Politik | Regierungskrise

„Nein zu Neuwahlen“

SVP-Senatorin Julia Unterberger über Giuseppe Conte, Matteo Salvini, die unterschiedlichen Auffassungen in der SVP und was Sie heute zu Sergio Mattarella sagen wird.
Julia Unterberger
Foto: SVP
Salto.bz: Frau Unterberger, wie haben Sie die Generalabrechung am Dienstag im Senat erlebt.
 
Julia Unterberger: Das Beeindruckendste war für mich die Stellungnahme von Giuseppe Conte. Ich habe seinen Auftritt sowohl inhaltlich, als auch formal als sehr gelungen empfunden. Conte hat eine völlig andere Art als die meisten anderen Politiker. Er ist so wohltuend unaufgeregt und sachlich. Gestern hat er in seiner sachlich-intelligenten Art dem Innenminister Matteo Salvini wirklich die Leviten gelesen. Er hat ihm unzählige Dinge vorgehalten, wo der Ministerpräsident absolut Recht hat.
 
Was meinen Sie?
 
Dass er keinen Respekt vor den Institutionen hat. Dass er dauernd seine Meinung geändert hat. Dass er mehr auswärts war, als im Innenministerium und im Parlament. Was im Senat gestern aber auch augenscheinlich wurde: Wenn Matteo Salvini in einem Parlament sprechen muss, ist er weder auf der Höhe eines Intellektuellen wie Giuseppe Conte, noch eines Matteo Renzi. Er hat gezeigt, dass er wirklich geeigneter ist am Strand die Massen zu mobilisieren, als sich in einem parlamentarischen Gremium geistig und politisch mit ganz anderen Kalibern auseinanderzusetzen.

 
Conte hat eine völlig andere Art als die meisten anderen Politiker. Er ist so wohltuend unaufgeregt und sachlich
 
Matteo Salvini ist in seiner Rede wieder einmal ausfällig geworden?
 
Salvini absolviert immer dieselben Auftritte, wo man nicht versteht, wer ihm das was er sagt, glauben soll. Die neueste Masche ist jetzt, dass er behauptet, er habe die Regierungskrise ausgerufen, weil er wusste, dass die 5-Sterne-Bewegung mit dem PD schon lange ein Abkommen hat, um eine neue Regierung zu bilden. Das sei jetzt der Grund für ihn gewesen, diese Krise auszurufen. Gleichzeitig hat die Lega aber ihren Misstrauensantrag gegen die Regierung Conte im Senat zurückgezogen und Salvini hat mehrmals betont, dass er weiterhin offen sei für eine Zusammenarbeit. Er redet absolut widersprüchlich und konfus...

Salvini hat vor allem ein Trauma: Matteo Renzi?
 
In seiner Rede von letzter Woche im Senat hat er 13 mal Renzi erwähnt und attackiert. Obwohl Renzi sicher nicht die Hauptfigur in diesem ganzen Geschehen ist. Salvini redet völlig konfus. Vor alle aber redet er als wäre er auf einem Strand und nicht im Parlament.
 
In seiner Replik hat Giuseppe Conte seinen ehemaligen Stellvertreter Salvini wie einen Schulbuben abgewatscht?
 
In seiner Replik war Conte genial. Er hat zu Salvini gesagt: Ich nehme zur Kenntnis, dass Sie nicht den Mut haben die Verantwortung für die Krise zu übernehmen. Das ist aber kein Problem, denn diese Verantwortung übernehme ich. Was mir auch besonders gut gefallen hat, dass Conte Salvini auch kritisiert hat, weil er permanent religiöse Symbole für seine Zwecke missbraucht. Conte hat gesagt: Ein Politiker, der Respekt vor den Institutionen und den Religionen hat, der kann das nicht tun. Nichtdestotrotz hat Salvini auch in der Aula seinen üblichen Rosenkranz wieder geküsst.
 
 
Salvini redet er als wäre er auf einem Strand und nicht im Parlament.
 
Matteo Renzi hat in seiner feurigen Rede explizit erklärt, dass er einer möglichen Nachfolgeregierung keinesfalls angehören werde. Hat Sie diese klare Aussage überrascht?
 
 
Nein, das hat mich nicht überrascht. Ich muss sagen, dass Renzi eigentlich der ist, der den Dialog zwischen M5s und dem PD anfänglich ins Rollen gebracht hat. Meines Erachtens benimmt er sich derzeit sehr verantwortungsvoll. Renzi geht auf die Angriffe unter der Gürtellinie gegen ihn und gegen Maria Elena Boschi, die von den 5-Sternen immer wieder kommen, erst gar nicht ein. Er stellt die Verantwortung für das Land in den Vordergrund.
 
 
Matteo Renzi stellt die Verantwortung für das Land in den Vordergrund.
 
Die SVP hat wieder einmal beschlossen sich neutral zu verhalten. Damit waren Sie im Senat zum Zuschauen verdammt.
 
Die SVP hat am Montag zwei Entscheidungen getroffen. Erstens, dass wir einem möglichen Misstrauensantrag gegen Conte nicht zustimmen, sondern uns der Stimme enthalten. Und zum Zweiten, dass wir beim Staatspräsidenten kundtun, dass wir gegen Neuwahlen sind. Gleichzeitig Mattarella aber unser Vertrauen und jegliche Unterstützung zusagen. Das waren die zwei Abstimmungen, die es am Montag in der Partei gab.
 
Hätten Sie als Vorsitzende der Autonomiefraktion in der Aula gern das Wort ergriffen?
 
Ja. Die Lage in der Fraktion ist so: Wir sind acht Personen. Davon sind sechs – einschließlich meiner Person – PD- und Mitte-Links-Bündnis orientiert und zwei – meine beiden Kollegen Meinhard Durnwalder und Dieter Steger – sind eher Mitte-Rechts orientiert. Natürlich führt das manchmal zu unterschiedlichen Auffassungen.
 
Das heißt die Partei hat Ihnen einen Maulkorb angelegt?
 
Nein. Als Präsidentin der Autonomiegruppe kann ich mir nicht von der Partei diktieren lassen, was ich für die Gruppe in Rom zu sagen soll. Das beschließt die Gruppe für sich. Wir haben uns am Dienstag getroffen und vereinbart: Nur wenn es zur Abstimmung der Misstrauensanträge kommt, werde ich reden.
 
 
Als Präsidentin der Autonomiegruppe kann ich mir nicht von der Partei diktieren lassen, was ich für die Gruppe in Rom zu sagen soll
 
Sie werden heute um 17 Uhr als erste Fraktionssprecherin im Quirinal von Sergio Mattarella angehört. Was werden Sie dem Staatspräsident sagen?
 
Wir werden ihm sagen, dass wir jetzt Neuwahlen absolut nicht für sinnvoll erachten. Es hat in der Geschichte Italiens erst einmal Neuwahlen im Herbst gegeben. Wir sind mitten in der Bilanzsaison, wie haben gegenüber der EU wichtige Aufgaben und Auflagen zu erfüllen. Vor allem steht die Frage im Raum, ob Neuwahlen wirklich zu einer stabilen Mehrheit führen. Das meint Matteo Salvini, weil er angeblich Umfragedaten in der Hand hat. Dabei sind die Zustimmungen und die Launen der Wähler heute absolut kurzlebig. Deshalb könnte bei Neuwahlen ein ähnliches Ergebnis herauskommen wie 2018. Damals brauchten wir drei Monate um eine Regierung zu bilden. Doch das kann sich Italien in dieser Phase einfach nicht leisten. Denn dann haben wir einen provisorischen Haushalt und eine Mehrwertsteuer, die bei 25 Prozent liegt. Was für eine Grenzregion wie Südtirol ziemlich katastrophal wäre.
 
Das heißt, Sie gehen von einer Regierung "Conte bis" aus?
 
Das weiß ich nicht. Zingaretti hat heute erklärt, dass es einen klaren Bruch mit der Vorgängerregierung geben muss und Conte als Regierungschef nicht in Frage komme. Ich denke, dass der PD deshalb einen "Conte bis" kaum akzeptieren wird. Mir persönlich tut das leid. Denn ich halte Conte für einen sehr besonnenen und in seiner Art in Italien seltenen Politiker. Einen Regierungschef, der mich mit seiner Art durchaus fasziniert hat.
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Paul Schöpfer Mi., 21.08.2019 - 19:13

Antwort auf von Elisabeth Garber

Ganz so toll war die Rede von Conte auch wieder nicht. Auch wenn parteilos, so hat er sich auf die Seite der Cinquestelle gestellt und deren Minister waren, nicht nur nach Aussage unseres Landeshauptmannes, Dilettanten. Nur ein Beispiel aus der Rede: Die in dieser Art missgeborene Flat-Tax als eine Leistung der Regierung darzustellen ist ebenfalls nur reiner Populismus.

Die Rede von Salvini wird Frau Unterberger nicht angesprochen haben, da sie, mit goldenem Löffel aufgewachsen, solche Sprache nicht gewohnt ist. Wählerstimmen wird ihm seine Rede aber einbringen und das zählt. Unterberger träumt offensichtlich von einer technischen Übergangsregierung oder noch lieber von einer Regierung Cinquestelle/PD. Stol sieht in Salvini schon den großen Verlierer dieser Krise. Dabei wird verkannt, dass genau die linkslinken Träumer die Leute Salvini zu Scharen in die Hände treiben.

Ihm ist doch recht, dass erst gewählt wird, nachdem entweder eine von Europa ferngesteuerte technische Regierung oder eine Cinquestelle/PD - ebenfalls von Europa ferngesteuert und dazu noch migrantenfreundlich - die Mehrwertsteuer-Erhöhung mit schmerzhaften Maßnahmen für die Bürger abwendet. Da kann er seine Hände dann in Unschuld waschen und dem Volk weiter Märchen erzählen.

Also vielleicht mal um die Ecke denken, anstatt sich über eine vermeintliche Niederlage von Salvini zu freuen. Das beste für unsere politischen Vertreter wäre es einfach nur zu schweigen, bei allen Parteien die Türen offen zu behalten und einzig auf die Vorteile Südtirols zu achten. Das macht man hinter geschlossenen Türen und nicht über die Presse.

Mi., 21.08.2019 - 19:13 Permalink
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Manfred Klotz Mi., 21.08.2019 - 15:44

Neuwahlen würden rund 400 Millionen Euro (!) verschlingen. Mit dem Risiko, dass es trotzdem keine stabile Regierung gibt. Ich glaube nicht, dass sich Italien das leisten kann, abgesehen von den indirekten Folgen (Misstrauen der Märkte usw.).

Mi., 21.08.2019 - 15:44 Permalink
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Mensch Ärgerdi… Do., 22.08.2019 - 13:58

Eins ist sicher, egal wie man die neue Regierung nennen will, es würde sicher nicht schaden wenn di Maio und Renzi einen Schritt zurück machen würden. Man würde damit Salvinis Populismus ein Paar Zielscheiben weniger bieten.

Do., 22.08.2019 - 13:58 Permalink