Riss innerhalb der SVP führt. „Wir können uns eine solche Kampfabstimmung in der Parteileitung nicht leisten“, warnt ein hohes SVP-Mitglied.
Formal könnte die Parteileitung beschließen, dass Arnold Schuler als Landesrat zurücktreten muss. Es liegt aber am Landeshauptmann seine Landesräte zu ernennen und ihnen die Kompetenzen zu geben. Demnach müsste die Parteileitung Arno Kompatscher auffordern, Schuler abzulösen.
Kommt Arno Kompatscher diesem Ansinnen nach, ist nicht nur sein Stellvertreter demontiert, sondern auch er als Landeshauptmann.

Es ist spannend. Wenn das alles wirklich so ist, dass die 600-Euro-Story eine willkommene Gelegenheit bieten soll, um LH Kompatscher abzuschießen, dann finde ich es angemessen, dass sich Schuler, mit der Pandorabüchse als Reserve, total querstellt.

Di., 18.08.2020 - 09:56 Permalink

Liebe Elisabeth, da fehlen dir einige Informationen. Der Große Vogel kreist über dem Magnagoplatz und könnte zum Sturzflug ansetzen. Wer ist Arnold Schuler? Da geht es um den Landeshauptmann und Achammer, wenn schon. Und noch mehr um Thomas Widmann. Auf diesen Zufall hat jemand schon lange gewartet. Ich als Arno Kompatscher hätte schon lange das Wasser gezogen. Es ist einfach nicht mehr tragbar, was in diesem Land geschieht. War Durnwalder in Bozen bei der Präsentation der Mannschaft nicht ein klares Zeichen seiner Präsenz im Lande. Was soll er noch tun, um zu zeigen, dass seine Zeit noch lange nicht vorüber ist. Und Recht hat er, denn das Schauspiel seiner Nachfolger ist einfach nur traurig und peinlich zugleich. Heute ist der Tag der Wahrheit. Ich habe gelernt, meine Erwartungen zurückzuschrauben. Aber der Austritt von Josef Unterholzner, einmal nicht aus gesundlheitlichen Gründen, zeigt zum Beispiel, in welche aussichtlose Situation sich das Team K hineinmanövriert hat. Ein Paul Köllensperger sucht nicht nur um Beihilfe an, sondern bleibt dann auch noch seelenruhig im Urlaub, selbst wenn Feuer am Dach ist. Spielt dadurch direkt in die Hände der SVP. Meine Prognose stimmt punktgenau. Ich hoffe, heute Abend drei Abgeordnete und einen Landesrat weniger zu zählen in Südtirol. Dann kommt erst der nächste Schritt. Die Rache der Opposition. Und hinter den Kulissen der offene Machtkampf des großen Vogels. Einflüsterer ?? So soll man das nennen? Ich nicht. Ich sage: Vergewaltiger der Demokratie und Krebsgeschwür des Kapitals im System Südtirol. Dagegen sind 600 Euro wirklich nur eine Lappalie.

Di., 18.08.2020 - 10:41 Permalink
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Michl T.

ich stelle einfach mal ein paar Fragen in den Raum, die vielleicht in einem anderen Artikel, wenn nicht beantwortet, so zumindest ausgeführt werden können:
- Wo kommen die personenbezogenen Daten vom INPS her, wo drin steht, wer für die 600€ angesucht hat?
- sind diese Daten schützenswert und wo liegt das Leck?
- sind diese Daten vollständig oder "gefiltert", sind also evtl. noch weitere verwickelt, die Anspruch gehabt hätten, aber nicht aufgekommen sind? Unter den Abgeordneten haben einige Betriebe, nicht nur die 4 "Tintigen".
- sollten alle Beihilfen durch Staat, Land, BZG und Gemeinden auch öffentlich gemacht werden? Also wer wie viel Wohnbauförderung kriegt, Sozialhilfe, Arbeitslosengeld usw.? Ist immerhin unser gemeinsames Geld und wer's bezieht, soll auch damit leben können dass es öffentlich ist? (Also genau so behandelt werden wie Schuler, Lanz, Tauber und Köllensberger, vor dem Gesetz sollten wir ja alle gleich sein?)
- Wie sieht es bei den Bürgermeistern und den Präsidenten der BZG aus? Das sind ja auch Mandate, die - sagen wir mal - Vollzeitpolitiker-Bezüge kriegen meines Wissens. Referenten und Gemeinderäte eher nicht. Wo zieht man da die Grenze?
- Was passiert in einer Gemeinde, wo nur 1 Bürgermeisterkandidat ist, der jetzt die 600€ Corona-Bonus erhalten hat und auch in Ungnade fällt evtl.? Gibt's dann keinen Bürgermeister? Wird neu gewählt? Wie schaut's da dann in der "Basis" aus? Laufen sie sich dann selber mit der Fackel und der Mistgabel in der Hand hinterher?

nur mal so zum Nachdenken..

Di., 18.08.2020 - 12:53 Permalink