Politik | Elezioni 22 Wahlen

Ein Recht auf Geschlechtsumwandlung?

Wie konservativ oder fortschrittlich sind die SVP-Kandidatinnen und Kandidaten in Sachen Rechte von LGBTQIA+-Personen in Italien? Die Antworten auf sechs konkrete Fragen
lgbtqia.jpg
Foto: upi
Andreas Unterkircher macht es seit vielen Jahren. Der langjährige Präsident der Südtiroler Vereinigung Centaurus verschickt anlässlich von Wahlen einen Fragenbogen an die Kandidaten und Kandidatinnen in dem es um die Rechte von LGBTQIA+-Personen in Italien geht. Die Antworten werden noch vor dem Wahlgang veröffentlicht.
Der Hintergrund der Aktion ist klar: Politiker und Politikerinnen sollen so ihre Haltung zu Themen öffentlich machen, die die meisten von ihnen, sonst lieber umschiffen oder nicht an die große Glocke hängen wollen.
Andreas Unterkircher hat vor einigen Monaten politisch eine neue Heimat gefunden. Der LGBTQIA+Aktivist ist in die SVP eingetreten. Unterkircher ist Mitglied des Bozner Sozialausschusses. In dieser Funktion hat er jetzt den sechs SVP-Kandidatinnen und Kandidaten eine Fragebogen mit sechs Fragen zu diesem Thema zukommen lassen.
Salto.bz veröffentlicht die Fragen und die Antworten.
 
 

1. Glauben Sie, dass LGBTQIA+-Personen in Italien gesetzlich immer noch diskriminiert sind oder bereits die volle Gleichstellung genießen?

 
Manfred Mayr: Ich bin seit längerem mit einer solchen Situation in der Verwandtschaft konfrontiert und damit durchaus mit der Thematik vertraut. Es braucht hier Offenheit und Toleranz. Vor allem aber ist mein Motto: Leben und leben lassen. Ich denke wir sind inzwischen auf einem guten Weg, das Ziel ist aber noch nicht erreicht.
 
Manfred Schullian: Trotz des Gleichheitsgrundsatzes sind wir von einer rechtlichen Gleichstellung noch weit entfernt. Als Beispiele nenne ich die gleichgeschlechtliche Ehe, die Regelung von Adoptionsfragen bei gleichgeschlechtlichen Paaren. Italien hinkt im europäischen Vergleich in Sachen LGBTIQ+-Gleichstellung nach wie vor hinterher.
 
 
Julia Unterberger: Unsere Verfassung sieht in Artikel 3 vor, dass alle StaatsbürgerInnen vor dem Gesetz, ohne Unterschied des Geschlechts gleich sind und die gleiche gesellschaftliche Würde haben. Auch wenn sich der Artikel vor allem auf Frauen und Männer bezieht, so muss dieser Grundsatz entsprechend der gesellschaftlichen Entwicklung auch auf die LGBTQIA+ Gemeinschaft  ausgedehnt werden.
Das Gesetz Nr. 903 vom 9.12.1977 sieht vor, dass im Bereich der Arbeit niemand aufgrund des Geschlechts, der Herkunft, der sexuellen Orientierung usw. diskriminiert werden darf. Trotzdem existieren in unserer Gesellschaft immer noch Vorurteile und Benachteiligungen. Der heterosexuelle weiße Mann war in unserer Geschichte bis in die jüngste Zeit herauf das Maß aller Dinge. Alles was davon abweicht ist potentiell von Diskriminierung betroffen. Für eine völlige gesellschaftliche Gleichstellung braucht es positive Maßnahmen des Gesetzgebers.
 
Meinhard Durnwalder, Renate Gebhard und Dieter Steger: keine Antwort.
 
 

2. Die gleichgeschlechtlichen Paare haben in Italien das rechtliche Instrument der „Unioni civili“, welche der Ehe zwischen Mann und Frau nicht voll gleichgestellt ist. Würden Sie im Falle einer Abstimmung über die „Ehe für alle“ dafür stimmen, dass die volle Gleichstellung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften mit der Ehe zwischen Mann und Frau eingeführt wird?

 
Renate Gebhard: Ich bin für die völlige Gleichstellung von gleichgeschlechtlichen Paaren.
 
Manfred Mayr: Ja.

Manfred Schullian: Grundsätzlich würde ich dafür stimmen.
 
 
 
Julia Unterberger: Die zivilrechtliche Ehe ist einem Vertrag gleichzusetzen, dessen Inhalt vom Staat vorgegeben ist. Im Mittelpunkt steht das Prinzip der gegenseitigen Solidarität, die auch nach einem eventuellen Ende der Ehe aufrecht ist. Der Schutz des/der ökonomisch schwächeren PartnerIn ist in einer zivilrechtlichen Ehe viel stärker ausgeprägt als in den sogenannten unioni civili. Daher würde ich es  auf jeden Fall befürworten, wenn gleichgeschlechtliche Paare diesbezüglich völlig gleichgestellt würden.
 
Meinhard Durnwalder und Dieter Steger: keine Antwort.
 

3. Das Adoptionsrecht ist in Italien noch einzig den heterosexuellen Paaren vorbehalten. Sind Sie für eine Reform des Adoptionsrechts?

 
Renate Gebhard: Ich bin grundsätzlich auch dafür, das homosexuelle Paare Kinder adoptieren können, habe hierbei jedoch leider oft den Eindruck, dass die Gesellschaft noch nicht dafür bereit ist.
 
Manfred Mayr: Es ist sicher sinnvoll das Adoptionsrecht an die aktuellen gesellschaftlichen Veränderungen anzupassen. Was das Adoptionsrecht für homosexuelle Paare angeht bin ich der Meinung, dass hierfür vor der Reform ein Dialog geführt werden sollte. Das Thema ist sehr heikel und könnte leicht zu Populismus verleiten und das ist nicht zweckdienlich.
 
Manfred Schullian: Grundsätzlich finde ich, dass bei Adoptionsfragen das Wohl des Kindes im Vordergrund stehen sollte. Ich sehe bei der Adoption eines Kindes durch ein gleichgeschlechtliches Paar keinen Nachteil, im Gegenteil. Für viele Kinder wäre dies allemal besser als die Situation, die sie sonst hätten.
 
 
 
Julia Unterberger: Ich glaube, dass hier ein Umdenken stattfinden muss. Die traditionelle Familie ist bekanntlich keine Garantie dafür, dass ein Kind ohne Entbehrungen und Gewalt aufwächst. Daher wäre ich auch in diesem Fall für die Gleichstellung homosexueller Paare, sofern sie ihre Eignung zu Elternschaft unter Beweis gestellt haben.
 
Meinhard Durnwalder und Dieter Steger: keine Antwort.
 

4. Sind Sie für die Stiefkindadoption, das heißt die Adoption des leiblichen Kindes eines Partners durch den Lebenspartner gleichen Geschlechts?

 
 
Manfred Mayr: Das löst sich, wenn sich die „unioni civili“ der Ehe gleichgestellt werden sollten.
 
Manfred Schullian: Um die Stiefkindadoption gab es vor einigen Jahren eine hitzige Diskussion im Parlament, leider kam es dann nicht zur Verabschiedung dieser Regelung. Wenn zum Beispiel ein Kind in eine gleichgeschlechtliche Partnerschaft geboren wird, hat es rechtlich nur ein Elternteil, das ist ein erheblicher Nachteil für das Kind. Daher wäre ich für die Möglichkeit der Stiefkindadoption durch den Lebenspartner gleichen Geschlechts.
 
 
 
Julia Unterberger: Ja, ich bin auf jeden Fall für die vereinfachte Adoption der Kinder des/der PartnerIn. So wie das bei EhepartnerInnen auch der Fall ist.
 
Meinhard Durnwalder, Renate Gebhard und Dieter Steger: keine Antwort.
 

5. Halten Sie ein Anti-Homophobie-Gesetz in Italien für nützlich bzw. notwendig? Was halten Sie vom Zan-Gesetz?

 
Renate Gebhard: Sofern das sogenannte Zan-Gesetz, dessen Einbringer ich persönlich kenne und schätze, zu uns in die Abgeordnetenkammer gekommen wäre, hätte ich dafür gestimmt.
 
Manfred Mayr: Die Verfassung garantiert die Grundrechte der Bürger unabhängig von Sprache, Kultur und sexueller Neigungen, deshalb ist sicherlich sinnvoll darüber zu diskutieren, damit die Rechte der LGBTQIA+-Personen geschützt werden.
 
 
Manfred Schullian: LGBTQIA+-Personen werden leider immer noch diskriminiert, etwa in Schulen, am Arbeitsplatz oder auf der Straße. Um dies zu ändern, muss sich die Gesellschaft insgesamt entwickeln, wobei allerdings die Politik Impulse setzen kann und muss. Das Zan-Gesetz wäre ein Schritt in diese Richtung.
 
Julia Unterberger: Das Zan-Gesetz bewegt sich im Bereich des Strafrechtes. Es führt einen neuen Straftatbestand für verbale und körperliche Übergriffe, aufgrund des Geschlechtes und der sexuellen Orientierung ein. Dabei knüpft es an das Mancino-Gesetz an, das diese Verhaltensweisen aufgrund der Herkunft, der Religion usw. bereits unter Strafe stellt. Es handelt sich um die sogenannten Hassdelikte, die in ganz Europa kürzlich eingeführt worden sind. Natürlich bin ich dafür, dass diese auch in Italien gelten sollen. Ich habe in Bezug auf das Zan-Gesetz eine Vermittlerrolle zwischen rechten und linken Parteien eingenommen; leider ist es trotzdem gescheitert.
 
Meinhard Durnwalder und Dieter Steger: keine Antwort
 

6. Sind Sie für eine Abänderung des Gesetzes 164/82 („Norme in materia di rettificazione di attribuzione di sesso“), auch infolge des Urteils 15138/2015 des Kassationsgerichtshofs?

 
Manfred Mayr: Grundsätzlich habe ich nichts dagegen einzuwenden. Zielführend ist jedoch, dass entsprechende Vor- bzw. Aufarbeitungsarbeit erfolgt.
 
Manfred Schullian: Obwohl das Urteil 15138/2015 des Kassationsgerichts die chirurgische Geschlechtsumwandlung für die anagrafische Anpassung des Geschlechts nicht für unbedingt notwendig erachtet und auch das Verfassungsgerichts dieses Prinzip bestätigt hat, würde eine Änderung des Gesetzes in diesem Sinne für mehr Rechtssicherheit sorgen.
 
 
 
Julia Unterberger: Das Gesetz 164/82 muss nicht abgeändert, sondern im Lichte des Kassationsurteils Nr. 15138/2015 anders interpretiert werden. Das Gesetz spricht von einem chirurgischen Eingriff „falls notwendig“;. Die Rechtsprechung hat das Gesetz dann dahingehend interpretiert, dass ein chirurgischer Eingriff auf jeden Fall notwendig ist. Das Urteil Nr. 15138/2015 hat hingegen die Geschlechteridentität in den Mittelpunkt gestellt und hält einen chirurgischen Eingriff nicht mehr für eine Voraussetzung sine qua non. Damit folgt der Kassationsgerichtshof dem europäischen Menschengerichtshof, der bereits seit langem die Übereinstimmung von Geschlecht und eigener Identität in den Vordergrund stellt.
 
Meinhard Durnwalder, Renate Gebhard und Dieter Steger: keine Antwort