Chronik | Betrug

Die Geisterpunkte

Die Polizei deckt ein ausgeklügeltes Betrugssystem beim Wiedererwerb der Führerscheinpunkte auf. Im Visier Fahrschulen in Bozen und Bruneck.
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Foto: upi
  • Die Polizei kam am vorvergangenen Donnerstag am frühen Morgen. Das Ziel waren vier bekannte Südtiroler Fahrschulen. Lange vor der von der Staatsanwaltschaft genehmigten Durchsuchungsaktion waren die Ermittler sicher, fündig zu werden. Bisher wurden 16 Personen in das Ermittlungsregister eingetragen. Der Vorwurf: „Fälschung eines öffentlichen Aktes“ (Falsità ideologica und falso per induzione - Art. 479 StGB). Schon jetzt aber ist klar, dass das nur die Spitze eines Eisbergs ist und sich die Ermittlungen schon bald auf einen weit größeren Personenkreis ausweiten werden. „Dass es so etwas auch in Südtirol gibt, hätten wir uns nicht erwartet“, plaudert einer der ermittelnden Beamten aus der Schule.

  • Operation Ghostpoints

    Fahrschule: Organisierter Betrug Foto: Upi

    Die von der Südtiroler Straßenpolizei durchgeführte Ermittlungen beginnen im Mai dieses Jahres. Seit fünf Monaten ermitteln man. Wie jede Ermittlung erhält auch diese Polizeioperation einen Codenamen: „Operation Ghostpoints“.
    Geisterpunkte“, weil es um die sogenannten Führerscheinpunkte geht. Oder besser gesagt, um die Wiedererlangung dieser Punkte. Die Gesetzeslage ist klar: Wem wegen Fahrens unter Trunkenheit oder auch wegen anderer Verkehrsdelikten die entsprechenden Punkte abgezogen werden, der oder die können bei einer Fahrschule einen entsprechenden Kurs belegen, um diese Punkte wiederzuerlangen. Wichtig ist das vor allem für Berufsfahrer. Dazu muss man den Besuch eines dieser Kurse nachweisen und man bekommt, je absolvierten Kurs, entweder 6 (12 Unterrichtsstunden) oder 9 Führerscheinpunkte (18 oder 20 Unterrichtsstunden) zurück. Diese Kurse kosten zwischen 200 und 380 Euro.

  • Seit langem gehen die Ermittler davon aus, dass es in den privaten Fahrschulen bei diesen Kursen einige Schiebereien gibt. Bestätigt wurde diese Verdacht, als man bei einer Routinekontrolle in einer Bozner Fahrschule auf einen „fingierten Kurs“ gestoßen ist. Ein Südtiroler Autofahrer hatte nur zum Schein einen Kurs besucht, der nie abgehalten worden ist und dafür 9 Führerscheinpunkte bekommen.Es war der Ausgangspunkt für die Polizei bei den Südtiroler Fahrschulen genauer hinzuschauen. Dabei wurden vor allem zwei Fahrschulen, eine in Bozen und eine zweite in Bruneck, genauer unter die Lupe genommen.

  • Beschattete Autofahrer

    Werbung für Kurse: Riesiges Geschäft für die Fahrschulen Foto: Upi

    Dazu hat man nicht nur verdeckte Ermittler in diese von den Fahrschulen angebotenen Kurse geschickt, sondern man hat auch die Schulen per Videoüberwachung verwanzt. Zudem wurden Kursteilnehmer beschattet. Das Ergebnis dieser Ermittlungen ergaben das klare Bild eines organisierten Betruges. Ein Teil dieser angeblichen Kurse hat es in Wirklichkeit nie gegeben.
    So dokumentierten die Polizeibeamten, dass Fahrerlehrer, die angeblich diese Kurse abgehalten haben, in dieser Zeit in Wirklichkeit Fahrstunden gaben oder privaten Dingen nachgegangen sind. Wie weit die Dreistigkeit dabei geht, zeigt sich an der Tatsache, dass Fahrschulen sogar geschlossen oder Fahrlehrer in Ferien waren, während sie auf dem Papier angeblich diese Kurse abgehalten haben.

  • Die Beschattung einiger Kandidaten hat ergeben, dass sie während dieser Fake-Kurse, in Wirklichkeit bei der Arbeit oder zuhause waren. Den Vogel abgeschossen hat ein Südtiroler, der insgesamt 18 solcher Fake-Kurse besucht hat und damit insgesamt 108 Führerscheinpunkte wiederlangt hat.
    Dieser Betrug ist für die Fahrschulen ein riesiges Geschäft. 

  • Die Folgen

    Die Ermittlungen dürften aber nach den Hausdurchsuchungen vom 9. November einen Qualitätssprung machen. Denn die Beamten der Postpolizei haben in mehreren Fahrschulen Datenmaterial sichergestellt, das jetzt ausgewertet wird. „Der Kreis der Beschuldigten wird sich damit deutlich vergrößern“, heißt es aus Ermittlerkreisen. 
    Auf die Betroffenen auf beide Seiten dürfte dabei nicht nur ein Strafverfahren zukommen. Die Fahrschulen riskieren auch eine Aussetzung der Lizenz. Während jene, die für die Fakte-Kurse bezahlt haben, die erstanden Punkte unmittelbar wieder verlieren. Zudem wird es für einige auch zum Entzug der Fahrerlaubnis kommen.

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G. P.

Na, sauber. Wenn das schon in Südtirol so praktiziert wird, dann kann man sich vorstellen, wie das weiter im Süden gehandhabt wird ...
Je mehr Gesetze, um so mehr Betrügereien. Wie sagt der Italiener so schön: "Fatta la legge, trovato l'inganno."

Sa., 18.11.2023 - 16:58 Permalink