Politik | Zwist im PD

Gegenwind für Matteo Renzi

Kurz vor der Wahl des Staatspräsidenten eskaliert der Konflikt im Partito Democratico.

Zehn Tage vor der Wahl bringt die Minderheit im Partito Democratico Premier Matteo Renzi mit einem Ultimatum in Bedrängnis: entweder das umstrittene Wahlrecht wird abgeändert oder rund 30 Senatoren der Partei stimmen gegen die von ihnen verpönte Direktwahl der Listenführer in allen Wahlkreisen. Renzi will sich "nicht erpressen lassen" und  warnt die internen Widersacher vor der Bildung einer "Partei in der Partei." Der verärgerte Regierungschef hat den Dissidenten 24 Stunden Bedenkzeit eingeräumt. Die aber beharren auf ihrem Standpunkt und lehnen jeden Kompromiß ab. Am Dienstagnachmittag verließen sie das Treffen der Senatoren mit Renzi vor der Abstimmung.

Verschärft wird der innerparteiliche Konflikt durch den Austritt von Sergio Cofferati, der dem Partito Democratico nach seiner Niederlage bei den umstrittenen Vorwahlen in Ligurien den Rücken gekehrt hat. Umgehend hat Nichi Vendola dem Meister der politischen Drehtüren die Spitzenkandidatur bei den bevorstehenden Regionalwahlen in Apulien angeboten. Die Tatsache, daß der PD in jüngsten Umfragen auf 34,8 Prozent gesunken ist, erschwert Renzis wenig beneidenswerte Lage. Das Wahlrecht wird im Senat von 60.000 (!)Abänderungsanträgen blockiert und soll nach Renzis Willen in wenigen Tagen durchgeboxt werden. Auch die Fünfsterne-Bewegung und eine Minderheit von Berlusconis Forza Italia will die liste bloccate kippen, die es den Bürgern nicht ermöglichen, für einen Kandidaten ihrer Wahl zu stimmen.

Die bevorstehende Wahl des Staatspräsidenten bringt Bewegung in die  festgefahrenen Fronten. Erstmals seit der Spaltung des Rechtsbündnisses trafen sich am Montag Silvio Berlusconi und Angelino Alfano, um sich auf einen gemeinsamen Kandidaten für das höchste Staatsamt zu einigen. Gemeinsamer Nenner: es darf kein Linker sein. Die Wahl könnte auf  Pier Ferdinando Casini oder Giuliano Amato fallen.
Schließt das Rechtsbündnis die Reihen, könnte es Renzis Plan durchkreuzen, den neuen Staatspräsidenten bereits im vierten Wahlgang zu küren.
Um dem Premier einen Denkzettel zu verpassen, könnten einige seiner Widersacher durchaus für Amato stimmen.
Indessen vergeht kaum ein Tag, ohne daß weitere Kandidaten für den Quirinalspalast ins Spiel gebracht werden. Die Liste wird täglich länger: Walter Veltroni, Piero Fassino, Sergio Mattarella, Giuliano Amato, Piero Grasso, Ignazio Visco, Anna Finocchiaro, Pier Carlo Padoan, Pier Ferdinando Casini, Franco Bassanini... 

Den offiziellen Kandidaten des Partito Democratico will Renzi erst kurz vor dem entscheidenden vierten Wahlgang nennen, um zu verhindern, daß er bereits vorher verheizt wird. Mit der Zahl der Kandidaten wächst auch jene der Konflikte und Rivalitäten in den Parteien und zwischen den politischen Fronten. Ein Rätsel bleibt vor allem die Haltung der Fünfsterne-Bewegung, die sich bisher in Schweigen hüllt. Die linke Tageszeitung Il fatto quotidiano hat ihre Leser in einer Umfrage über den bevorzugten Nachfolger von Giorgio Napolitano abstimmen lassen. Dabei lag Stefano Rodotá mit 17.367 Stimmen deutlich vor dem ehemaligen Richter Ferdinando Imposimato, dem Juristen Gustavo Zagrebelski und Romano Prodi. Die Neigung für einen 82-jährigen, der keine reellen Chancen hat, bestätigt einmal mehr die Vorliebe  der Italiener für die Tradition der Gerontokratie.