Die beiden Überraschungskandidaten
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„Es hätte Südtirol gutgetan“, sagt ein traditioneller Apfelbauer. Gemeint ist die um wenige Stimmen knapp verpasste Wahl von Andreas Gschleier (Biosüdtirol) an die Doppelspitze des Verbands der Südtiroler Obstgenossenschaften (VOG) Ende November. Damit hatte sich zum ersten Mal ein Biobauer für das Amt des Vizeobmanns beworben. Bekanntlich wurden anschließend Harald Weis (Roen) zum Obmann und Klaus Weissenegger (Grufrut group) zu seinem Vize gewählt. Dass Weissenegger dabei auch mit Weis verschwägert ist, passt ins Bild – doch der Reihe nach.
„Damit wäre ausgerechnet jener an die Spitze gewählt worden, der vom Südtiroler Genossenschaftswesen nicht viel hält.“
Denn die VOG-Wahl war nicht die einzige, bei der es einen überraschenden Gegenkandidaten gab: Bei der Pomus-Wahl im Burggrafenamt zwei Tage vor dem Wahltermin der VOG trat gegen den langjährigen Obmann Johannes Runggaldier der Bauer und Obsthändler Elmar Zuech an. Er ist nicht nur Pink-Lady-Bauer in Lana, sondern leitet seit dem Jahr 2005 auch die Makon Fruechte GmbH in München. Gemeinsam mit Mike Gatscher wollte er die neue Doppelspitze an der größten Obstgenossenschaft Südtirols mit rund 800 Mitgliedern bilden. Doch wie aus Kreisen der Genossenschaft zu erfahren ist, erhielt Zuech gerade einmal ein Viertel der Stimmen. Runggaldier und sein Vize Manuel Santer konnten bestätigt werden.
Denn wie ein Obsthändler die Interessen der Bäuerinnen und Bauern vertreten und für einen fairen Auszahlungspreis sorgen soll, war vielen dann doch recht unklar. Wegen dreckiger Apfelkisten und verkürzter Anlieferungszeiten konnten Zuech und Gatscher trotzdem einige unzufriedene Mitglieder für sich gewinnen. „Damit wäre ausgerechnet jener an die Spitze gewählt worden, der vom Südtiroler Genossenschaftswesen nicht viel hält“, sagt ein Mitglied erleichtert. Zuech ist allerdings nicht der einzige Bauernrebell, denn auch in der Landwirtschaft wächst seit Jahren der Frust.
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Obstgenossenschaften unter Druck
Auf der einen Seite haben Gesellschaft und Politik in Sachen Natur- und Klimaschutz hohe Erwartungen, auf der anderen Seite kommen durch Trockenzeiten, Starkregen und neuen Schädlingen schwierige Zeiten auf die Landwirtschaft zu. Als Georg Gallmetzer und Günther Ambach mit ihrer Arbeitsgruppe Zukunft Landwirtschaft im Februar letzten Jahres zum Protest aufriefen, versammelten sich wohl auch deshalb Hunderte Bauern vor dem Südtiroler Landtag.
Auslöser war die reduzierte Steuervergünstigung beim sogenannten Agrardiesel unter der ehemaligen Regierung in Deutschland. Auf die Frage, wieso auch Südtiroler Landwirte Grund zur Sorge haben, erklärte Gallmetzer gegenüber SALTO, dass vor allem Verbände wie Bauernbund und Beratungsring von öffentlichen Beiträgen profitieren und nicht der Bauer selbst. Damit trifft Gallmetzer einen empfindlichen Nerv, wie auch die Bauernproteste aktuell in Brüssel gegen das geplante Mercosur-Handelsabkommen der EU zeigen.
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Für Politik und Funktionäre wird es so immer schwieriger, sich zu behaupten. Als die Zukunft Landwirtschaft letztes Jahr zum Protest aufrief, hielt es sogar der frisch gewählte Landwirtschaftslandesrat Luis Walcher (SVP) für angebracht, vor das Rednerpult zu treten. Und bei der Pomus-Wahl Ende November bestand das Führungsgremium darauf, dass die Rechtsabteilung des Raiffeisenverbands anwesend war, um beim Ablauf der Wahl zu unterstützen.
„Manche inszenieren sich in Südtirol gerne als Kämpfer für uns Landwirte, dabei geht es ihnen wohl eher um Eigeninteressen“, meint ein Bauer aus dem Unterland. Denn in dem stark umkämpften Lebensmittelmarkt zählt jeder Cent und die Spielregeln auf Südtirols Apfelwiesen werden von den Genossenschaften streng gehütet. Etwa sind die Mitglieder in der Regel verpflichtet, ihre gesamte Ernte der Genossenschaft zu liefern und für Clubsorten einen Aufpreis zu zahlen.
„Manche inszenieren sich in Südtirol gerne als Kämpfer für uns Landwirte, dabei geht es ihnen wohl eher um Eigeninteressen.“
Um Obstbäume lukrativer Clubsorten wie die Pink Lady möglichst gerecht zu verteilen, haben VOG und VIP vor einigen Jahren außerdem einen Verteilungsschlüssel eingeführt. Wer neue Bäume für seinen Betrieb braucht, muss einen Mindestbedarf anmelden und einen entsprechenden Antrag einreichen. Die Verbände verteilen die Bäume der Clubsorten pro Jahr nach einem Verteilungsschlüssel, der sich nur nach der angefragten Menge pro Landwirt richtet und nicht nach der Größe seines Betriebs.
Mit diesem Schritt schränken die Genossenschaftsverbände den Spielraum der einflussreichen Baumschulen ein wenig ein, unter anderem auch Star Export / Star Fruits. Für die französische Pink-Lady-Baumschule arbeitet der Sprecher von Zukunft Landwirtschaft, Georg Gallmetzer. Als Kritiker der Verbände und des bürokratischen Apparates schafft er es offenbar immer wieder, Bauern zu mobilisieren.
Gleichzeitig kämpfen Biobauern wie Andreas Gschleier, Obmann von Biosüdtirol, um eine ökologischere Landwirtschaft und haben mittlerweile eine ernstzunehmende Wählerschaft unter den Bauern hinter sich, wie die vergangene VOG-Wahl zeigt. Doch angesichts der angespannten Lage bleibt Funktionären wie Weis oder Runggaldier derzeit nur, den Betrieb am Laufen zu halten.
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