Saltosamstag, der Umzug und die Lampe
Ich plane gerne, in Gedanken. Nehme mir vieles vor, organisiere mit Leidenschaft. Das macht mir richtig Spaß. Aber detailversessen war ich nie, und so ist mir Planung bis ins Letze ein Geräul. Das macht mich müde und ungedulig. Zu viele Unkonstanten könnten mir schlussendlich einen Strich durch die Rechnung machen. Vier Kinder, Mann, Freunde, Beruf, Umbau – irgendwie geht es immer. Irgendwie krieg ich immer alles unter einen Hut. Doch das Problem ist das Irgendwie.
Irgendwie krieg ich immer alles unter einem Hut. Doch das Problem ist das Irgendwie.
30. November, der Plan stand fest: Salto-Samstag-Dienst. Ich alleine. Umzug mit Familie: Wir gemeinsam. Das widerspricht sich zwar, aber für mich stand fest: irgendwie krieg ich das hin. Natürlich hatten wir Hilfe, selbstverständlich gab es Unterstützung. Kräftige Freunde, die Kisten schleppen, nette Freundinnen, die Kinder hüten würden. Damit ich mich ganz dem Schreiben für Salto.bz widmen konnte, damit ich in Ruhe telefonieren, recherchieren, suchen, finden, schreiben, korrigieren, veröffentlichen und verbreiten konnte.
Geschlafen hatten wir wenig die letzte Nacht in unserer gemeinsamen Wohnung. Die meisten Kisten waren schon gepackt, glaubte ich, die meisten Sachen waren schon verstaut, dachten wir. Um neun Uhr veröffentlichte ich meinen ersten Artikel auf Salto.bz. Alles lief wie am Schnürchen. Letzter Krimskrams noch in die Kartone, die starken Freunde klingelten, die Kinder hüpften fröhlich herum. Wie aufregend doch ein Umzug war.
Zehn Jahre hatten wir in unserer Mansardenwohnung gewohnt, Frida sieben und Benno fünf waren darin geboren, aber Emotion beiseite. Ich sollte mich aufs Schreiben konzentrieren. Arno Kompatscher hatte am Telefon gerade Stellung bezogen zu seiner Regierungsbildung, ich hatte qualvoll gerupfte Angorakaninchen als Video reingestellt, irgendwann dann, um 11 Uhr kippte die Stimmung. Irgendwie. Die Kartone um mich stapelten sich, Taschen wurden gefüllt, die Kinder wurden unruhig, in der Küche standen Töpfe, Teller, Gläser. „Das haben wir doch bis gestern gebraucht“, verteidigte ich und verzog mich wieder hinter den Schreibtisch. „Orbatisch du haint?“, fragte einer der Karton-Sherpas erstaunt. Ich nickte mutig. „Geat schun irgendwia“, lachte ich.
„Orbatisch du haint?“, fragte einer der Karton-Sherpas erstaunt. Ich nickte mutig. „Geat schun irgendwia“, lachte ich.
Lampen wurden abmontiert (ach ja, die Lampen!), die letzten Schubladen wurden ausgeräumt (ach ja die Handtücher, die Shampoos, die Puppensachen in der Dusche, die...) Tapfer im Einsatz die starken Männer, sie rannten zum 20. Mal die 64 Stiegen hinauf und wieder hinunter. Irgendwie leerten sich die Zimmer und irgendwie kam immer wieder neues, nicht verstautes zum Vorschein.
„Umziachn isch bled“, wetterte Frida, ihre Schwester Pia, 11 versuchte zu besänftigen. „Geht doch in den Garten“, schlug ich vor. Und hoffte auf ein einigermaßen ruhiges Telefonat mit Egon Federspieler. Und seiner Anti-Flughafen-Petition. „Da muss wirklich was gemacht werden“, sagte Egon. Frida und Benno heulten. Und die kinzenden Freundinnen klingelten...endlich! 11 Uhr, etwas musste ich noch ins Netz stellen für die Mittagsgäste von salto.bz sozusagen.
Dann fiel die Tür ins Schloss - endlich war Ruhe.
Herrlich. Irgendwie war's ja doch gut gegangen! In unserer leeren Wohnung, die gar nicht mehr die unsere schien, tappte ich in die Küche. Keine Gläser mehr. Dann halt eben Wasser vom Wasserhahn schlürfen, meine Schritte hallten wieder. Irgendwie war ich allein. Ich wollte doch noch mit allen gemeinsam Abschied nehmen von unserer Wohnung. Ich wollte doch noch....na ja. Schnell zum Computer, ein Foto des Tages finden, der Abgang von Bürgermeister Christian Tschurtschenthaler musste herhalten. Mein Magen knurrte, „Wir sitzen beim Chinese essen, du kommst schon?“ smste mir mein Mann.
„Natürlich“ schrieb ich zurück. Und dachte mir, das krieg ich irgendwie auch noch hin. Tippte den Bozner Flughafen-Beitrag fertig, publish, noch auf Facebook stellen, es anderen Interessierten zuspielen, Namen durchsuchen - dann los. Eine halbe Stunde später war ich im Restaurant. 14 Uhr. Vorwurfsvolle Blicke meiner Familie. „Ich hab noch was Interessantes gefunden“, rechtfertigte ich mich. Sie aßen gerade, ich bestellte erst. Na ja, das Timing hätte besser sein können. Auf ein Tischgespräch konnte ich mich nicht konzentrieren, meine innere Unruhe wuchs. Ich sah es deutlich vor mir, bildhaft - die sorgfältig von mir gepackten Kartons wurden achtlos irgendwo im neuen Haus abgestellt. Beschriftet hatte ich nicht, warum auch, ich würde doch ein paar Kartone auseinanderhalten können. Und so langsam dämmerte es mir: ein Umzug ist immer auch ein Einzug.
Nach dieser tiefgreifenden Erkenntnis wurden die Kinder mit Onkel und Tante nach Olang zu den Großeltern geschickt, die Kleinen zumindest. Emma, 14, runzelte die Stirn: „So a Stress.“ „Ich muss dann mal wieder arbeiten“, verkündete ich kleinlaut nachdem wir alle den Chinesen verlassen hatten. Geschmeckt hatte es irgendwie nicht. „Und unsere Wohnung?“ fragte Frida noch vom Kindersitz. „Wir sehen uns dann später“, rief ich nach. Zu Hause schrieb ich noch von Arno Kompatschers neuer Zugreise und von dem Burschenschafter Treffen in Innsbruck. Langsam wurde es dunkel, draußen. Das Wohnungs-Abschiedsritual könnten wir dann ja vielleicht morgen nachholen. Oder?
„Ich muss dann mal wieder arbeiten“, verkündete ich kleinlaut nachdem wir alle den Chinesen verlassen hatten. Geschmeckt hatte es irgendwie nicht.
Und so saß ich dann, irgendwann um halb fünf vor meinem PC, in einer leergeräumten Wohnung, die so fremd erschien. Und doch so vertraut. Irgendwie hatte ich mir das alles anders vorgestellt. Nur wie? Ich ging zum Lichtschalter. Nichts. Ich schaute zur Decke. Und verstand – ach ja, die Lampe!
Susi, meine Redaktionskollegin, schickte mir noch eine Facebook-Nachricht: „Wie geht’s Dir?“ „Sitze in unserer dunklen Wohnung ohne Licht.“ „Du spinnst“, antwortet Susi. Und wahrscheinlich hat sie Recht. Irgendwie.
Und ich begann nachzudenken, über Salto, unseren Umzug, mein Planungsproblem. Über Um- und Einzüge. Dann musste ich lachen, denn ein Gedanke machte sich breit. Einen den ich gut kannte: „Irgendwie ist ja alles gut gegangen.“