Wirtschaft | Alperia

Die Strohfrau

Die Geschichte einer Rentnerin, die einen Alperia-Auftrag von über 300.000 Euro bekommt. Wer dahinter steht und wie sorglos Alperia bei der Auftragsvergabe vorgeht.
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Foto: Alperia
Die Mail kam am 4. Juni. 
Genau zur selben Zeit erhielt auch Andreas Pöder ein ähnliches Schreiben von derselben Absenderin. „Ich fühle mich wegen meiner Landtagsanfrage zu Alperia bedroht und unter Druck gesetzt“, wertet der Landtagsabgeordnete der BürgerUnion Andreas Pöder die Depesche.
Der Wortlaut des Schreibens an den Autor dieser Zeilen:
 
„Mi è pervenuta notizia del fatto che la mia società e, di conseguenza, la mia persona siano state oggetto di Suo interesse. Mi riferisco ai Suoi accessi presso gli uffici di “Alperia Spa” del mese scorso.
In tali occasioni Lei avrebbe, per quanto di mia conoscenza, chiesto di poter avere accesso alla pratica relativa ad una gara aggiudicata dalla società da me rappresentata al fine, sembrerebbe, di verificare che con detta aggiudicazione fossero state rispettate tutte le previsioni di legge.
Un interessamento nei confronti delle procedure ed aggiudicazioni di Alperia è legittimo e doveroso.
Il fatto, però, che Lei si sia interessato unicamente alla gara aggiudicata dalla mia società sembrerebbe comportare che l’interesse da Lei manifestato non fosse indirizzato ad Alperia, bensì alla BM Condotte.
Convinta che ogni Suo dubbio sia stato fugato, vista anche l’esauriente risposta da Lei avuta da parte di Alperia che ha confermato la regolarità della gara aggiudicata, soprassiedo su tale aspetto.
Mi preme però in ogni caso farLe presente già in tale sede l’indubbia moralità e correttezza sia della mia persona che della mia società. Fatti che auspico di poterLe confermare in un gradito incontro de visu di cui mi rendo disponibile sin d’ora.
Non posso, peraltro, sottacere che la Sua azione abbia contribuito a cagionare alla società un danno quantomeno a livello di immagine. Per tale motivo mi permetto di chiederLe in base a quale fonte Lei abbia desunto la ipotizzata irregolarità, anche al fine di eventualmente fare le debite valutazioni del caso.
Rimango in attesa di un Suo gentile quanto gradito riscontro.
Distinti saluti
Bonello Gianna“
 
Sechs Wochen vorher hatte Salto.bz am Sitz der Südtiroler Energiegesellschaft Alperia ein längeres Treffen mit CEO der „Alperia Greenpower“, Mario Trogni und mit Pierpaolo Zamunaro, Direktor der Abteilung General Service, Beschaffung und Logistik in der Alperia. Es war ein absolut freundliches und aufschlussreiches Recherchegespräch.
Dass Außenstehende umgehend über den Inhalt des Gesprächs informiert wurden, ist dabei durchaus beunruhigend. Es ist aber nur das letzte Glied in einer Reihe von Ungereimtheiten, die es bei dieser Auftragsvergabe der Alperia gegeben hat.
 

Der Auftrag

 
Das Unternehmen „B.M. Condotte GmbH“ wird am 1. Juni 2017 gegründet. Das Bauunternehmen mit einem Gesellschaftskapital von 10.000 Euro und Firmensitz in der Luis Zueggstraße 40 in Meran hat im Gesellschaftszweck ausdrücklich, „die Errichtung, Instandhaltung, Sanierung und Führung von öffentlichen und privaten hydroelektrischen Anlagen“ aufgenommen.
Dass dieser Verweis auf Arbeiten in öffentliche Kraftwerken kein Zufall ist, zeigt sich wenig später.
Die BM Conodotte wird am 7. Juni 2017 in die Handelskammer eingetragen. Fünf Tage später meldet das Bauunternehmen seinen Tätigkeitsbeginn. Am 1. September 2017 also keine zehn Wochen später vergibt die „Alperia Greenpower AG“, es ist die Alperia-Tochter, die fast alle Südtiroler Großkraftwerke führt, einen durchaus lukrativen Auftrag an das gerade gegründete Unternehmen.
Die BM Condotte wird mit heiklen bauliche Anpassungsarbeiten am Kraftwerk Kardaun beauftragt. Es geht um den Austausch der Absperrorgane auf den Druckrohrleitungen, den Abbruch und Wiederaufbau einer Stahlbetondecke sowie den Neubau von Auflagestrukturen für den Einbau eines neuen Portalkranes. Die Ausschreibungssumme 312.429,41 Euro zuzüglich Mehrwertsteuer.
Andreas Pöder hat in einer Landtagsanfrage bereits im April 2018 nach der Rechtsmäßigkeit dieser Vergabe nachgefragt. Die Antwort des zuständigen Landesrates Richard Theiner: Alles in Ordnung.
 
Diese Antwort bekommt auch salto.bz in der Aussprache bei Alperia. „Die Ausschreibung war korrekt und es gibt für uns keinerlei Anzeichen, dass bei diesem Unternehmen etwas nicht stimmt“, sagt Pierpaolo Zamunaro, oberste Verantwortlicher für die Ausschreibungen und Auftragsvergaben in der Alperia-Gruppe. Im Gegenteil: Das Unternehmen habe die Arbeiten zur Zufriedenheit des Auftraggebers ausgeführt.
Wie wackelig diese Sicht der Dinge ist, wird klar, wenn man etwas genauer hinschaut.
 

Die Firmeninhaberin

 
Gründerin, Alleinbesitzerin und Alleinverwalterin der BM Condotte ist auf dem Papier: Gianna Bonello.
Gianna Bonello ist 74 Jahre alt und in Marling wohnhaft. Von ihr stammt auch die E-Mail mit dem der Unterfertigte zum persönlichen Treffen eingeladen wurde. Die Rentnerin scheint nicht nur telematisch versiert, sondern auch mit der gehobenen Sprache der Anwaltszunft vertraut zu sein. Bonello verweist dabei in ihrem Schreiben auf die „unzweifelhafte Moral und Korrektheit sowohl meiner Person, wie auch meines Unternehmens“.
Ein Bild, dass sich schnell eintrübt.
Denn Gianna Bonello wohnt in Marling in einer Sozialwohnung des Wohnbauinstitutes. Die angebliche Inhaberin, Verwalterin und Geschäftsführerin der BM Condotte hat 2017 dem Wobi eine Steuererklärung mit einem Nettoeinkommen von 16.647 Euro vorgelegt. Das Wohnbauinstitut hat daraufhin für 2018 den sozialen Mietzins für ihre Wohnung unverändert gelassen: 262,48 Euro zahlt Bonello monatlich an Miete.
Eine 74jährige Rentnerin, die in einer Sozialwohnung des Wobi wohnt, ob ihres Einkommens den sozialen Mietzins zahlt und auf der anderen Seite Besitzerin eines Unternehmens mit 16 Angestellten und einem 300.000-Euro-Auftrag der Alperia ist?
 
Dass hier etwas nicht stimmen kann, dafür braucht es keinen Doktortitel. Von all dem scheint man aber bei Alperia nichts mitbekommen zu haben. „Wir haben keine Handhabe an den vorgelegten Dokumenten zu zweifeln“, hieß es noch vor Wochen beim Südtiroler Energiekoloss. 
Dabei ist längst klar, dass Gianna Bonello nur eine Art Strohfrau für die eigentlicher Besitzer der BM Condotte ist.
 

Der Schattenmann

 
 
Auch bei Alperia ahnt man seit langen, wer in Wirklichkeit hinter dem Unternehmen steht. Allein aus dem Firmennamen geht das hervor. B.M wie Burigo Michele.
Bis Andreas Pöder seine Anfrage öffentlich machte, fand man im Internet im bekannten Netzwerk Linkedin den Eintrag „Michele Burigo, imprenditore presso BM Condotte“. Inzwischen wurde der Eintrag aber gelöscht.
Eine 74jährige Rentnerin, die in einer Sozialwohnung des Wobi wohnt, ob ihres Einkommens den sozialen Mietzins zahlt und auf der anderen Seite Besitzerin eines Unternehmens mit 16 Angestellten und einem 300.000-Euro-Auftrag der Alperia ist?
Der 45jährige Geometer aus Belluno ist ein Mann, der seit vielen Jahren für Südtirols Energiegesellschaften arbeitet. Zuerst für die SEL AG und die SE Hydropower und inzwischen für die Alperia.
2002 kam Burigo beruflich nach Bozen. Er arbeitet für mehrere Firmen des Bozner Unternehmers Haymo Staffler.Michele hat über ein Jahrzehnt lang für mich gearbeitet, verlässlich und absolut korrekt“, sagt Staffler zu salto.bz. Schnell wurde aus dem Arbeitsverhältnis Freundschaft und auch eine Partnerschaft. So wurde Burigo schon bald bei mehreren Staffler-Firmen Teilhaber.
 
Verschiedene Unternehmen Stafflers arbeiteten jahrelang als Auftragnehmer zuerst für die SEL, die SE Hydropower und dann für den neuen Südtiroler Energiekoloss Alperia.
Eine dieser Firmen ist die „Gas und Wasser Anlagenbau GmbH“, für die Michele Burigo lange als gesetzlicher Vertreter und Geschäftsführer fungierte. Weil die Personen, die die Auftragsvergabe in den öffentlichen Energiegesellschaften leiten, auch mit Gründung der Alperia und ihre Töchter mehr oder weniger dieselben bleiben, kennt man sich seit Jahren. „Es hat nie irgendwelche Beanstandungen gegeben“, sagt dann auch Alperia-Greenpower-Chef Mario Trogni.
 

Burigos Probleme

 
Michele Burigo hat aber andere Probleme. 2015 beginnt er sich als Unternehmer in Albanien und Montenegro zu engagieren. Dort geht anscheinend Einiges schief. Der Unternehmer bekommt ernsthafte Probleme mit der Justiz.
So ist am Landesgericht Padua ein Verfahren gegen Michele Burigo wegen erschwerten Betruges anhängig. Zudem hat der stellvertretende Oberstaatsanwalt Markus Mayr im Juni 2017 die Einleitung des Hauptverfahrens gegen Burigo in einem anderem Fall beantragt. Das Verfahren läuft derzeit noch.
Als im Herbst 2015 Burigos Quoten an einer Staffler-Firma gepfändet werden, läuten auch bei Haymo Staffler die Alarmglocken. Auch weil es einige Unstimmigkeiten zwischen den Partner gibt.
 
Michele Burigo ist inzwischen für mindestens zwei weitere Unternehmen tätig, die in Südtirol gegründet wurden und auf dem Sektor der Stromproduktion, sowie der Bauarbeiten bei Kraftwerken tätig sind: Die „Nuova Serman Srl“ und die „Idroeolica Srl“. Beide Firmen bewerben sich auch um Aufträge bei Alperia. Burigo macht Staffler damit direkte Konkurrenz. Der Bozner Unternehmer und Ehemann der Landtagsabgeordneten Elena Artioli trennt sich umgehend von seinem langjährigen Partner. Inzwischen gibt es mehrere Anzeigen und Prozesse.
Tatsache ist, dass Michele Burigo damit ein ernsthaftes Problem hat. Der Unternehmer hat zwar neue Firmen und Unternehmen, mit denen er für seinen besten Auftraggeber Alperia arbeiten kann, es besteht aber die Gefahr, dass seine Quoten - wegen der anhängenden Gerichtsverfahren - gepfändet werden könnten. Damit aber wären auch die Aufträge für die öffentliche Gesellschaft Alperia futsch.
Deshalb dürfte man auf die Idee mit Gianna Bonello als Strohfrau gekommen sein. Damit soll die BM Condotte aus dem Abwärtsstrudel herausgehalten werden.
Dass diese Befürchtungen nicht unbegründet sind, wird jetzt klar. Nach einer Anzeige von Haymo Staffler hat das Landesgericht Bozen am 1. Juni 2018 die Anteile Burigos an mehreren Staffler-Firmen mit einem sogenannten „sequestro cautelativo“ gepfändet.
 

Die Verwaltungsrätin

 


Was diese Geschichte aber noch brisanter macht, ist Michele Burigos Partnerin im privaten, wie auch im geschäftlichen Leben.
Die Meraner Anwältin Roberta Sommavilla ist seit langem die Lebensgefährtin von Michele Burigo. Die meisten Unternehmen Burigos haben ihren Sitz im Büro von Sommavilla in der Luis Zueggstraße 40 in Meran.
Die Anwältin dürfte deshalb nicht nur alle Hintergründe kennen, sondern ist auch Teil eines interessanten Geschäftsmodell.
Am 28. April 2015 gründet Roberta Sommavilla die „Idroeolica srl“. Das Unternehmen hat seine Sitz an der Privatadresse der Anwältin in Dorf Tirol, wo auch Michele Burigo zeitweilig seinen offiziellen Wohnsitz hat. Verwalter des Unternehmens sind Sommavilla und Burigo gemeinsam. Die Firma hat kein großes Glück. Anfang Dezember 2016 wird die Liquidation eingeleitet und am 1. Februar 2017 wird das Unternehmen offiziell gelöscht.
Weit besser läuft es aber für ein anderes Unternehmen, mit dem das Duo Burigo/Sommavilla zu tun hat.
Am 21. September 2015 wird vor einem Bozner Notar die „Serman Energy GmbH“ gegründet. Das Unternehmen wird wenig später in „Nuova Serman Srl“ umbenannt und hat seinen Rechtssitz ebenfalls lange in Sommavillas Meraner Büro.
Offizieller Alleinbesitzer des Unternehmens mit einem Gesellschaftskapital von 100.000 Euro ist der Bellunser Unternehmer Pierluigi De Cesero. De Cesero war Bürgermeister der Gemeinde Longarone und saß als UDC-Abgeordneter im Landtag von Belluno. Als Verwalter des Unternehmens werden anfänglich Roberta Sommavilla und Michele Burigo eingesetzt. Mit 27. April 2016 übernimmt, dann Pierluigi De Cesero als Alleinverwalter das Unternehmen.
Auch die „Nuova Serman Srl“ legt einen fulminanten Start in der öffentlichen Südtiroler Energiewirtschaft hin. Unmittelbar nach der Gründung erhält das Unternehmen von der damaligen SE Hydropower sechs Aufträge im Wert von über einer halben Million Euro. Als die Alperia Greenpower entsteht werden die Aufträge verlängert. 2017 hat die Nuova Serman von der Alperia Aufträge im Wert von 760.539,18 Euro. 2018 kamen zwei weitere Aufträge (einer von Alperia Vipower) im Wert von 200.000 Euro hinzu.
Auch die BM Condotte hat in Sommavillas Büro seinen Sitz und Telefonanschluss.
Sommavilla betreut dieses Unternehmen auch als Anwältin. Mit interessanten Erfolgsaussichten.
 
Denn 2016 macht Roberta Sommavilla einen gesellschaftlichen Qualitätssprung.
In diesem Jahr eskaliert der Streit zwischen dem Land und der Athesia um die „Brennercom AG“. Am Ende einigt man sich. Teil der Einigung ist die Übergabe des gesamten Glasfasernetzes der Brennercom an eine neue Landesgesellschaft: Die Infranet AG.
Das Unternehmen ist der öffentliche Betreiber von Telekommunikationsinfrastrukturen mit dem Auftrag zur Planung, Bereitstellung und Wartung von unternehmenseigenen und öffentlichen Zugangs- und Transportnetzen (Glasfaser und Kupfer). Die Infranet AG gehört zu 83 Prozent dem Land Südtirol. Weitere Teilhaber sind die Stadtwerke Brixen, die Brennerautobahn AG und die Selfin GmbH.
Am 31. Dezember 2016 wird der Verwaltungsrat der Infranet AG ernannt. Das Land entsendet dabei zwei Vertreter in den fünfköpfigen Verwaltungsrat. Den ehemaligen Wirtschaftsringpräsidenten Philipp Moser und Roberta Sommavilla.
Niemand will sich heute mehr daran erinnern, wer Roberta Sommavilla für dieses Amt vorgeschlagen hat. Fragt man zuständige Mitglieder der Landesregierung kommt als Antwort, dieselbe Frage: „Kenne ich nicht. Wer ist das?“.
Tatsache ist, dass die Infranet AG in den nächsten Jahren in Sachen Glasfaser das Land umgraben soll. Damit dürfte Roberta Sommavilla am richtigen Platz sitzen.
Denn als die BM Condotte am 12. Juni 2017 in der Bozner Handelskammer ihren Tätigkeitsbeginn meldet, gibt das Unternehmen als vorwiegende Tätigkeit an: „Costruzione opere pubbliche per energia e telecomunicazioni“.
Telekommunikation?
Auch vor diesem Hintergrund ist die Marlinger Rentnerin perfekt.