Wer kümmert sich um den Hilferuf?
Mehr als die Hälfte der jungen Menschen in Österreich kämpft mit depressiven Symptomen, sechs von zehn haben Essstörungen. 47 Prozent der jungen Menschen leiden unter Schlafstörungen und 16 Prozent haben wiederholt Suizidgedanken. Dies der erschreckende Lagebericht, den die österreichische Jugendstaatssekretärin Claudia Plakolm am Ende der letzten Woche bei einer Pressekonferenz im Bundeskanzleramt präsentiert. "Man kann also mit Recht sagen, dass es an allen Ecken und Enden brennt", so Plakolm.
Um das psychische Unbehagen der jungen Menschen in Österreich zu lindern wurden bereits im Juli ein Maßnahmenpaket zu 13 Millionen Euro beschlossen, das nun umgesetzt werden soll. Geplant ist ein One-Stop-Shop in Form einer einzigen Hotline, an die sich Kinder und Jugendliche in einem ersten Moment wenden können - ein Thema, das auch in Südtirol auf Aufmerksamkeit stößt. Zudem wird das Angebot an Therapieplätzen ausgebaut.
One-Stop-Shop von der Erstberatung bis zur tatsächlichen Therapie
Konkret soll in erster Linie vor allem der Zugang zu psychotherapeutischen Therapieplätzen für junge Menschen bis 21 Jahre erleichtert werden. Dazu soll ein One-Stop-Shop eingerichtet werden, wobei Kinder und Jugendliche über eine einzige Hotline einfach und unbürokratisch zu einer Erstberatung und in einem zweiten Moment zu einem möglichen Therapieplatz kommen sollen. "Sie müssen sich weder um den Therapieplatz selbst, noch um eine Kostenerstattung umschauen müssen", betont die Jugendstaatssekretärin. Man nehme den Jungen und ihren Familien damit den Rucksack der Bürokratie ab. So könne man dabei helfen, dass man schnell und unkompliziert zu professioneller Hilfe kommt. Das werde man gemeinsam mit dem Österreichischen Bundesverband für Psychotherapie, dem Berufsverband Österreichischer Psychologinnen und Psychologen sowie in der Zusammenarbeit mit der Schulpsychologie tun.
Ausgebautes Angebot
Neben der Einrichtung einer zentralen Beratungsstelle sollen etwa 7.500 zusätzliche Therapieplätze zu einem Ausmaß von etwa 15 Stunden zur Verfügung gestellt und somit das Angebot für Kinder und Jugendliche ausgebaut werden. Dabei werden kostenlose Einzelstunden, Einzelberatungen oder auch Gruppentherapie von einer Servicestelle organisiert. Der Projektstart erfolgt Ende März 2022, mit einer Laufzeit bis Ende Juni 2023.
Fragmentiertes Angebot in Südtirol
Auch in Südtirol suchen immer mehr Kinder und Jugendliche psychologische Hilfe auf. Dabei erweist sich vor allem der Erstzugang zu psychologischer Beratung für viele Kinder, Jugendliche und deren Eltern als Problem: Das Angebot in Südtirol ist fragmentiert. Es fehlt ein zentraler Knotenpunkt, an den sich Kinder und Jugendliche oder deren Eltern einfach und unbürokratisch in einem ersten Moment wenden können.
So wurde unlängst zwar der Onlinedienst “Du bist nicht allein // Non sei dassola/o” geschaffen, wo Indikationen und Kontakte gefunden werden können. Bei der Fülle an Kontakten und Ansprechpartnern bleibt es aber schwierig, den richtigen Ansprechpartner für eine gegebene Situation zu finden. “Jede Situation weist andere Eigenschaften auf und verlangt nach entsprechenden Behandlungsmethoden. Die Eltern müssen sich oft durch eine ganze Reihe von Diensten telefonieren, um irgendwann zur richtigen Anlaufstelle zu kommen”, so Christa Ladurner, Koordinatorin der Fachstelle Familie beim Forum Prävention.
Hier gelte es einzugreifen und bessere Möglichkeiten zu schaffen, um einen einfachen und unbürokratischen Zugang zu psychologischer Beratung zu ermöglichen. Dabei sei die Onlineplattform bereits eine große Verbesserung zu dem, was vorher war: “Vorher mussten die Webseiten der Anlaufstellen einzeln aufgerufen und kontaktiert werden. Nun werden die Kontakte und Möglichkeiten zumindest in einem einzigen Ort gesammelt”. Wie Ladurner erklärt, sei eine diesbezügliche Verbesserung auch bereits in Ausarbeitung. Nähere Auskünfte konnten zu diesem Zeitpunkt noch nicht eingeholt werden.
Auch die Präsidentin der Psychologenkammer Bozen, Sabine Cagol, betont, dass es wichtig sei, dass Personen rasch und unkompliziert an die richtigen Stellen verwiesen werden. Einer Zentralisierung des Systems, wie sie in Österreich auf nationaler Ebene vorgesehen ist, sieht sie jedoch kritisch entgegen: "Man müsste sich die Umsetzung dieser Zentralisierung ganz genau anschauen", so Cagol. "Die Dienste in Südtirol sind aber territorial sehr verwurzelt; je nach Einzugsgebiet und Bedürfnissen stehen andere Einrichtungen bereit", so Cagol. Deshalb sei es schwierig, Menschen über eine zentrale Anlaufstelle an die richtigen Strukturen zu verweisen.