Umwelt | Landwirtschaft

Stinkende Tatsachen

Im Kräfteringen um die Gülleausbringung in Natura-2000-Gebieten verharrt der Bauernbund auf seiner Position. Die Folgen scheinen nun auch der Landesregierung zu stinken.

Ende August wurde im Bozner Landhaus 11 Tacheles geredet. Das Setting? Eine Sitzung mit den beiden Landesräten Richard Theiner und Arnold Schuler und ihren Ressortdirektoren, einem guten Dutzend weiterer Beamten sowie der Spitze des Südtiroler Bauernbundes, Direktor Siegfried Rinner und Obmann Leo Tiefenthaler. Auf der Tagesordnung: das leidige Thema der Ausbringung von Gülle in Natura-2000-Gebieten. Seit der Verabschiedung des Naturschutzgesetzes im Mai 2010 ein Dauerbrenner, der auch schon die Umweltlandesräte  Michl Laimer und Elmar Pichler Rolle auf Trab gehalten hat. Denn seit damals opponieren die Bauernvertreter mehr oder weniger intensiv gegen die Einschränkungen bei der Bewirtschaftung von Wiesen in den unter Schutz gestellten Gebieten. Um die Artenvielfalt und die Lebensraumansprüche von Pflanzen und Tieren zu erhalten, gilt dort prinzipiell ein Gülleverbot. Doch bereits im Naturschutzgesetz selbst wurde im Artikel 21 eine Tür offengelassen.

„(4) In den Natura 2000-Gebieten ist, vorbehaltlich strengerer Schutzbestimmungen, insbesondere Folgendes verboten:
... die Ausbringung von Mineraldünger und Flüssigdünger, Gülle und Jauche aus der Viehwirtschaft, mit Ausnahme des im Natura 2000­Gebiet anfallenden Flüssigdüngers und mit Ausnahme der Acker­, Obst­ und Weinbaukulturen. Die Landesregierung genehmigt unter Berücksichtigung der spezifischen naturschutzfachlichen Anforderungen und einer standortgerechten Bewirtschaftung Managementleitlinien, auf deren Grundlage vom genannten Verbot abgewichen werden kann.“

Gülle stinkt nicht nur
Im März 2011 wurde der Passus von der damaligen Landesregierung erst einmal in einem Rundschreiben aufgeweicht. Bald blies den Landwirten jedoch eine schärfere Brise entgegen: Im Juli 2013 erklärte Michl Laimers Nachfolger Elmar Pichler Rolle unmissverständlich, dass Gülle nicht nur stinke, sondern auch die Umwelt schädige. Der Kurzzeit-Landesrat verwies dabei auf  Untersuchungen, die bestätigt hätten, dass sich die darin enthaltenen Stickstoffe negativ auf die Vielfalt auf Weiden und Wiesen auswirken. Denn viele Kräuter- und Gräserarten würden von jenen Pflanzen verdrängt, die in der Lage seien, große Mengen an Stickstoff für ihr Wachstum zu nutzen. Um dies zu vermeiden, wurden für jene knapp 80 Betriebe, die in den Südtiroler Natura-2000-Gebieten Gülle ausbringen, die im Gesetz vorgesehenen Managementleitlinien ausgearbeitet. Darin wurde festgelegt, wo welche Menge und welche Art an Gülle ausgebracht werden kann. Im Mai 2014 wurde sie schließlich von der neuen Landesregierung genehmigt. Um die Anpassung der Betriebe an die Vorgaben zu ermöglichen, beschloss die Landesregierung damals einen Zeitrahmen von 18 Monaten einzuräumen. Innerhalb November dieses Jahres sollte also jeder betroffene Betrieb mit Unterstützung des Beratungsring für Berglandwirtschaft (BRING) einen so genannten Düngungsplan erstellen.

Die in Anlehnung an die erfolgreiche Schwester im Bereich Obst- und Weinbau gegründete Organisation hatte erst 2013 die Beratungstätigkeiten der Landesabteilung 22 übernommen. Angesichts der noch schleppend anlaufenden Mitgliederakquise kam der Auftrag wie gerufen: Immerhin reservierte die Abteilung Natur, Landschaft und Raumentwicklung für die vorgesehen Arbeiten Gelder in Höhe von 80.000 Euro. Dafür sollte der BRING unter anderem ergänzende Erhebungen vor Ort machen.  Damit sollten auch Referenzwerte ermittelt werden, um zu kontrollieren, ob jene Bauern, die Beiträge für die Erhaltung der ökologischen Qualität der Flächen beziehen, das Verschlechterungsverbot für Natura-2000-Flächen auch über die Jahre einhalten.


Verwässerungstaktik
Doch zwei Monate vor Ablauf der Frist ist weder von Düngungsplänen noch von Felderhebungen eine Spur. Vielmehr ging die größte Anstrengung der vergangenen eineinhalb Jahre dahin, den von der Landesverwaltung angebotenen Kompromiss zum kompletten Verbot weiter zu verwässern, heißt es in den beteiligten Landesämtern. Statt sich endlich auf definitive Kriterien für die Pläne zu einigen, legte sich der Südtiroler Bauernbund ins Zeug, um den Status quo so weit wie möglich zu erhalten. Zeugnis davon gibt ein aktueller Artikel im Südtiroler Landwirt. Unter dem Titel „Das Gülle-Problem“ erklärt Bauernbund-Obmann Leo Tiefenthaler auch unter Verweis auf den Beratungsring für Berglandwirtschaft, dass die Wiesen in den meisten Fällen in gutem Zustand sind und keine Gefahr für Natur und Gewässer darstellen. Auch sei die „geplante Erhebung und Klassifizierung aller Wiesen in den Natura-2000-Gebieten viel zu aufwändig und bürokratisch“.

Argumente, die man seit Monaten versucht, auch politisch an den Mann zu bringen. Statt in den Arbeitsgruppen weiter an einem Kompromiss zu basteln, wechselte der Bauernbund im Frühjahr Strategie – und Verhandlungstisch. Gehen wir gleich zum Schmied statt uns mit dem Schmiedl herumärgern, dürfte der Gedanke hinter der kurzfristigen Terminabsage für ein anstehendes Treffen der Arbeitsgruppe gewesen sein. Gleichzeitig versuchte man, den Landeshauptmann für einen Gülle-Gipfel auf der Seiser Alm zu gewinnen. Auf jener Alm, die am stärksten von den Natura-2000-Maßnahmen betroffen ist, sollten die betroffenen Bauern Arno Kompatscher mit Unterstützung der Bürgermeister vor Ort für ihr Anliegen gewinnen. Doch der Landeshauptmann lehnte dankend ab und verwies den Bauernbund an die zuständigen Landesräte Arnold Schuler und Richard Theiner. Die folgten der Einladung auf die Seiser Alm dann letztendlich Anfang August.

Theiners Kopfwäsche
Wie sich allerdings spätestens bei der Sitzung im Landhaus 11 Ende August zeigte, ging die neue Strategie nicht auf. Denn zumindest Umweltlandesrat Richard Theiner scheint der Bauernschläue in Sachen Gülle ebenso überdrüssig zu sein wie viele seiner Beamten. Darauf deuten die Schilderungen einiger Teilnehmer des Treffens, die dem Landesrat für seine entschlossene Haltung bei der Sitzung Blumen streuen. „So etwas hätten wir uns in der Vergangenheit nicht vorstellen können“, erklärt einer von ihnen. „In der Sitzung ging es eigentlich nur darum, dem Bauernbund über eine Stunde lang den Kopf zu waschen.“ Denn wie Tiefenthaler und Rinner unmissverständlich klargemacht worden sei: Wenn Ihr noch länger hinterrücks Eure Spielchen macht und gleichzeitig am Runden Tisch erklärt, an Kompromissen zu arbeiten, können wir auch gerne zu einem generellen Gülle-Verbot in Natura-2000-Gebieten zurückkehren.

Leere Hände
Anlass für diese ungewöhnlich klaren Ansagen ist der Scherbenhaufen, vor dem man zwei Monate vor Ablauf der Frist für die Düngungspläne steht. Denn angesichts der fehlenden Einigung auf definitive Kriterien kann der Beratungsring für Berglandwirtschaft bislang keinerlei Leistung aufweisen – sieht man von einem Alternativvorschlag zu jenem der Landesverwaltung ab. Dass dieser einigen Bauernbundmitgliedern gar schon als endgültige Lösung präsentiert wurde, kam in den Arbeitsgruppen nicht gut an. Vor allem sind aufgrund der fortgeschrittenen Jahreszeit zum jetzigen Zeitpunkt  auch die geplanten Erhebungen des Beratungsrings auf den betroffenen Wiesen nicht mehr machbar. Damit ist auch eine Erstellung der Düngungspläne innerhalb November endgültig unrealistisch geworden. „Es scheint derzeit ziemlich schwierig im November ein Ergebnis zu haben, in dem bereits alle Betriebe eingestuft sind“, bestätigt auch Richard Theiners Ressortdirektor Floian Zerzer. Deshalb soll als Zwischenschritt erst einmal eine technische Erhebung durchgeführt werden, in der man sich auf Betriebe mit hohem Viehbestand und vielen Weiden in Natura-2000-Gebieten konzentriert, die für die Erhaltung der ökologischen Qualität auch Beiträge erhalten.

Botte piena e moglie ubriaca
„Wie die Italiener so schön sagen: Beim Bauernbund will man eben ‚la botte piena e la moglie ubriaca’“, lautet die Lagebeschreibung des  Direktors der Abteilung Natur und Landschaft Anton Aschbacher. In anderen Worten: „Man möchte einen hohen Viehbestand halten und die Gülle ausbringen, sieht aber nicht ein, dass das zu viel ist, um die ökologische Vielfalt zu erhalten“, so Aschbacher. Er zerstreut zwar die offene Frage, wofür der Beratungsring für Berglandwirtschaft nun eigentlich 80.000 Euro kassieren soll. „Die Gelder werden sicherlich nicht ausbezahlt, solange die vereinbarten Arbeiten nicht gemacht werden“, sagt der Abteilungsdirektor. Viel zentraler sind für ihn in dem Fall allerdings andere Auszahlungen. Denn sollte festgestellt werden, dass die Qualität der Bergwiesen in den Natura-2000-Gebieten nicht gehalten werden konnte oder gar verschlechtert wurde, müssen die Landwirte „im schlimmsten Fall auch Beiträge zurückzahlen“, sagt er.

Wohl nicht von ungefähr erklärt Bauernbund-Direktor Rinner zu dem Thema im Südtiroler Landwirt: „Wenn Bauern alle paar Jahre den Nachweis erbringen müssen, dass sich der Zustand ihrer Wiesen nicht verschlechtert hat, heißt es, dass den Bauern kein Vertrauen entgegen gebracht wird.“ Zumindest laut dem Organ der Südtiroler Bauernschaft scheinen solche Argumente “nun bei den beiden Landesräten zu fruchten”. Nach der Kopfwäsche im Landhaus 11 stellt sich allerdings die Frage, wie viel Vertrauen die Bauern selbst ihrer Interessenvertretung in der Frage schenken sollen. 

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Salto User
Sepp.Bacher Fr., 18.09.2015 - 13:37

Warum sollte man den Bauern einen Vertrauensvorschuss geben, nachdem man ihre Bauern-schlauen Trickse kennt. Kontrolle ist besser und sicherer!

Fr., 18.09.2015 - 13:37 Permalink
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Tom Tom Fr., 18.09.2015 - 18:07

Gerade der Abteilungsdirektor sollte wissen, dass der Beratungsring Berglandwirtschaft BRING im Juni 2014 mit den vereinbarten Tätigkeiten begonnen hat, aber diese wieder einstellen musste, weil bis heute von der Abteilung Natur und Umwelt keine Auftragsbestätigung diesbezüglich an den BRING ausgestellt wurde. Es wurden zwar die Gelder reserviert, aber nie ein Auftrag erteilt!

Fr., 18.09.2015 - 18:07 Permalink