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Politik | Klimaschutz

Unterlassener Klimaschutz wird teuer

Oft werden Energiewende und aktiver Klimaschutz als teure Last betrachtet, doch übersteigen die Nutzen letztendlich deutlich die Kosten, so das DIW.
Hinweis: Dieser Artikel ist ein Beitrag der Community und spiegelt nicht notwendigerweise die Meinung der SALTO-Redaktion wider.
Waldschäden durch Borkenkäferbefall in Ulten
Foto: Thomas Benedikter
  • Dies ist kein bloßer frommer Wunsch der Klimaschützer, sondern ein Ergebnis von zwei Jahrzehnten Klimakostenforschung, in Deutschland betrieben beispielweise vom DIW. „Aktuelle Studien zu den Folgen des Klimawandels bestätigen frühere Projektionen zu den künftigen Klimakosten“, so die prominente Klimaforscherin Claudia Kemfert, „Dabei zeigt sich auch, dass die Nutzen von Klimaschutzmaßnahmen deutlich über deren Kosten liegen.“ Allein 2022 sind global 520 Mrd. USD an Brennstoffkosten eingespart worden. Deutschland hat sich 2022 bis zu 25 Mrd. Euro an Energieimporten erspart. Neben diesen Einsparungen durch den Einsatz erneuerbarer Energien, die importierte fossile Energie ersetzen, schlagen ersparte Gesundheitskosten (8-12 Mrd. Euro) stark zu Buch. Auf ganz Europa bezogen senkte der Ausbau der Wind- und Photovoltaikanlagen 2021-2023 die Kosten der Stromversorgung um rund 100 Mrd. Euro.

    Auf der anderen Seite sind im Zeitraum 2000 bis 2021 bereits messbare Klimaschäden von 145 Mrd. Euro eingetreten, ohne alle Schäden überhaupt erfassen und beziffern zu können, wie etwa bei der Artenvielfalt. Die systematische ökonomische Bewertung des Klimawandels hat in Deutschland bereits vor 20 Jahren begonnen. Heute, so Kemfert, liegen die Kosten der Prävention, also des aktiven Klimaschutzes, unter den gesichert zu erwartenden, messbaren Klimaschäden. In der gesamten EU beliefen sich die messbaren Extremwetterschäden von 1980-2023 auf 738 Mrd. Euro. Dabei machten Überschwemmungen mit 44% den größten Teil, Stürme den zweitgrößten (29%) und Hitzewellen den drittgrößten (19%) Teil aus.

    In der EU sind Italien und Spanien durch die Klimakrise am stärksten betroffen, so Greenpeace in einem Report zu den Klimawandelschäden in Italien. Italien wird 2025 mindestens 12 Mrd. Euro an Schäden infolge der Erderhitzung zu beklagen haben, die sich bis 2029 voraussichtlich auf 34 Mrd. Euro verdreifachen werden (1,75% des BIP Italien). Allein in der Lombardei sind Schäden von 2,5 Mrd. Euro eingetreten, auch in Südtirol sowohl in der Landwirtschaft als auch großflächig beim Wald infolge der Ausbreitung des Borkenkäfers in Zusammenhang mit der Trockenheit.

    Selbst wenn die Treibhausgasemissionen sofort gestoppt würden, werden sich in den kommenden Jahrzehnten massive Schäden durch den schon erzeugten Klimawandel auftürmen. Für Deutschland schätzt das DIW dieses Schadensausmaß auf 280 bis 900 Mrd. Euro bis 2050. Dabei gibt es noch erhebliche Unsicherheiten, vor allem aufgrund der Kippelemente im Klimasystem. Werden diese überschritten, kann es zum sprunghaften Anstieg der Extremereignisse mit weit mehr Schäden kommen.

    Welche Kosten und Investitionen erfordert andererseits der aktive Klimaschutz? Hier geht es vor allem um die Energiewende: alle Arten von Anlagen für den Einsatz erneuerbarer Energie, der Ausbau der Infrastrukturen der Energieversorgung von der Erzeugung über die Leitungsnetze bis zu den Speichersystemen, die Investitionen in die fossilarme E-Mobilität und Gebäudeheizung wären die größten Brocken. 

    Bei den eingesparten Kosten durch Klimaschutzmaßnahmen – so das DIW – sind vor allem drei messbare Nutzenkategorien maßgeblich: vermiedene Brennstoffkosten durch Ersatz der fossilen Energieträger, reduzierte Gesundheitsschäden und verringerte gesamtwirtschaftliche Kosten durch reduzierte Importabhängigkeit. Letzteres gilt allerdings nur dann, wenn die Energiewende konsequent verfolgt wird und nicht eine Abhängigkeit von außen (Öl und Gas aus Russland) durch eine neue Abhängigkeit von außen (LNG aus Nordamerika, Nordafrika und den Golfstaaten) ersetzt wird. 

    Warum sinkt dann der Strompreis nicht stärker? Weil zum einen die Preise von Öl, Kohle und Gas auch infolge des Ausstiegs aus den Lieferungen aus Russland gestiegen sind. Zum anderen, weil die Stromerzeuger gewaltige Summen in den Umstieg und in die Infrastruktur investieren müssen. Das gilt auch für die ALPERIA und für Südtirol als Gesamtsystem. Es geht im Kern um die Resilienz des Südtiroler Energiesystems und um die bei uns noch nicht erreichte bilanzielle Selbstversorgung mit erneuerbarer Energie (weiche bilanzielle Autarkie). Doch gegen den geplanten, aber zügigen Ausstieg aus dem Gas wehren sich in Südtirol bekanntlich die öffentlich getragenen , die ihre Gewinne gefährdet sehen. Doch wenn weniger Geld für den Import von Öl und Gas abfließt, bleiben mehr Mittel im landesinternen Wirtschaftskreislauf, sofern sie nicht für überflüssigen Luxusimport verpulvert werden oder in Stahl und Beton für das nächste klimaschädliche Großprojekt fließen. 

    Klimawandelskeptikern und Kritikern einer aktiven Klimaschutzpolitik ist das viel zu wenig bewusst: präventiver Klimaschutz nutzt nicht nur dem Klima und erfüllt unsere Verantwortung, gemeinsam mit allen anderen Regionen als Teil eines Industrielandes mit hohem Treibhausgasausstoß die Pariser Klimaziele einzuhalten, sondern hat auch handfeste volkswirtschaftliche Vorteile. Nur abzuwarten, das lässt auch die zukünftigen Kosten der Anpassung an den Klimawandel steigen.