Politik | Meran

Volkspart Ei mit Rösch-Kartoffel

Die SVP treibt zusammen mit ihren italienischen Bündnispartnern ein unwürdiges Spiel. Die Seilschaft will unbedingt Urbanistik-Stadträtin Madeleine Rohrer eliminieren.
Meran
Foto: Pixabay
Der Bürgermeister soll den Wählerwillen respektieren“, wiederholt Ernst Fop seit Tagen wie ein Mantra. Nerio Zaccaria, Kopf der „Alleanza per Merano“, spricht im „Corriere dell’Alto Adige“ vom unzertrennbaren Pakt mit Dario Dal Medicos Civica und sagt: „Das Abkommen schließt auch die SVP ein, die so wie wir will, dass Meran von jenen regiert wird, die von den Bürgern gewählt wurden.
SVP-Chefverhandler Fop erklärt in einer Presseaussendung dann auch, wer sich gegen den Meraner Wählerwillen stellt: „BM Rösch soll daher aufhören, Druck auf dem Rücken der Meraner/Innen aufzubauen und parteipolitische Spielchen zu inszenieren, die lediglich darauf abzielen, einen Posten für seine vorbestimmte Kandidatin im Stadtrat zu sichern.“
Paul Rösch, der parteipolitische Spielchen spielt, gegen den Wählerwillen agiert und der alles nur tut, um einer Kandidatin einen lukrativen Posten im Stadtrat zuzuschanzen? Dem Meraner Grünen Bürgermeister muss der Wahlerfolg zu Kopf gestiegen sein.
Doch der Plot für den Film „Der große Diktator“ hat  entscheidende Schwachstellen. Es ist ein Drehbuch, das die Meraner Wirklichkeit völlig auf den Kopf stellt. 
 

Erste Wahl

 
Es gibt eine Frau, die bei den Gemeinderatswahlen 2020 in Meran zum ersten Mal angetreten ist und dabei alle Männer meilenweit abgehängt hat. Madeleine Rohrer hat von allen Kandidatinnen und Kandidaten – mit Ausnahme der beiden Bürgermeisterkandidaten – die meisten Stimmen erhalten.
 
 
Die 37-jährige Politikwissenschaftlerin war 2015 von Bürgermeister Paul Rösch von außen in den Stadtrat berufen worden und übernahm dort die schwierigsten Ressorts: Raumordnung, Verkehr und Umwelt. Nach 5 Jahren stellte sich Rohrer jetzt zur Wahl und dem Urteil der Meranerinnen und Meraner. Mit überwältigendem Erfolg. Von allen Kandidatinnen und Kandidaten erhielt die amtierende Stadträtin die meisten Stimmen: 1.116. Zum Vergleich: Der Erstgewählte auf der SVP-Liste Stefan Frötscher bekam 675 Stimmen. Auch jene, die jetzt bei den Koalitionsverhandlungen das große Wort führen, liegen weit dahinter. Nerio Zaccaria schaffte 858 Vorzugsstimmen und Ernst Fop gar nur 554 Stimmen.
Der Wählerwille dürfte damit klar zum Ausdruck kommen. Die Meraner wollen, dass Madeleine Rohrer ihre Arbeit fortführt. Deshalb gilt die taffe junge Frau für Paul Rösch und die Grünen im neuen Stadtrat als gesetzt.
Genau das aber wollen die SVP und ihre italienischen Bündnispartner mit allen Mitteln verhindern. Dass diese Operation eine politische Schmierenkomödie ist, zeigt sich, wenn man sich die Situation in Meran genauer anschaut.
 

Das SVP-Problem

 
Das gesetzliche Korsett zur Bildung des Meraner Stadtrates ist sehr eng. Laut Regionalgesetz und Gemeindestatut besteht der Stadtrat (Bürgermeister eingeschlossen) aus sieben Personen. Auch die ethnische Zusammensetzung ist klar: In der vergangenen Legislatur saßen vier deutsche und drei Italiener im Meraner Stadtrat. Jetzt hat sich das Verhältnis, das nach den Sitzen im Gemeinderat errechnet wird, umgekehrt. Weil bei den Gemeinderatswahlen 2020 19 Italienerinnen und Italiener in den Gemeinderat gewählt wurden, muss der Stadtrat jetzt aus vier Italienern und drei Deutschen zusammengesetzt werden.
Und genau hier liegt das Problem der SVP. Die Meraner Volkspartei pocht auf zwei Sitze im Stadtrat. Mit Paul Rösch und Madeleine Rohrer würde es aber nur mehr einen weiteren „deutschen“ Stadtratssitz für die SVP tragen. Deshalb verlangt die Meraner Volkspartei, dass Rohrer unbedingt draußen bleiben muss. Nur so kann sie die zwei Stadträte bekommen.
Diese Forderung nimmt fast schon komödienhafte Züge an, wenn man sich eine andere gesetzliche Vorgabe anschaut. Nach den geltenden Bestimmungen müssen mindesten zwei Frauen im Meraner Stadtrat sitzen.
 
 
Unter den acht gewählten SVP-Gemeinderäten gibt es aber keine Frau. Auch bei den beiden italienischen Listen „Alleanza per Merano“ und „Civica per Merano“ wurden ausschließlich acht Männer gewählt. Damit verlangen die beiden Bündnispartner allen Ernstes, dass die einzige Frau, die von den Bürgerinnen und Bürgern eindeutig in den Stadtrat gewählt wurde, außen vor bleiben soll.
 

Die Aufstockung

 
In den Koalitionsgesprächen vergangener Woche wurde deshalb ein Kompromissvorschlag diskutiert. Das Regionalgesetz sieht eine mögliche Aufstockung des Stadtrates auf acht Mitglieder vor. Einzige gesetzliche Vorschrift: Die Gesamtkosten der Stadtregierung müssen gleichbleiben. Das heißt die Amtsentschädigung der einzelnen Stadträte wird deutlich geringer ausfallen. Um diesen Kompromiss umzusetzen, bedarf es aber einer Änderung des Statuts durch den Gemeinderat. Bis diese Statutenänderung aber umgesetzt ist, vergehen sechs bis neun Monate. Demnach müsste der dritte deutsche Stadtrat solange im Standby warten.
 
 
Die SVP besteht jetzt darauf, unbedingt Madeleine Rohrer in diese Warteschleife zu schicken. Dass die Grünen und Paul Rösch sich darauf nicht einlassen, sich von den Koalitionspartnern die meistgewählte Frau aus der Stadtregierung schießen zu lassen, bringt ihnen jetzt den Vorwurf des Postenschachers ein.
Dabei ist allen in Meran klar, welch unwürdiges Spiel dahinter getrieben wird. Madeleine Rohrer ist vor allem als Urbanistik-Stadträtin den gemeinsamen geschäftlichen Interessen einer mächtigen Seilschaft in der Passerstadt im Weg. Deshalb muss sie unbedingt weg. Oder zumindest solange auf die Auswechselbank, bis einige wichtige Projekte durchgeboxt sind.
Madeleine Rohrer ist vor allem als Urbanistik Stadträtin den gemeinsamen geschäftlichen Interessen einer mächtigen deutsch-italienischen Seilschaft in der Passerstadt im Weg.
Am Montagvormittag kommt es zum entscheidenden Treffen zwischen den drei möglichen Koalitionspartnern. Nach Informationen von Salto.bz will Paul Rösch dabei einen neuen Kompromissvorschlag auf den Tisch legen, der die Ausweitung der Koalition vorsieht. Spätestens dann wird sich zeigen, wie weit die Meraner SVP und ihre neuen Bündnispartner den Bogen überspannen wollen.