Kultur | BIENNALE

Freespace

Notizen zur 15. Architekturausstellung der Biennale von Venedig
Hinweis: Dies ist ein Partner-Artikel und spiegelt nicht notwendigerweise die Meinung der SALTO-Redaktion wider.
another generosity, Nordic pavilion
Foto: Veronika Mayr

Text: Veronika Mayr

In Zusammenarbeit mit der Architekturstiftung Südtirol / in collaborazione con la Fondazione Architettura Alto Adige.

 

Nebel ist keine Seltenheit wenn man im Spätherbst noch nach Venedig fährt, um sich die Architekturbiennale anzusehn. Dann sind die Gassen meistens etwas leerer, das Licht angenehm weich und die Steinböden abends feucht.
Die Klimaveränderung macht auch vor Venedig nicht halt und hat heuer zu einem neuen Rekord des Wasserpegels gesorgt. Es ist ein bedrohliches und doch faszinierendes Spektakel, wenn die Acqua Alta die Inselstadt heimsucht.

Europas bekannteste Architekturausstellung

 

 

Allein dafür lohnt es sich auch heuer, Europas bekannteste Architekturausstellung anzusehn, 'Freespace', wie sie die irischen Kuratorinnen Yvonne Farrell & Shelley McNamara diesmal benannt haben.

 

 

'Freespace' zeigt viele lebensgroße Modelle, Raumfragmente sowie traditionelle Projektdokumentationen. So findet man im deutschen Pavilion mit 'Unbuilding Walls' Interventionen an der Berliner Mauer nach 1989 und Griechenland präsentiert einen ansprechenden Modell-Katalog bedeutender Entwürfe für Bildungseinrichtungen unterschiedlichster Epochen. Im Japanischen Pavilion sind hochdetaillierte Zeichnungen von 42 Projekte zu sehn und Peter Zumthor bespielt das gesamte Zwischengeschoss des Zentralen Pavilions in den Giardini mit seinen faszinierenden Modellen. Die heuer preisgekrönten Kuratoren des Schweizer Pavilions spielen effektvoll mit unserer Wahrnehmung, in dem sie den Maßstab eines fiktiven Wohnraums manipulieren.

 

 

Auch zwei Südtiroler Büros sind vertreten: Walter Angonese stellt im Arsenale Projekte aus, die er zusammen mit ehemaligen Studenten erarbeitet hat und MoDus Architects präsentieren im Padiglione Italia ein spannendes Szenario für das erdbebengeschädigte Camerino.

 

Mensch und Natur

Ein immer wiederkehrendes Thema von 'Freespace' ist die sich wandelnde Beziehung zwischen Mensch und Natur. So versteht zum Beispiel der Polnische Pavilion Architektur als 'Erweiterung der Natur', und zeigt Projektbeispiele aus Polens Nachkriegszeit, in der mit einem neuen Umgang mit der Umwelt, als auch nach alternative soziale Modelle gesucht wurde.

 

 

Der Nordische Pavilion sucht mit 'atmenden' pneumatischen Blasen nach einer Architektur, die in Symbiose mit der Umwelt lebt; die Strukturen reagieren ähnlich wie der Mensch auf Veränderungen im Außenklima und stehen für eine Zukunft, in der die Grenzen zwischen Kultur und Natur verschwimmen.

 

 

Politik durch Architektur

Caruso St. John und der Künstler Marcus Taylor machen mit 'Island' Konzeptkunst aus dem Britischen Pavilion und schicken die Besucher auf das Dach des leeren Pavilions, um ihnen die Psyche der Brexit-Gesellschaft nahezubringen. Wer an der Ausführung Zweifel hat, wird trotz allem mit einem ungewohnten Ausblick auf die Lagune belohnt.

 

 

Kritik am Massentourismus übt die Künstlerin Kateřina Šedá mit dem gelungenen Projekt 'UNES-CO' für den tschechisch-slowakischen Pavilion. UNES-CO ist ein fiktives Unternehmen, das dafür sorgt 'Normales Leben' zurück in die Innenstadt von Český Krumlov zu bringen. Die Kuratorin kritisiert die Verdrängung des Alltagslebens aus den Innenstädten durch deren Musealisierung und hat mit dem Budget der Ausstellung Menschen aller Altersklassen dafür bezahlt, drei Monate im Zentrum von Český Krumlov zu wohnen und 'normalen Aktivitäten' nachzugehn.

 

 

Stille

An den vielleicht besten Momenten dieser Biennale ist es still.

So wie in einer ehemaligen Kirche in der via Garibaldi, die heuer von Estland bespielt wurde. Mit der Ausstellung 'Weak Monument' hinterfragen die Kuratoren die Rolle von Monumentalität in der zeitgenössischen Architektur, konfrontieren das 1:1 Mock-up einer schlichten Straßenszene mit dem Barocken Interieur und schaffen einen überraschend poetischen Ort des Verweilens.

 

 

Abseits vom Trubel befindet sich auch die erste Ausstellung des Vatikans. Auf der Insel San Giorgio haben sich unter der kuratorischen Leitung von Francesco Dal Co Architekten aus aller Welt mit der Typologie der Kapelle beschäftigt – so präsentiert Souto de Moura ein archaisches Steinensemble, der Chilene Smiljan Radic einen texturreichen Betonpavilion.

 

 

Vielleicht sind es gerade diese Momente der Besinnung, die wir heute am nötigsten brauchen.

 

 

Die Biennale von Venedig läuft noch bis 25. November 2018 und ist Dienstag bis Sonntag von 10-18 Uhr geöffnet.