Chronik | Doping

„Occhio, das ist eine Straftat“

Die Staatsanwaltschaft Bozen will Anklage gegen Gottlieb und Daniel Taschler erheben. Gottlieb Taschler hofft noch davonzukommen. Doch das wird schwierig werden.

Ein guter Strafverteidiger setzt vor allem auf Schadensbegrenzung.
Flavio Moccia ist ein guter Strafverteidiger. Der Anwalt von Gottlieb und Daniel Taschler wird am Donnerstag dieser Woche bei Staatsanwalt Giancarlo Bramante vorsprechen. Moccias Ansinnen: Er will erreichen, dass der Name von Gottlieb Taschler nicht ins Ermittlungsregister eingetragen wird.
Die Vorsprache hat einen konkreten Hintergrund. Gottlieb Taschler ist nicht nur eine Südtiroler Biathlonlegende, die bis vor kurzem Vizepräsident der Internationalen Biathlon Union (IBU) war (Taschler hat diese Funktion nach Bekanntwerden der Doping-Vorwürfe vor einigen Wochen selbst ruhen lassen), sondern er ist auch der Organisationschef des Antholzer Biathlon-Weltcup-Spektakels, das diese Woche von Donnerstag bis Sonntag über die Bühne geht. Es ist Südtirols größtes Sportfest mit einem überwältigenden Erfolg. 60.000 Zuschauer werden an der Strecke erwartet und Millionen schauen am Fernseher zu.
Es wäre der Supergau, wenn ausgerechnet jetzt herauskäme, dass gegen den Organisationschef Gottlieb Taschler und dessen Sohn Daniel Taschler wegen Dopings und Sportbetrug ermittelt wird.

Geänderte Taktik

Dabei hatte das vor sechs Wochen noch ganz anders geklungen. Fast drei Jahre lang war der Ermittlungsbericht der Staatsanwalt Padua unter Verschluss gehalten worden. Die Staatsanwaltschaft Bozen und die Carabinierisondereinheit ROS hatten längst die Übermittlung der Akten, die Südtiroler Athleten betreffen, nach Bozen angeordnet. Ende November werden die Akten dann auch nach Bozen geschickt. Gleichzeitig leitet die Staatsanwaltschaft Padua den Ermittlungsbericht aber auch den italienischen Coni weiter.
Wenig später landen die Abhörprotokolle zum Fall Taschler dann bei der „Gazzetta dello Sport“. Am 10. Dezember 2014 veröffentlicht die Sportzeitung Auszüge aus den Abhörprotokollen. Noch am selben Tag zieht salto.bz nach. Die Vorwürfe gegen Gottlieb und Daniel Taschler werden in Windeseile zu einer internationalen Nachricht.
Das ist Rufmord. Denn diese abgedruckten Telefongespräche hat es nie gegeben“, reagierte Gottlieb Taschler auf die Nachricht. Der Südtiroler Biathlon-Papst nimmt sich umgehend den Strafverteidiger Flavio Moccia. Moccia erklärt wenig später: „Weder gegen Daniel noch gegen Gottlieb Taschler wird ermittelt“.
Gottlieb Taschler hat von Anfang an eine einfache Erklärung für die Kontakte seines Sohnes zum gesperrten Dopingarzt Michele Ferrari: „Es ging um ein medizinisches Problem und nicht um Doping“.

Das Treffen

Inzwischen haben Taschler und sein Verteidiger den Ermittlungsbericht eingesehen. Längst ist klar, dass die Beweise eindeutig sind und sich diese Verteidigungslinie nicht halten lässt.
Vor allem gegen Daniel Taschler sind die Beweise erdrückend. Die Ermittler gehen davon aus, dass es nicht den geringsten Zweifel gibt, dass sich der junge Südtiroler Biathlet unter Anleitung von Michele Ferrari mit EPO gedopt hat.
Der Hauptbeweis ist ein Treffen zwischen Daniel Taschler und Michele Ferrari am Nachmittag des 17. Oktober 2010 bei der Autobahnausfahrt Ferrara Nord. Ferrari, gegen den damals längst wegen Doping ermittelt wird und der zu diesem Zeitpunkt auch schon verurteilt worden war, hat einen Camper, der dem Arzt für seine illegalen Methoden als Behandlungsraum dient. Auch Alex Schwazer hat sich mit Ferrari in diesem Camper getroffen.
Die Ermittler haben Ferraris Camper aber verwanzt. So schneiden sie das rund halbstündige Treffen zwischen Daniel Taschler und Michele Ferrari Wort für Wort mit. Aus den Ermittlungsunterlagen geht eindeutig hervor, dass es beim Gespräch und beim Treffen um Doping geht und nicht um andere medizinische Probleme.
Michele Ferrari gibt die Strategie für die weiteren Kontakte vor:

„Diesmal aber treffen wir uns in Ferrara Süd. Ich gebe dir auch noch eine andere Telefonnummer, die du aber nicht über dein Telefon anrufen darfst. Du musst ein anderes Telefon verwenden, das nicht registriert ist und das du nur für diese Gespräche benutzt. Du besorgst dir ein anderes Telefon über eine dritte Person, die nicht du und auch nicht Gottlieb ist, und die ein Telefon und eine Sim-Karte kauft. Du darfst diese Simkarte aber auch nicht in deinem Telefon benutzen, denn sonst kann man das zu dir zurückverfolgen. Also, ich gebe dir jetzt meine andere Nummer, es ist eine Schweizer Rufnummer, die du aber nur für diese Sache gebrauchst. Es ist auf jeden Fall besser, wenn du überhaupt nicht anrufst.....“

Bereits bei einem vorangegangenen Treffen hat Michele Ferrari dem jungen Sportler geraten, das Epo in Österreich zu erwerben. Als Daniel Taschler dieses Mal bejaht, dass er das EPO habe, zeigt ihm Ferrari eine Packung „Erythropoetin 2000 IE“ und erklärt ihm genau, wie er das EPO spritzen soll.

Versteck Holzlege

Eigentlich sind die bisher veröffentlichen Ausschnitte des Gesprächs bereits eindeutig. Es gibt aber ein weiteres noch nicht bekanntes Detail, das die Verteidigung im Fall Daniel Taschler in ein Kartenhaus verwandelt.
Michele Ferrari weist Daniel Taschler auch auf die Gefahr hin, das Epo zu Hause aufzubewahren. Auszug aus dem Gespräch:

Michele Ferrari: „Occhio hey, Du weißt, dass das ….. besser nicht im Haus zu behalten ist. Es ist eine Straftat. Hast du nicht einen anderen Platz?.....Jetzt wird es draußen ja schön frisch, deshalb kannst du....wichtig ist aber, dass es nicht gefriert. Ich weiß nicht, verstecke es unter der Erde oder unter Blättern. Aufgepasst, lass es nicht im Haus. Habt ihr nicht einen anderen Platz, wo....

Daniel Taschler: Nein, ich behalte es im Haus, dass macht nichts...

Ferrari: Gibt es nicht einen Platz, der nicht der Eischrank ist und wo die Temperatur zwischen Null und zehn Grad ist....

Taschler: Nein, ich behalte es im Haus und gut...

Ferrari: Jetzt, wo es kalt ist.....wichtig ist, dass es nicht gefriert, dass es nicht auf zehn Grad unter Null geht, dann passt es nicht...Aber wenn es zwischen null und zehn Grad bleibt, dann geht es gut. Das Beste wäre unter Blättern, ich weiß nicht, ob du einen Keller oder eine Holzlege hast...wenn du eine Holzlege (legnaia) hast, geht es auch gut, dann kannst du es dort lassen.“

Treffen in Antholz

Weil auch Flavio Moccia längst klar ist, dass Daniel Taschler kaum mehr aus dieser Sache herauskommt, legt der Anwalt das Hauptaugenmerk seiner Verteidigung auf Gottlieb Taschler. „Er hat den Kontakt mit Ferrari hergestellt, den er aus seiner früheren Zeit als Athlet kannte. In den Telefonaten gibt es keinen Hinweis auf Doping. Was danach auch immer passiert ist, damit hat Gottlieb Taschler nichts zu tun“, sagt Flavio Moccia am Dienstag der Neuen Südtiroler Tageszeitung.

In den Telefonaten zwischen Gottlieb Taschler und Michele Ferrari gibt es keinen Hinweis auf Doping.
 

So einfach dürfte es aber nicht sein. Es stimmt zwar, dass in den abgehörten Telefongesprächen zwischen Gottlieb Taschler und Michele Ferrari nie von Doping die Rede ist, dennoch ist die Rolle des Vaters alles andere als nur marginal.
Die Ermittler zeichnen nach, dass es keinerlei direkte Telefongespräche zwischen Daniel Taschler und Michele Ferrari gab. Die Kontakte liefen immer nur über den Vater.
Begonnen hat das ganze bereits vor dem Sommer 2010. Am 20. Juli 2010 hören die Ermittler das erste Telefongespräch zwischen Gottlieb Taschler und Michele Ferrari ab. Es ist Taschler, der Ferrari anruft. Nachdem der Arzt sich nach dem Gesundheitszustand des Sohnes erkundigt hat, fragt Taschler, ob der Termin am 22. Juli in Ordnung gehe. An diesem Tag kommt Michele Ferrari nach Antholz. Gottlieb Taschler holt den Arzt dann am 22. Juli mit einem Lieferwagen am Dorfeingang von Antholz Mittertal ab. Am 14. August 2010 wiederholt sich genau dasselbe Schauspiel. Einen Tag vorher ruft Gottlieb Taschler Michele Ferrari wieder an und man einigt sich auf den denselben Treffpunkt, „wie das letzte Mal“.
Am 25. September 2010 fragt Gottlieb Taschler telefonisch bei Michele Ferrari nach, wann man sich treffen könne. Beide machen ein Treffen am 1. Oktober aus. Treffpunkt: Autobahnausfahrt Ferrara Nord. Am 29. September meldet sich Ferrari bei Gottlieb Taschler, um das Treffen einen Tag vorzuverlegen.
Als Daniel Taschler sich am 17. Oktober 2010 in Ferrara Nord mit Michele Ferrari trifft, registrieren die Ermittler die Aus- und Einfahrt eines BMW, der auf Gottfried Taschler zugelassen ist.
Gottlieb Taschler und Flavio Moccia werden demnach dem Staatsanwalt überzeugen müssen, dass der Vater vom eigenen Sohn hintergangen wurde und Gottlieb Taschler vom Doping nichts mitbekommen hat.