Kultur | Kunst

Blaues Rauschen

Simon Iurino stellt nur noch wenige Tage im Hotel Aurora in Meran aus. Der dazu entstandene Katalog hat hingegen kein Ablaufdatum. Er ist zeitlos wie Iurinos Schaffen.
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Foto: SALTO
  • „Die Fotoemulsion wird auf die Leinwand aufgetragen, dann wird die Leinwand gefaltet und entwickelt sich“, erzählt Simon Iurino beim Rundgang durch die Ausstellung. In Deutschnofen aufgewachsen kehrt der Künstler und Vater von zwei Buben regelmäßig in seinen Herkunftsort zurück, wohl auch deshalb, da viele seiner Arbeiten seit Ende Oktober 2023 (und nur noch wenige Tage) im Hotel Aurora in Meran ausgestellt bleiben. Iurinos Ausstellung befindet sich sozusagen auf den letzten Metern, denn bald wird Schluss sein und ein nächster Künstler – Leander Schwazer – wird im Rahmen des Projekts Carte Blanche zum zug kommen. Im Hotel an der Passer werden nämlich auf das Jahr verteilt immer wieder Kunstausstellungen veranstaltet. Man wolle damit Künstlern und Künstlerinnen die Möglichkeit geben, „auch ortsspezifische Werke für das Hotel zu schaffen, die dann dauerhaft ausgestellt werden“, lautete die Ursprungsidee der freiberuflichen Kuratorin Eva von Ingram Harpf, die auch Iurinos Schau für die Hotelräume von Melanie Auckenthaler und Philipp Auckenthaler zusammenstellte. 

  • Zeitgenössische Kunst im Hotel: Der Künstler Simon Iurino ist (Hotel-)Gast im Rahmen von "Carte Blanche" im Hotel Aurora in Meran. Foto: SALTO

    Wenn er nicht im Atelier in Deutschnofen an neuen Arbeiten tüftelt oder für Termine mit Sammler*innen und der Presse in Meran durch die Hotelräume führt, ist der zeitgenössische Künstler meistens in Wien anzutreffen. Iurino studierte zunächst Objektskulptur in Urbino und absolvierte daraufhin ein einjähriges Studium an der renommierten Central Saint Martins Academy in London. Sein Studium beendet hat er dann in der Meisterklasse für textuelle Bildhauerei bei keinem geringeren als Heimo Zobernig, für den Iurino anschließend auch mehrere Jahre als Assistent arbeitete. In seiner aktuellen Serie, den Cyanotypes, beschreitet Iurino den wissenschaftlich-künstlerischen Pfad einer uralten Technik, dem natürlichen Blaudruck, so wie er einst für Architektur- und Geometerzeichnungen Verwendung fand.

  • Dem Licht verpflichtet: Historisierte Hotelbeleuchtungskörper treffen auf belichtete Arbeiten von Simon Iurino Foto: SALTO

    „Das hier wurde als erstes belichtet, dann aufgeklappt, dann erneut aufgeklappt...“, erzählt der Künstler und zeigt auf eines seiner Bilder. Für diese Arbeit "zerlegte" er nicht nur Papier, sondern vor allem die Belichtungszeiten in verschiedene chromatische Stufen. Das am längsten belichtete steht dem am wenigsten lange belichteten gegenüber. Was alle vier zusammenhält, ist ein zentrales Kreuz, welches durch die Faltung entsteht. 
    „Das ist auch ein bisschen eine Antwort auf die NFT`s“, erzählt Iurino im Hinblick auf den Kunst-Run am Markt. NFT`s (Non-Fungible Token) nennen sich nämlich digitale Besitzurkunden die beweisen, dass einem ein digitales Kunstwerk gehört. Im Gegensatz zu Kryptowährungen sind sie einmalig und nicht teilbar. Iurinos Antwort auf NFT erfolgt in „analoger Form“, indem er „zerstückelt“ und seine Arbeit am Ende wieder zu einem passenden „Ganzen findet“. Seine Kunst führte ihn vor einigen Jahren auch auf die Insel Mallorca, wo er in Andratx für das renommierte Artist in Residency-Programm ausgewählt wurde. Rund sechs Wochen arbeitete er dort und ließ sogar erste Arbeiten entstehen, die gegenwärtig in Meran zu sehen sind.
    Zu sehen ist im Hotel auch eine seiner modularen Strukturen, eine Idee, die der Künstler während seines Studiums entwickelte und den verschiedensten Räumlichkeiten anpasst. So auch im Aurora in Meran. Seine räumlichen und zeitlichen Fragmente, wie Jeva Griskjane im vor kurzem vorgestellten Katalog schreibt, „überwinden Begrenztheiten und entfalten sich innerhalb der vorgegebenen Räume.“ 

  • Künstler im Raum: Zur Ausstellung ist ein umfassender Katalo erschienen. U.a. mit Texten von Francesco de Prezzo und Jeva Griskjane. Foto: SALTO
  • Bei Simon Iurino wird „das Duplikat zum Unikat“, schreibt Griskjane im gut gemachten Katalog, dem es beim aufmerksamen Durchblättern gelingt, einen regelrechten "Floh" mit blauem Rauschton ins Ohr der jeweiligen Betrachter*innen zu setzen. Ob es das Rauschen von Mittelmeerwasser ist, oder nur das Wasser der Passer vor dem Hotel? Egal, es rauscht!