Politik | Klimaplan

Eine politische Selbstverpflichtung

Der neue Klimaplan ist etwas „softer“ geworden, gar manches bleibt unvollständig und offen.Jetzt braucht es Mehrheiten in Politik und Bürgerschaft, die ihn auch umsetzen.
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Aus reinen Plänen erwachsen üblicherweise keine rechtlichen Verpflichtungen. Sie bleiben flexibel und abänderbar. Doch eine politische Selbstverpflichtung sind sie allemal, die „ähnlich einem Koalitionsprogramm mit Gesetzen, Richtlinien und Verordnungen umgesetzt werden müssen“, meinte LH Kompatscher bei der Vorstellung der Gesamtversion des Klimaplans 2040 am 18. Juli. Obwohl flexibel geben solche Pläne mit ihren Zielen und Maßnahmen einen quantifizierten Orientierungsrahmen für das politische Handeln der kommenden 3-4 Legislaturen vor. Klimaschutz ist beides: ein Gebot der Stunde (allein schon für die Anpassungsmaßnahmen an bereits eingetretene Folgen des Klimawandels) und eine Langzeitaufgabe mit klarem Oberziel: Klimaneutralität 2040. Der Vorteil: wichtige Weichenstellungen sind dem täglichen Tauziehen zwischen den Interessengruppen entzogen. Allerdings, so Kompatscher, soll der Klimaplan „ein dynamischer Plan“ sein, der ständig überarbeitet und mit den Vorschlägen des Stakeholder-Forums und des geplanten Bürgerrats ergänz wird.

Ziele aufgeweicht, Maßnahmen unvollständig

Vergleicht man die erste mit der neuen, definitiven Fassung des Klimaplans, fällt auf, dass einige Ziele deutlich abgeschwächt worden sind: so z.B. soll der motorisierte Individualverkehr bis 2040 nur mehr um 30% (vorher 40%) bis 2037 zurückgehen. Die Landwirtschaft soll ihre THG-Emissionen um nur 40% herunterfahren und der Tourismus soll seinen fossilen Energieverbrauch auf 20% des Stands von 2019 reduzieren, aber ohne Fristangabe. Nur 9 von 157 Maßnahmen betreffen die zentralen Bereiche des Tourismus und der Industrie, obendrein recht „softe“ Maßnahmen: Energieaudits, neue Konzepte, Arbeitsgruppen.

Auch bei der Landwirtschaft hat der Klimaplan abgespeckt. Man setzt jetzt auf den “natürlichen Rückgang“ beim Viehbestand (1% im Jahr) und auf die Förderung der Produktion der ans Grundfutter gebundenen Heumilch. Doch die Reduktion der nur über Futtermittelimporte aufrechtzuerhaltenden Gesamt-Rinderzahl (rund 120.000) wird ausgespart, die angepeilte Reduktion des Düngereinsatzes bleibt vage. Die Subventionierung eines im Grunde klimaschädlich hohen Viehbestands wird nicht angetastet, und damit werden die Landwirte sozusagen von der Verpflichtung zur Klimaneutralität ausgeklammert. Im Gegenzug erhält die Landwirtschaft die „Aufgabe“, via Agrofotovoltaik bis 2040 500 MW an PV-Stromkapazität auf ihre Wiesen stellen zu dürfen.

Die Heizungswende bleibt offen

Ausgeklammert bleibt im Bereich der Gebäudeheizungen der heute quantitativ wichtigste: die Gasheizungen. Aus aktuellen Debatten weiß man, welche soziale Sprengkraft diese Frage hat. Der Klimaplan setzt das Ziel, nicht nur schnellstmöglich Ölheizungen auszumustern, sondern auch Gas bis 2037 um 85% zu reduzieren. Doch mit welchen Maßnahmen sollen 70-80.000 Gasheizungen in 14 Jahren ersetzt werden? Welche „Exitstrategie“ wird zeitnah eingeleitet, um dieses Ziel in 14 Jahren zu erreichen? Derzeit gibt es hierzulande nicht einmal ein Verbot von Ölheizungen geschweige denn einen finanziellen „Bonus“ für all jene Familien, die ihre fossile Heizung mit erneuerbarer Energie ersetzen wollen, wie z.B. in Nordtirol. Während in Deutschland zügig an der Heizungswende gearbeitet wird mit der Pflicht, zukünftig mindestens 2/3 mit erneuerbarer Energie zu heizen, werden diese rechtlichen Rahmenbedingungen in Italien noch nicht einmal diskutiert. Ohne massive öffentliche Unterstützung der Haushalte für den Umstieg wird man in diesem Bereich Klimaneutralität nicht so rasch herstellen können.

Entwicklungspfade werden nicht durchgerechnet

Kein anderer Bereich ist im Klimaplan 2040 so konkret, detailliert und ehrgeizig dargestellt wie die Mobilität, die den Löwenanteil der CO2-Emissionen generiert (44%). Fast ein Drittel der Maßnahmen des Klimaplans betreffen nur die Mobilität, und dort primär den ÖPNV, die Bahn- und Fahrradinfrastruktur, die Intermodalität und Digitalisierung. Hier übernimmt der Klimaplan den Kerninhalt des neuen LPNM, so ergibt sich volle Kohärenz, was man nicht in Bezug auf alle anderen geltenden Landesplänen behaupten kann. Wenn diese Vorhaben angegangen und auch finanziell gestemmt werden können, wird der gewaltige Emissionsoutput des Verkehrs 2040 stark geschrumpft sein. Doch reicht das aus für Klimaneutralität? Das bleibt offen, weil nicht geschätzt wird, wieviel der heute  zugelassenen 631.000 Fahrzeuge (Stand 2019) noch fossil betrieben werden; wie viele der 8-9 Millionen Gäste mit Benzinern und Dieselautos anreisen, wieviel LKWs im Transit und im Binnenverkehr mit Wasserstoff oder Strom fahren werden. Pflicht zur Umrüstung gibt es hier noch keine.

„Durch den höheren Anteil von E-Fahrzeugen wird der Verkehr mit Verbrennermotor um 40% reduziert“, setzt der Klimaplan als Ziel. Schön und gut, und die restlichen 60%? Kurz: Wenn nicht am Mengengerüst der Mobilität sowohl der Einheimischen als auch der Touristen, des lokalen als auch des Transit-Güterverkehrs geschraubt wird, bleiben die Reduktionsziele des Klimaplans eher auf Halbweg stecken. Um Gebote und Verbote kommt man in diesem Bereich nicht herum. Insgesamt entsteht der Eindruck, dass hier versucht wird, Klimaneutralität gesetzlich unverbindlich zu erreichen, ohne den Unternehmen und Haushalten auf die Füße zu treten, schreibt EURAC-Experte Georg Niedrist in einem ersten Kommentar.

Jetzt Klimaschutz gegen Lobbymacht durchsetzen

Der neue Klimaplan ist trotz der Schwächen ein unverzichtbares Dokument, das die politisch Verantwortlichen nicht rechtlich, aber eben politisch in die Pflicht nimmt. Wie LH Kompatscher bei der Vorstellung unterstrich, gibt es auch übergeordnete rechtliche Pflichten zum Klimaschutz wie das Pariser Abkommen von 2015. Jetzt geht es darum, möglichst viele und möglichst zielführende Maßnahmen in Vorschriften zu gießen, möglichst alle Lücken des Plans zu schließen, den weiteren Input der Zivilgesellschaft aufzunehmen, Klimaschutz über Partikularinteressen zu stellen (dieser Satz ist aus dem jetzigen Klimaplan verschwunden). Dieses Spiel wird im lobbydominierten politischen Alltagsgeschäft ausgetragen, wo Klimaschutz bisher Nebensache war. Der Erfolg hängt deshalb wesentlich daran, ob es der Südtiroler Wählerschaft gelingt, einer weniger von Wirtschaftsinteressen geprägten Politik mit anderen politischen Mehrheiten zum Durchbruch zu verhelfen. Denn „es gibt kein Recht auf die Beibehaltung des Status Quo, genauso wie es kein Recht darauf gibt, die Umwelt wie bisher zu verschmutzen“, schreibt die Landesregierung im Vorwort des Klimaplans. Ihr Wort in der Wähler Ohr.

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Dietmar Nußbaumer Fr., 21.07.2023 - 22:01

Klimaschutz, ohne Verzicht, geht sich locker für diejenigen aus, die genug Geld haben. Die stemmen locker E-Auto und Wärmepumpen samt PV-Anlage auf dem Dach. Bei stagnierenden Löhnen und Inflation sind Maßnahmen a la Habeck eine Watschen für Normalverdiener.

Fr., 21.07.2023 - 22:01 Permalink