Politik | Toponomastik

“Das ist ethnische Hetze”

Florian Kronbichler verurteilt Alessandro Urzìs Äußerungen zur Toponomastik-Frage als “haltlos und verfälschend”.

Arno Kompatscher hatte am Dienstag Mittag nur ein müdes Lächeln für Alessandro Urzì übrig. Am Vormittag hatte der Landtagsabgeordnete von Alto Adige nel Cuore auf einer Pressekonferenz davor gewarnt, dass mit der neuen Durchführungsbestimmung zur Toponomastik, die die 6er-Kommission in Rom diesen Freitag gutheißen soll, 56 Prozent der italienischsprachigen Ortsnamen “verschwinden” würden. “Ich weiß nicht, wie jemand auf diese Zahlen kommt”, wunderte sich der Landeshauptmann nachdem Urzì von einer “tolomeischen Retourkutsche”, von “sprachpolitischer Säuberung” und von der “Ausmerzung” von mehr als der Hälfte der italienischen Ortsnamen gesprochen hatte.

Kritik an Urzì kommt nicht nur aus Bozen. In Rom fühlt sich der Kammerabgeordnete Florian Kronbichler “verpflichtet, die Wertungen des Landtagsabgeordneten Urzì als haltlos, verfälschend und ethnische Hetze zu verurteilen” – “der Wahrheit zuliebe und im Interesse des friedlichen Zusammenlebens im Land”, schreibt Kronbichler in einer Stellungnahme. Ihm selbst wäre es am liebsten, wenn die Toponomastik-Frage so bleibe wie sie bisher war: ungelöst.

“Alle Namenzählerei und gegenseitiges Aufrechnen schafft nur Unfrieden, und davon haben wir sonst genug. Bei den vielen gut gelösten Fragen unserer Autonomie sollten wir imstand sein, mit dieser einen ungelösten Frage zu leben.”
(Florian Kronbichler)

Nichtsdestotrotz findet er lobende Worte für den Vorschlag, den die SVP der 6er-Kommission zur Verabschiedung vorgelegt hat. Auch wenn es keine absolut zufrieden stellende Lösung sei, so sei er doch “von einem Geist der Gleichheit getragen – meines Erachtens zum ersten Mal”. Geht es nach der Volkspartei, soll eine paritätisch besetzte Expertenkommission eingesetzt werden. Zwei deutsch- und zwei italienischsprachige Kommissare sollen darüber befinden, welche Namen genehmigt beziehungsweise welche gelöscht werden. Das ausschlaggebende Kriterium soll dabei die Verbreitung des Gebrauchs der Ortsnamen sein.

Kronbichler bemängelt, dass die Durchführungsbestimmung, die diesen Vorschlag beinhaltet, präzisere Vorgaben enthalten könnte. Auch bei Vorgaben, Zusammensetzung und Ernennung der beschließenden Expertenkommission seien Verbesserungen vorstellbar. ‘Sicherer’ wäre es laut Kronbichler etwa, drei Kommissare pro Sprachgruppe zu ernennen anstatt nur zwei. “Damit müsste jeder Lösung eine Mehrheit jeder Sprachgruppe zustimmen.” Doch bei allen Verbesserungsmöglichkeiten, die es noch gebe – eines steht für Florian Kronbichler fest: “Von Revanchismus, Säuberung oder auch nur Übervorteilung kann diesmal nicht gesprochen werden.”

“Alle bisherigen von der SVP, der Landesregierung und auch vom Südtiroler Landtag vorgeschlagenen Lösungen haben meines Erachtens die Empfindlichkeiten der italienischen Mitbürger nicht ausreichend berücksichtigt. Manches entsprang reinem Revanche-Denken. Das Aufrechnen von ‘geschichtlich gewachsenen’ deutschen Namen gegen ‘faschistisch erfunde’ italienische hat eine unselige Dynamik gegenseitigen Misstrauens und Beleidigens in Gang gesetzt. Aus solcher Logik ist auszubrechen.”
(Florian Kronbichler)