Politik | Masken-Skandal

„Fordern Zerzers Rücktritt“

Florian Zerzer soll von seinem Amt zurücktreten, fordert Sven Knoll. Bestätigt sieht er sich durch das Enthüllungswerk „Geschäft mit der Angst“.
Sven Knoll
Foto: STF
Mitten in der Corona-Pandemie wurde Südtirol von einem Skandal erschüttert, der ein bezeichnendes Licht auf die Verflechtungen zwischen Politik, Verwaltung und Wirtschaft wirft. Am 6. April 2020 ging Salto-Enthüllungsjournalist Christoph Franceschini mit einer Geschichte an die Öffentlichkeit, die wie eine Bombe einschlug und die Verantwortlichen des Sanitätsbetriebes, allen voran Florian Zerzer, Generaldirektor des Gesundheitsbetriebes, wie auch den damaligen Gesundheitslandesrat Thomas Widmann in gehörige Erklärungsnot brachte. Doch der Artikel „Vernichtende Gutachten“ sollte erst der Anfang sein. Eineinhalb Jahre später und 18 Monate nach Erscheinen des Polit-Thrillers „Freunde im Edelweiß“ zeichnet Franceschini gemeinsam mit seinem Co-Autor Artur Oberhofer in seinem neuesten Enthüllungswerk „Das Geschäft mit der Angst“ den Skandal bis ins kleinste Detail nach und entlarvt darin ein Narrativ, das bis heute weitergetragen wird. Die Forderung nach politischen Konsequenzen blieb nicht aus.
 
 
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Florian Zerzer, Generaldirektor des Sanitätsbetriebes: Die ersten Rücktrittsforderungen werden laut. (Foto: Sabes)
 
 
Am 5. April, einen Tag bevor Salto.bz die Geschichte über den Masken-Skandal publik machte, erhielt Sven Knoll, Landtagsabgeordneter der Süd-Tiroler Freiheit, ebenfalls eines der Gutachten, und zwar jenes des Amtes für Rüstung und Wehrtechnik in Wien. „Wir haben damals sofort darauf reagiert und die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses  verlangt, welcher auch genehmigt worden ist“, so Knoll auf Nachfrage von Salto.bz. Unmittelbar anschließend habe man darauf hingewiesen, dass es fahrlässig sei, die Mitarbeiter im Sanitätsbetrieb nicht über die mangelhafte Ausrüstung zu informieren, die keinen ausreichenden Schutz bieten würde.
In weiterer Folge habe man eine Eingabe bei der Staatsanwaltschaft gemacht, welche weitreichende Ermittlungen nach sich gezogen hat. Als Mitglied im Untersuchungsausschuss hatte der Landtagsabgeordnete direkten Einblick in die Tätigkeit dieses Gremiums, das im April 2020 die Arbeit unter dem Vorsitz von Franz Ploner, Landtagsabgeordneter des Team K, aufgenommen hat. Mehr als 70 Personen wurden während der einjährigen Untersuchungsarbeit befragt, die sich, wie Knoll berichtet, mehr als nur schwierig gestaltet hat. „Wir wollten nämlich auch die Mitglieder der Landesregierung befragen. Diese haben sich jedoch geweigert, im U-Ausschuss auszusagen“, so der Abgeordnete, der schwere Vorwürfe gegen den Direktor des Sanitätsbetriebes, Florian Zerzer, erhebt. So etwa, dass er mit der Gesundheit der Mitarbeiter gespielt habe, weil er es unterlassen habe, sie über die Risiken durch das Tragen dieser Schutzkleidung zu informieren.
 
 
Wilde Sachen sind damals passiert.
 
 
Wie man im Rahmen der Befragungen zudem erfahren habe, seien zur Anhörung vorgeladene Ärzte eingeschüchtert worden. Einer von ihnen, Andreas Tutzer, sei sogar regelrecht bedroht worden. „Wilde Sachen sind damals passiert“, stellt Knoll fest. Durch die Veröffentlichung des Enthüllungsbuches jedenfalls sehe man sich bestätigt, wobei man seinerzeit massiv für die vorgebrachte Kritik attackiert worden sei. „Ich selbst wurde von Heiner Oberrauch telefonisch kontaktiert, und auch von Seiten der SVP wurde immer wieder beanstandet, dass die Presseaussendungen der Süd-Tiroler Freiheit die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen des Sanitätsbetriebes verunsichern würden“, erklärt der Abgeordnete der Süd-Tiroler Freiheit, für den in diesem Skandal zwei Aspekte wesentlich sind. Zum einen die Überzeugung, dass Florian Zerzer aufgrund seiner fahrlässigen Handlungsweise zurücktreten müsse. „Es gibt aber auch eine politische Verantwortung und die trägt der Landeshauptmann als Chef der Landesregierung“, so Knoll. Grundsätzlich zeige die Art und Weise, wie Steuergelder verschwendet und mit den Mitarbeitern umgegangen worden ist, ein System auf, das jeden nachdenklich stimmen müsste. In einem kleinen Land wie Südtirol, wo jeder jeden kennt, sind Verflechtungen zwischen der öffentlichen Verwaltung und der Privatwirtschaft nichts Ungewöhnliches. Ein solches Umfeld bietet allerdings die besten Voraussetzungen für derartige Skandale.
 
 
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Sven Knoll, Landtagsabgeordneter der Süd-Tiroler Freiheit: „Es gibt aber auch eine politische Verantwortung und die trägt der Landeshauptmann als Chef der Landesregierung.“ (Foto: Seehauserfoto)
 
 
 
„Ich persönlich habe dem Unternehmen OberAlp nie einen Vorwurf gemacht, dass die gelieferten Materialien nicht den Normen entsprochen haben. Ich glaube nicht, dass das aus böser Absicht passiert ist. Ich mache den Verantwortlichen aber zum Vorwurf, dass sie völlig falsch mit dieser Situation bzw. mit der ‚Schrott-Lieferung‘ umgegangen sind“, so Knoll. Vernichtende Gutachten seien anfangs ignoriert, dann verschwiegen worden. Obwohl man bereits über die Mängel Bescheid gewusst habe, seien die Masken und die Schutzbekleidung dennoch an das Österreichische Rote Kreuz, an Bedienstete des Südtiroler Sanitätsbetriebes und in Altenheimen verteilt worden. „Das war natürlich grob fahrlässig!“, so Knoll. Das Schlimme und Traurige an dieser Geschichte sei zudem, dass niemand bereit ist, die Verantwortung zu übernehmen. „Am Dienstag besitzt Direktor Zerzer die Frechheit, Medienvertretern zu erklären, dass er alles genauso wieder machen würde. Als er von uns in den Untersuchungsausschuss vorgeladen wurde, hat er sich jedoch geweigert, auf meine Fragen zu antworten“, betont der Landtagsabgeordnete, der dem Sanitätsdirektor jegliche Kompetenz abspricht. Man habe damals seinen Rücktritt gefordert und nun werde man durch die Veröffentlichung des Buches bestätigt.