„Benzin im Feuer“
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Leistbarer Wohnraum wird in Südtirol zunehmend zur Mangelware. Immer mehr Menschen finden keine Wohnung zu tragbaren Konditionen oder müssen einen immer größeren Teil ihres Einkommens für Wohnen aufwenden. Ein Problem, das auch längst den Mittelstand fest im Griff hat. Vor diesem Hintergrund äußert nun auch der Verbraucherschutzverein Robin deutliche Kritik an der neuen Südtiroler Wohnreform 2025. Die Richtung stimmt, aber getan ist sei es damit noch nicht.
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Sind finanzielle Anreize eine Lösung?
Die Landesregierung setze mit der Reform vor allem auf finanzielle Anreize für den Erwerb von Eigentum, heißt es von Robin. Zinsvergünstigte Darlehen, Zuschüsse für die erste Wohnung sowie Vereinbarungen mit Banken sollen den Zugang zum Immobilienmarkt erleichtern und Käuferinnen und Käufer vor weiter steigenden Preisen schützen. Aus Sicht des Verbraucherschutzes greift dieser Ansatz jedoch zu kurz.
„Solange Wohnungen fehlen oder dem Markt entzogen sind, wirken Zuschüsse wie Benzin im Feuer.“
Auch aus ökonomischen Fachkreisen weist man auf die strukturelle Unvollständigkeit der Wohnreform hin. Mirco Tonin, Ökonom an der Universität Bozen, erklärt, dass Maßnahmen, die primär die Nachfrage stärken sollen, das Wohnproblem nicht lösen, solange das Angebot an Wohnungen begrenzt bleibt. Würde man Käuferinnen und Käufern sowie Mieterinnen und Mietern mehr Geld in die Hand geben, ohne das Angebot auf der anderen Seite auszuweiten, führe das lediglich zu Preis- und Profitsteigerungen aufseiten der Immobilieneignerinnen und -eigner sowie der Banken. Robin-Geschäftsführer Walther Andreaus spitzt das zu: „Solange Wohnungen fehlen oder dem Markt entzogen sind, wirken Zuschüsse wie Benzin im Feuer.“
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Ein knappes Gut
Zusätzlichen Druck erzeuge die Ausweitung des Kreises der Anspruchsberechtigten. Ehemals konnten nur langjährig ansässige Personen Förderungen beanspruchen. Künftig haben auch Personen mit Arbeitsvertrag Anspruch darauf. Sozialpolitisch sei dieser Schritt angesichts des Arbeitskräftemangels nachvollziehbar, jedoch verstärke er marktwirtschaftlich die Konkurrenz um ein knappes Gut. Auch hier gelte es, mehr Wohnraum zu schaffen oder bestehenden Leerstand zu mobilisieren. „Wenn mehr Menschen gefördert kaufen wollen, als Wohnungen verfügbar sind, steigen die Preise weiter“, warnt Andreaus.
Gerade beim Leerstand sieht Robin einen zentralen Schwachpunkt der Reform. Leerstehende Wohnungen würden bislang weder systematisch erfasst noch wirksam aktiviert. Neubau allein könne die strukturelle Knappheit nicht beheben, ebenso wenig reine Kaufsubventionen.
Kritisch bewertet Robin zudem den starken Fokus auf Eigentum. Der Mietmarkt bleibt in der Reform weitgehend unbeachtet, obwohl gerade dieser schwer belastend wirkt und von reger Nachfrage geprägt ist.
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Wohnarmut nimmt zu
Aus Sicht von Robin rückt immer eindringlicher die zunehmende Wohnarmut in den Mittelpunkt, ein Phänomen, das bislang oft unterschätzt wird. Nach den Kriterien der Europäischen Union gilt ein Haushalt als überlastet, wenn mehr als 40 Prozent des verfügbaren Einkommens für Wohnen aufgewendet werden müssen – einschließlich Miete oder Kreditraten sowie laufender Kosten wie Wärme und Energie. Diese Schwelle mache noch deutlicher, dass prekäre Wohnsituationen längst nicht mehr nur Menschen mit sehr niedrigen Einkommen betreffen. Auch Haushalte mit stabilen Einkommen geraten zunehmend unter Druck, wenn Wohnen andere zentrale Lebensbereiche, wie Lebensmittelversorgung, Gesundheit, Mobilität, Bildung oder soziale Teilhabe zunehmend verdrängt, so Robin.
Vor diesem Hintergrund spricht sich der Verbraucherschutzverein Robin für eine Neuausrichtung der Wohnpolitik aus. Gefordert werden Maßnahmen, die das Angebot ausweiten – sowohl durch Neubau als auch durch die systematische Nutzung leerstehender Wohnungen –, sowie eine stärkere Berücksichtigung des Mietmarktes. Förderungen müssten so ausgestaltet sein, dass sie tatsächlich entlasten, anstatt bestehende Preisdynamiken weiter zu verstärken.
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