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„Langweilige Kunst ist langweilig“

"Der Künstler hat Langeweile" nennt sich die Ausstellung mit Arbeiten des Künstlers Josef Rainer in Völs. Ein Gespräch über Fleiß, Bienen und natürlich: Langeweile.
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Foto: Josef Rainer

salto.bz: Ist Ihnen der Satz „Der Künstler hat Langeweile“ lieber als „Der Künstler ist anwesend“?

Josef Rainer: Ich verstehe. „The Artist is present“ von Marina Abramovic. Eine wirklich ausgezeichnete Arbeit, große Kunst. Mit diesem Satz und Werk möchte ich mich eigentlich nicht vergleichen… da würde dann wohl der Satz „Der Künstler ist hochmütig“ passen. 
„Der Künstler hat Langeweile“ bezieht sich auf die Momente der Langeweile, aus denen neue Ideen entstehen können. Auf diese Momente, welche sich in die Länge ziehen, in denen scheinbar die Zeit stehen bleibt. Langeweile muss man zulassen können. Und sobald dann vor lauter Langeweile der Kopf leer ist, schwirrt meist ein guter Gedanke daher.
Und ich fand es einfach spannend Plastiken zu gestalten, denen langweilig ist. Langeweile oder gelangweilte Menschen darzustellen war eine große Herausforderung und überhaupt nicht leicht und langweilig. 


Was machen Sie gegen Langeweile? Kunst? Imkerei?

Das Schwierige an der Langeweile ist ja, dass man sich nicht darauf vorbereiten kann. Die kommt einfach so, still und leise. Den Bienen zuschauen, oder sie beobachten ist immer schön und unterhaltsam. Das wirkt gegen viel, ja. Das stimmt schon. Und ja, Kunst betrachten hilft auch gegen Langeweile. Kunst machen ist für mich immer wieder ein neues Abenteuer. Und wenn mir total langweilig ist, mache ich halt eben einen gelangweilten Künstler. Dann vergeht die Langeweile sehr schnell…

Einige Arbeiten nehmen – u.a. mit kleinen Fotos – direkt Bezug auf Sie selbst? Wie kam es dazu? Und wann wird das eigene Ich langweilig?

In der Arbeit „The Room of Inspiration“ sind eine Reihe von Passfotos zu sehen, das stimmt. Diese übernehmen in der betreffenden Arbeit die Rolle einer Ahnengalerie. Mit dem Unterschied halt, dass stets ich, in verschiedenen Lebensphasen zu sehen bin. Irgendwie auch eine kleine Zeitreise, alte und neue Fotos. Diese Arbeit bezieht sich auf die Anfänge der Sammeltätigkeit, die in den heutigen Museen mündet. Diese Studierzimmer waren mit Büchern, Mineralien, Fossilien, etc.. gefüllt und eben auch mit Portraits wichtiger Persönlichkeiten. Wichtig ist hier das Zusammenspiel unterschiedlichster Dinge. Daraus entstehen neue Gedanken und Inspirationen. Und die Rolle dieser Portraits nehmen in diesem Werk diese übriggebliebenen Passfotos ein, welche nicht in den jeweiligen Pässen gelandet sind. Aber da geht es weniger um mich als Mensch, ich bin da mehr so der Lückenfüller. Es geht mehr um das Einfangen der Zeit, des Lebens.
Und das eigene Ich wird langweilig wenn man es allzu ernst und wichtig nimmt. Da muss man schon höllisch aufpassen….


Langeweile und Müßiggang stehen konträr zu ihrem leidenschaftlichen Hobby, der Arbeit mit fleißigen Bienen. Welchen Stellenwert hat das Wort Fleiß in ihrem Leben?

Fleiß ist ein großes Wort. Bienen werden mit Fleiß assoziiert. Aber ein guter Imker ist eigentlich nicht fleißig, sondern eher faul. Seine Haupttätigkeit sollte sich hauptsächlich auf das Beobachten der Immen beschränken. Und er sollte nur eingreifen, wenn es unbedingt notwendig ist. Und ja, ich nutze den Fleiß der Bienen für meine Werke aus. So gesehen, sporne ich sie an und dann nehme ich ihnen diese wunderbaren Gebilde, Ergebnis ihres Fleißes weg und stelle diese aus.

Wie wichtig?

Fleiß im Sinne von Zielstrebigkeit und Beharrlichkeit ist schon wichtig. Gerade in der Kunst und Kunstwelt. 
Fleiß in der Arbeit ist aber so ein Ding, ein zweischneidiges Schwert. Es gibt Arbeiten, für die es Fleiß braucht. Aber nur um des Fleißes Willen etwas tun, das ist wohl  überflüssig. Eigentlich zählt das Ergebnis. Ob man dann mit oder ohne Fleiß dorthin kommt, ist im Grunde absolut nebensächlich. Ich denke schon, dass ich fleißig bin, halt in den Momenten, in denen ich arbeite. Aber diese wertvollen Momente des Nichtstun und des Denken sind mindestens genauso wichtig wie Fleiß. Und Müßiggang wiederum ist absolut wichtig. Sich mal entspannen, sich fallenlassen, das kann man auch von den Tieren lernen. Die können das sehr gut. Da könnten wir uns ruhig mehrere Scheiben abschneiden.


Welche Kunst ist für Sie langweilig?

Hm. Langweilige Kunst ist langweilig. Und Kunst ist langweilig, wenn sie nichts zu sagen hat. Sei es nun formal oder inhaltlich. Und sich nur mit sich selbst beschäftigt.
Oder ich versuch es mal so zu erklären: Ich brauche einen Schlüssel, der mir einen Zugang zum Kunstwerk eröffnet. Am liebsten über ein visuelles Momentum. Wenn ich allzu lange brauche, einen Schlüssel zu finden, wird es mir bald langweilig. Das Schwierige an der Kunst ist ja, dass jeder Betrachter einen anderen Schlüssel benötigt. Einen Universalschlüssel zu haben, das wäre schon gut.