Kunst | Fotografie

Hammer, Sichel und Sombrero

„Lo sguardo di Tina. Il Messico degli anni Venti nella fotografia di Tina Modotti“ zeigt eine Auswahl von rund 60 Fotografien, die ein Mexiko in Aufbruchsstimmung zeigen.
Lo Sguardo di Tina
Foto: Davide Stani
  • Im neuesten Streich von lasecondaluna und CEDOCS, dem mit Unterstützung der Provinz ausgerichteten Länderschwerpunktsfestival „Quo Vadis“, wurde gestern Abend im Bozner Centro Trevi das erste Kapitel aufgeschlagen. Dieses führt uns - wie die heute Abend in den Ausstellungsräumen in der Leiferer Weissensteiner Straße zu Muralismus - ins Mexiko der 20er Jahre, post-revolutionär mit einer Million Toten frisch im Gedächtnis, aber noch nicht post-hoffnungsvoll oder postkommunistisch. Die soziale Frage und „die gemeinsame Sache“ gilt es voranzutreiben, also heißt es Ärmel hochkrempeln und mit dem Bau einer besseren Zukunft im Kleinen zu beginnen.

  • Lo sguardo di Tina: Die ersten Bilder als Fotokünstlerin von Tina Modotti lassen noch klar Bezüge zu anderen Kunstformen erkennen. Auch die Fotografie als solche „emanzipiert“ sich erst allmählich als selbstbestimmte Kunstform. Foto: Davide Stani

    Dieses starke Bild einer Nation, die sich erhebt und nach vorne strebt - im Mittelpunkt immer das Individuum, häufig die Frau - kristallisiert sich bei der erst allmählich eine gewisse Schüchternheit hinter der Kamera ablegenden Tina Modotti (1896 in Udine geboren, 1942 in Mexiko-Stadt verstorben) erst allmählich vollends aus. Die Fotografin entdeckt zeitgleich immer neue Aspekte der Fotografie und der für sie zu diesem Zeitpunkt neuen Umgebung. Übersiedelt war Modotti 1923 nach Mexiko und blieb bis 1929, wo auch die gegenwärtige Bildschau beginnt, gemeinsam mit ihrem damaligen (noch bis 1926) Geliebten und augenscheinlich wohl anfänglichem Mentor Edward Weston, dessen „Lieblingsmodel“ sie war.

  • Mit einer einzelnen Aufnahme Westons, die Modotti 1924 zeigt, eröffnet die Ausstellung links vom Eingang in einem Winkel, der für den Parcours der Ausstellung eine Sackgasse ist, aus der Perspektive des Mannes. Für den Rest der Ausstellung folgen wir den Blicken Modottis, die zusehends von Experimenten zu Form, Struktur und Licht um das Sujet - wie in einigen der vertretenen Blumenbildern - zu sozialen Portraits der Menschen übergehen. Aufschlussreich sind dabei auch einige der Notizen aus Tagebüchern und Briefen, die sich zwischen den Bildern einfinden, wie diese von Modotti an Weston: „(…) die meisten (Bilder) sind leider so wie die, die ich schicke, ungenau und unscharf, ich musste sie alle schnell aufnehmen, denn sobald mich die Frauen mit dem Fotoapparat sahen, gingen sie automatisch schneller; und sie gehen von Natur aus schnell.“ Recht gut beschreibt dies die Spontanität und zumindest gefühlte Authentizität dieser Bilder, die nur dann gestellt sind, wenn Hammer und Sichel im perfektem Winkel zueinander auf dem Schirm eines Sombreros liegen.

    Die Frauen, bei denen Modotti auf den Auslöser drückt, haben wie die Fotografin nichts zu verstecken, sind starke und selbstbewusste Arbeiterinnen, Mütter, Revolutionärinnen und schön. Was genau diese Bilder so schön macht, muss wohl die Wahl der Motive sein und auch das Gefühl, dass wir am Beginn von etwas stehen, wenngleich es ein Ende ist: Spätestens als Zeitungen sie mit dem Mord auf offener Straße am emigrierten Kubanischen Revolutionär Julio Antonio Mella in Verbindung brachten, war ein Ende Modottis Mexikozeit absehbar. Nach dem Verbot der kommunistischen Partei in, sowie der Ausweisung Modottis aus Mexiko, verschwand eine Zeit, die uns mexikanische Traditionen, Klischees und kulturelle Symbole in den bleibenden Bildern sehr nahe erscheinen lässt.

  • Lo sguardo di Tina: Räumlich effizient aufgeteilt, handelt es sich bei den Bildern um Leihgaben des Comitato Tina Modotti di Tolmezzo. Vom Circolo fotografico Tina Modotti Bozen wurde man bei der Auswahl beraten. Foto: Davide Stani
  • Julio Antonio Mella schließt als die vertikal am höchsten im Ausstellungsraum platzierte Aufnahme unseren Gang durch „Tinas Blick“ ab, ganz oben in einer mit zwölf Bildern ungewöhnlich dicht angeordneten Wand, die uns verschiedene Spielarten der Bildfängerin Modotti noch einmal gegenüberstellt, nachdem sie uns gut und spannend näher gebracht worden sind. Mellas Blick verlässt den Bildrand und wirkt leicht sorgenvoll, fast so als würde sich am für uns unsichtbaren Horizont etwas abzeichnen. Dem Kuratorenduo aus Nicolò Faccenda und Margherita Cestari ist eine stimmungsvolle und spannende Fotoausstellung gelungen, die bis zum 17. Februar lohnend besucht werden kann.

  • Für die Veranstaltungen des Festivals „Quo Vadis“ rund um das Thema Mexiko sind Anmeldungen erforderlich. Informationen und Termine finden Sie hier, die Möglichkeit zur Anmeldung hier.