Heiner Schweigkofler: "Solche Blogs les ich nicht"

Bei Rettungseinsätzen im Mittelmeer hat die italienische Küstenwache in den letzten 48 Stunden erneut 2500 Bootsflüchtlinge retten können. Nicht alle erreichen das Festland, und während das Boot mit dem Sohn einer äthiopischen Frau, die in Bozen lebt, gerettet werden konnte, haben es die 60 Insassen eines von Lybien aus gestarteten Kutters nicht geschafft und sind auf hoher See ertrunken. 72.000 Menschen haben seit Jahresbeginn italienischen Boden betreten, insgesamt rechnet Italien bis Jahresende mit 100.000 Flüchtlingen. Vor allem im Sommer, eine ruhige Zeit am Meer, wagen viele die gefährliche Überfahrt.
Menschliche Randnotizen
Nachrichten über Rettungseinsätze auf hoher See erreichen uns inzwischen mehrmals täglich, doch wird die Tragik der Geschehnisse häufig durch nüchterne Zahlen ausgeblendet und verkommt zur medialen Randnotiz. Allzu oft werden die Flüchtlinge in erster Linie als Problem gesehen und nicht als Menschen, kritisieren die beiden Caritas-Direktoren Heiner Schweigkofler und Paolo Valente. Wie Figuren auf dem Schachbrett werden sie hin- und hergeschoben, niemand will sie haben und am besten sollten sie doch alle so schnell verschwinden wie sie aufgetaucht sind. Die dramatischen Ereignisse auf dem Mittelmeer fördern in der Bevölkerung Ängste zu Tage, denen häufig auf erschreckende Art und Weise Luft gemacht wird.
Da werden zum Beispiel auf der Facebook-Seite der Freiheitlichen Südtirols in einem User-Kommentar "Erschissungskommandos" [sic!] als gute Alternative zur Bekämpfung illegaler Einwanderung angesehen. Einem User "gefällt" diese Idee sogar.
Augen zu vor Fremdenfreindlichkeit?
"Solche Blogs lese ich allgemein schon gar nicht mehr, sie zeugen vom Verfall unserer Sprachkultur", sagt Heiner Schweigkofler. Für die Ängste der Bevölkerung zeigt er jedoch durchaus Verständnis, "durchleben wird doch im Moment selbst eine Zeit der Krise, in der sich viele Menschen am Rand der Armut bewegen und um ihre Existenz bangen. Alles Fremde wird in dieser Situation schnell als Bedrohung empfunden." Doch brauche es "menschenrechtskonforme Lösungen", zu denen alle ihren Beitrag leisten müssen: der Staat, Europa, und auch Südtirol. Und neben den Institutionen seien auch die Zivilgesellschaft, die kirchliche Gemeinschaft aber auch jeder Einzelne gefordert, um das Schicksal der Flüchtlinge nicht dem Zufall zu überlassen.
Von der vor zwei Tagen stattgefundenen Rettung eines Bootes vor der lybischen Küste, die mit Hilfe aus Südtirol eingeleitet worden war, hat Schweigkofler gehört. Er kenne die Frau und habe auch mit ihr gesprochen. Der Vorfall habe ihn „sehr berührt“, sei ihm „sehr nahe gegangen“.
Wer flieht freiwillig?
Kinder, Frauen und Männer werden zu Flüchtlingen - unfreiwillig. "Sie fliehen vor Dürre und Hunger, vor Krieg und Tod", so Leonhard Voltmer, Leiter der Caritas Flüchtlingsberatung. "Hier hoffen sie auf ein neues, sicheres Leben, das sie in ihrer Heimat nicht mehr haben können. Diese Chance sollten wir ihnen geben."
Respekt den HelferInnen
Das sieht auch Heiner Schweigkofler so: "Die soziale und gesundheitliche Ausgrenzung der Flüchtlinge ist menschenverachtend. Das kann einfach nicht sein, schon aufgrund unserer europäischen Geschichte sind wir dazu verpflichtet, allen Menschen gewisse Grundrechte zu garantieren und unabhängig von ihrer Herkunft oder Aufenthaltsstatus Hilfe zu leisten." Damit spricht Schweigkofler auch die Polemiken an, die es seit Kurzem rund um das STP-Ambulatorium in Bozen gibt: "Die Ärzte dort machen ihre Pflicht, sie kommen ihrem ärztlichen Eid nach und sichern vielen Menschen eine Grundversorgung, die sie sich andernfalls nie leisten könnten. Ich finde das großartig und richtig, dass dafür auch öffentliche Gelder zur Verfügung gestellt werden."
Neben der Sicherung der medizinischen Grundversorgung im Land, ist der Caritas die Hilfe vor Ort wichtig.„Wir setzen für die Auslandsarbeit 20 Mal mehr Mittel ein als für die Flüchtlingsarbeit“, betonen die beiden Caritas-Direktoren. "Wer im eigenen Land genug zu essen, Zugang zu Bildung hat und seine Familie selbst versorgen kann, der wird es kaum verlassen. Vorausgesetzt natürlich, er kann in Frieden und Freiheit leben. Denn das ist ein menschliches Grundrecht: hier wie auch dort", so Schweigkofler und Valente.
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