Avantgarde zwischen Fetzentempeln
„Die Galerie habe ich 1984 eigentlich gegründet, weil wir einen ungeliebtenMieter aus dem Erdgeschoss draußen haben wollten,“ beginnt die Präsidentin des Kunstvereins Ar/Ge Kunst Galerie Museum, Karin Welponer ihre Erzählung. Vor 30 Jahren gab es kunstmäßig kaum Bewegung in Bozen, höchstens im literarischen Bereich hatte sich was getan mit der Gründung der Zeitschrift Arunda und der Distel, andere wie das Südtiroler Kulturzentrum waren bereits wieder im Sinkflug begriffen.
Für die Kunstliebhaber gab es in den 1980er Jahren die Galerie Goethe, es gab den Künstlerbund der sich die Domininkanergalerie mit dem italienischen Kunstverein teilte und drei kleinere Galerien, die Meta, Spatia und Il Sole zeigten italienische Kunstavangarde in einem kleinen Raum im Stadtzentrum. „Das war der Stand der Dinge damals und wir Jüngeren waren doch sehr interessiert an Kunst und Kultur, vor allem natürlich an zeitgenössischen Positionen. Jedoch auf deutschsprachiger Seite gab es nichts.“ Karin Welponer studierte an der Akademie der Bildenden Künste in München, lebte und arbeitete dort bevor sie wieder zurück nach Bozen kam.
"Ich werde niemals einen Fuß in die Arge Kunst Galerie setzen."
In ihrem Elternhaus in der Museumstraße Nr. 29 kam es 1985 zu Geburt und Grundvertrag der Arge Kunst, dem Forum Arbeitsgemeinschaft Kunst, wie es damals klassenkämpferisch hieß. „Nach einer Kunstdiskussion auf Schloss Maretsch, bei der auch Kulturschaffende aus Österreich dabei waren, haben wir erkannt, dass es vielleicht doch nicht schlecht wäre, einen solchen Platz des Austausches mitten im Bozner Stadtzentrum zu haben.“ So wurde aus der losen Galerie-Idee etwas Konkretes und am 20. Juni 1985 wurden die Statuten aufgesetzt. Mit dabei Elisabeth Baumgartner, Gerhard Mumelter, Marjan Cescutti, Eva Eccel Kreuzer und Christoph Mayr Fingerle, der den ersten Präsidenten in der Zeit bis 1992 gab. „Natürlich mussten wir uns finanzielle Unterstützung holen und das taten wir beim damaligen Kulturlandesrat Anton Zelger,“ erinnert sich Welponer. „Wir hatten ein wirklich sehr langes Gespräch und er bestand darauf, dass wir nur deutsche und ladinische Künstler ausstellen sollten, doch wir haben nicht nachgegeben und abends wurde er müde und wollte heim, so sagte er schließlich, gut, streichen wir diesen Passus. Doch er meinte auch, er werde nie einen Fuß in die Galerie setzten und daran hielt er sich.“ Doch die jährliche Unterstützung wurde gegeben, und darüber war man froh. Neben dem Land Südtirol flossen Gelder vor allem über das Österreichische Bundesministerium für Unterricht, Kultus und Sport, wie es damals hieß.
Großes Tuch und Zeichnungen
„Die allererste Ausstellung haben wir mit Professor Oswald Oberhuber aus Wien bestritten,“ berichtet Karin Welponer, „wir wollten ja vor allem auch internationale Positionen nach Bozen und Südtirol bringen und mit Österreich hatten wir von Beginn an ein gutes Verhältnis zu Künstlern, Galerien und Politikern.“ Der Teppich, der von Oberhuber damals als „großes Tuch“ bezeichnet wurde, gehört heute zum Archivbestand der Galerie und wurde zur Jubiläumsausstellung von Aldo Giannotti in diesem Jahr noch einmal gezeigt.
Doch nicht nur internationale Künstler sollten gezeigt werden, vor allem auch die jungen aufstrebenden Talente brauchten eine Plattform für ihre Kunst. „Wir haben vielen jungen Künstlern zu Sichtbarkeit verholfen, ich glaube viele starteten ihre Karrieren hier in der Arge Kunst oder mit unserer Hilfe,“ erinnert sich Welponer, Heinz Mader, Julia Bornefeld, Walter Niedermayr, Andy Chicken, Carmen Müller, Matthias Schönweger, Berty Skuber, Maria Stockner oder Arnold Mario Dall’O gehörten zu den Ausgestellten in der Anfangszeit. „Wir haben uns besonders in österreichischen Kunstkreisen einen guten Namen erarbeitet und konnten bald auf ein wertvolles Netzwerk bauen.“ Auch wegen dieser Anerkennung aus dem Mutterland gab es weniger Beanstandungen vonseiten der Landespolitiker zur progressiven Haltung der Arge Kunst.
Anfangs zeigte man noch 14 Ausstellungen im Jahr, lacht Karin Welponer, im Enthusiasmus der Gründungsjahre wollte man Künstler um Künstler präsentieren. Es gab die ersten Architektur- und Fotoausstellungen und dann mit der ersten Kuratorin, Marion Piffer Damiani eine klare Linie. „Sie war wertvoll für uns, denn so gab es ein durchdachtes Konzept und einen Plan,“ sagt Welponer. Stets wurde darauf geachtet, dass die Künstler auch einen Bezug zum Territorium hielten, „ich bin zum Beispiel mit dem Briten Richard Long eine Woche lang in der Bergen herumgewandert und er hat dann seine Ausstellung in der Galerie mit zwei Steinkreisen aus Eggentaler Steinen und Dolomiten-Felsstücken gebaut.“
Marion Piffer Damiani, Sabine Gamper, Luigi Fassi, Emanuele Guidi
Nach Piffer Damiani war es Sabine Gamper, die der Galerie von 2000 bis 2008 ihren Stempel aufdrückte. Sie machte die Arge Kunst sichtbarer, durch die Einbindung von lokalen Künstlern und durch das Hinausgehen in den öffentlichen Raum. „To actuality“ hieß eine dieser Ausstellungen, die sich in den Straßen und auf den Plätzen der Stadt abspielte und die Passanten direkt involvierte.
Die Avantgarde der Avantgarde
„Luigi Fassi war unser künstlerischer Leiter, der am stärksten gesellschaftspolitische und philosophische Positionen hereingeholt hatte,“ so Welponer, „leider verloren wir ihn an den 'Steirischen Herbst'.“ Heute ist es der aus Carrara stammende Kurator Emanuele Guidi, der die Geschicke der Galerie leitet, mit Augenmerk auf soziale und gesellschaftliche Themen. Er ließ beispielsweise vom Schotten Gareth Kennedy eine Stube in die Galerie einbauen, zum Thema Ahnenerbe der Südtiroler, eine anthropologische Recherche gepaart mit künstlerischer Reflexion.
Elitär? „Ja, das höre ich öfter,“ sagt Karin Welponer, „doch es steht jedem frei, sich mit uns und unseren Inhalten zu verbinden.“ Mittlerweile sind es andere wie der Künstlerbund oder das Kunsthaus Meran, die die lokalen Künstler zeigen, „wir wollen immer die Nase vorne haben, unsere Aufgabe ist es die Avantgarde der Avantgarde zu sein,“ sagt die Präsidentin mit einem kleinen Schmunzeln. „Denn hier zwischen den Fetzentempeln in der Museumstraße ist es doch ganz gut, wenn es auch etwas Interessanteres gibt, das bestätigen uns sogar die Touristen.“