Kultur | Salto Afternoon

Die Geister von Iron

Im einst verlassenen Geisterdorf "Iron" im Trentino ist mittlerweile wieder Leben eingekehrt. Vor allem im Sommer. Ein Ausflug in die Nachbarprovinz und in die Geschichte
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Foto: Salto.bz

Seit einigen Jahren geistert das Wort "Geisterdorf" um den kleinen Ort Iron im Trentino in den Medien. Iron liegt inmitten des landschaftlich reizvollen Landstrichs Judikarien im Trentino und war über Jahrhunderte ein kleines beschauliches Häuserensemble, das plötzlich unbewohnt zurückgeblieben war. Der bereits verstorbene Journalist Aldo Gorfer (1921-1996) machte Iron Mitte der 1970er Jahre einer breiteren Öffentlichkeit bekannt. Vor zehn Jahren erhielt der kleine Ort sogar eine offizielle Auszeichnung, die belegt, dass er zu den schönsten Plätzen Italiens gerechnet werden darf. Aus der Vergangenheit von Iron sind bedauerlicherweise nur wenige Geschichten überliefert, insbesondere natürlich jene zu den unbewohnten Jahrhunderten als Geisterdorf. Es war weder das Feuer noch der Hunger, der die Menschen von hier einst forttrieb, sondern die Pest sorgte dafür, dass sich das kleine Iron entvölkere und nur leere Häuser zurückließ. Sie sind bis heute in ihren Grundfesten erhalten. 
 

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Im Geiste eines Geisterdorfes: Mittelterliches Dorfgefüge ist erhalten geblieben / Foto: Salto.bz


Mit der der englischen Bezeichnung für Eisen Iron hat der Dorfname nichts zu tun. Eisern sind sind hingegen jene, die diesem idyllischen Ort die Treue halten, wie beispielsweise der junge Studierende Vittorio Maier. Iron mit seiner mittelalterlichen alpinen Struktur kennt er seit seiner Kindheit. „Das was die Touristen oder Besucher an diesem Ort fasziniert, ist, dass sich dieses Dorf – weil es lange Zeit unbewohnt war – den mittelalterlichen Ursprung erhalten hat können“, erzählt Maier: „Wenn man die wenigen Gassen und Wege von Iron abgeht, sieht man noch viel erhaltene Bausubstanz von einst.“ 
Der Charme vom aufgelassenen Ort trägt Früchte. Seit einigen Jahren bevölkern vor allem im Sommer Bewohner und Bewohnerinnen das kleine Dorf. Heute geistert es hier nicht mehr. Vielmehr geistern, dank des einen oder anderen Artikels in Reisezeitschriften, sowie der Würdigung über seine überregionale Schönheit, vereinzelt Tagestouristen umher.
 

Wir waren hier einfach eine sehr kleine Gemeinschaft – glücklich, aber wenige.


Maier begab sich vor wenigen Jahren auf Spurensuche und betrat die manchmal unübersichtlichen Wege der historischen Recherche. „In den 1630er Jahren wütete hier die berühmtberüchtigte Pest die auch der Dichter Alessandro Manzoni literarisch verewigt hat“, berichtet er. Einige Dokumente würden belegen, dass in Iron „beinahe alle verstorben oder weggezogen waren.“ Maier konnte in Erfahrung bringen, dass einer Legende nach „nur ein Einwohner überlebte.“ Über die Geschichte dieses einzigen Einwohner gibt es gleich mehrere Überlieferungen. Eine besagt, dieser Bewohner habe „den Freitod gewählt und hätte das leere Dorf der Talgemeinschaft vererbt. Eine andere besagt, er hätte allein im Dorf weitergelebt.“ Tatsache ist, dass das zunächst bewohnte Dorf plötzlich unbewohnt war und somit bis heute in seiner mittelalterlichen Charakteristik in der Landschaft steht. Abgesehen von kleineren Baumaßnahmen der Gegenwart.
 

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Sommerfrische in Iron: Viele der Bewohnerinnen und Bewohner sind nur an den Wochenenden in IronFoto: Salto.bz


Um das seit einigen Jahrzehnten wieder spärlich bewohnte Iron kümmern sich insgesamt rund zwei Dutzend Menschen. Beispielsweise Vittoria Cerana, die immer wieder gerne in das einst verlassene Iron kommt. „Für mich ist das hier ein schöner, ruhiger Ort, wo man sehr gut leben kann. Viele, die das hier zum ersten Mal sehen, sind beindruckt, viele die hierherkommen fragen aber auch: Wie kann man hier wohnen, wo es doch nichts gibt. Man kann ja gar nicht einkaufen?“ erzählt sie. Sie entgegnet dann: „Das Einkaufen ist das kleinste Problem. Außerdem wohnen wir ja nicht immer hier, meistens nur an den Wochenenden. Man kommt und man geht.“ Vittoria weiß jedenfalls auch zu erzählen, wie sie in jungen Jahren im Dorf mit befreundeten Kindern das über Jahrhunderte verstummte Iron belebte: „Als kleines Mädchen, da war ich mit meinen Großeltern hier. Wir waren hier einfach eine sehr kleine Gemeinschaft – glücklich, aber wenige.“
 

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Jakob und Katharina: Auch über die Kirchenbemalung wird man über Iron nicht schlauer / Foto: Salto.bz


Und dann gibt es in Iron noch das kleine Gotteshaus. Es ist dem Heiligen Jakob und der Heiligen Katharina geweiht. Einige Fresken verraten zwar Geschichten, doch so ganz lässt sich das Rätsel um Iron nicht wirklich entschlüsseln.
„Es wurde auch ein kleiner Friedhof unmittelbar neben der Kirche entdeckt, also Reste davon. Dabei wurden auch einige Skelette gefunden“, erzählt Hobbyforscher Vittorio Maier. Genaueres war aber nicht in Erfahrung zu bringen.
Iron hat eigentlich nicht viel, und ist demnach auch einer jener besonderen Orte der Region, wo sich Freigeister mit Fantasie so richtig austoben können, wenn sie die Zeit im "Geisterdorf" (im Geiste) zurückdrehen.
 

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Historisches Iron: "Man kommt und man geht." Foto: Salto.bz