Gesellschaft | Protest

Gegen die Bettelgegner

In Eppan hat sich eine Gruppe von Bürgern formiert, die sich gegen das dortige Bettelverbot ausspricht. Es sei "nicht tragbar", heißt es in einer Einladung zum Protest.

“Na, schon wieder diese ganzen Schwarzen.” Kopfschüttelnd entfernt sich die ältere Dame, nicht ohne einen teils entsetzten, teils skeptischen Blick auf die beiden jungen Afrikaner zu werfen, die durch die Altstadt spazieren. Die jüngst in Bozen beobachtete Szene dürfte kein Einzelfall sein. Heftiger fallen die Reaktionen zum Teil aus, wenn die Personen, die schon “anders” aussehen auch noch um Geld bitten. Es gibt Menschen, die sich davon gestört oder gar belästigt fühlen. Und es gibt Menschen, die das wiederum nicht problematisch sehen. Wie etwa in Eppan. Dort gilt seit fünf Wochen ein weitreichendes Bettelverbot. Nun haben sich einige Bürger zusammen getan, um dagegen zu protestieren.


Nachdenken...

Es war der 26. November 2015 als die 25 anwesenden Gemeinderäte in Eppan den Beschluss Nr. 94/2015 absegneten. Eingereicht hatten den Antrag mit dem Titel “Einschränkung der Ausübung der Bettelei im Gemeindegebiet” fünf Räte der SVP Eppan. 14 Ja, 3 Enthaltungen und 11 Nein gab es dafür. Gegen die Einführung eines umfassenden Bettelverbots stimmte auch Bürgermeister Wilfried Trettl. Dessen Bürgerliste regiert gemeinsam mit der SVP und dem PD. Im Mai 2014 waren es noch Trettl und seine Bürgerliste selbst gewesen, die ein Bettelverbot “vor offen zugänglichen Gebäuden und auf Parkplätzen sowie bei Veranstaltungen” gefordert hatte. Aufgrund von Beschwerden aus der Bevölkerung und “zum Schutze aller Bürger”, lautete die Begründung damals.

In einem offenen Brief an die Bürgerinnen und Bürger seiner Gemeinde begründete Wilfried Trettl sein “Nein” zum SVP-Antrag vergangenen November. Kurze Zeit nachdem dieser genehmigt wurde, schrieb der Eppaner Bürgermeister: “Ich habe gegen diesen Beschlussantrag gestimmt. Mir ist die Problematik, die durch Bettelei entstehen kann, durchaus bewusst. Aber Betteln ist ein Grundrecht des Menschen. (…) Wenn jemand von einem Bettler belästigt wird, kann er auch ohne Verordnung die Ortspolizei verständigen. Ob sich jemand überhaupt belästigt fühlt, das erlebt jeder anders. Und es steht jedem frei, etwas zu geben oder nicht. (…) Der Beschlussantrag ist vom Gemeinderat schließlich angenommen worden. Man sieht es als Signal für die Bevölkerung an, dass die Gemeinde in dieser Hinsicht etwas tut. Ich hoffe nicht, dass dann andererseits über zu viel Polizeipräsenz geklagt wird! Aggressives Verhalten erlebe und beobachte ich persönlich weniger bei den Bettlern, als vielmehr bei so manchem Mitbürger/mancher Mitbürgerin (…). Auch darüber sollte man nachdenken!


...und hinschauen

Seit 13. Dezember ist das Bettelverbot in der Gemeinde Eppan nun in Kraft. “Fünf Wochen, in denen keine Beschwerden wegen aggressivem Betteln eingegangen sind”, berichtet eine Gruppe von Bürgern, die sich zusammengeschlossen haben, um gegen das Verbot aufzubegehren. Am morgigen Samstag, 23. Jänner, wird es zwischen 10 und 12 Uhr eine Info- und Protestveranstaltung am Hauptplatz von St. Michael/Eppan geben. Die Initiativgruppe erklärt, aus welchem Grund: “Unter dem Deckmantel gegen aufdringliches Betteln vorgehen zu wollen, wurde das Bitten um Almosen in den gesamten Dorfzentren verboten. Frei nach dem Motto: Aus den Augen, aus dem Sinn. Ein solches Verbot ist für uns nicht tragbar und verstößt gegen die elementarsten Menschenrechte.”

Armut kann man nicht verbieten!
(Initiativgruppe gegen das Bettelverbot in Eppan)

Es gehe nicht an, dass Menschen wie dem 27-jährigen Solomo verboten werde, in der Nähe eines Geschäfts, eines Parkplatzes oder einer Bushaltestelle zu betteln. Vielmehr, so die Veranstalter, solle man sich die Frage stellen, wer diese Menschen sind, denen es nun “bei Strafe verboten ist, uns um Almosen zu bitten”. Denn bevor man Menschen beurteile, verurteile oder bestrafe, sollte man ihren Namen und ihre Geschichte kennen. Drei davon lässt die Initiativgruppe gegen das Bettelverbot in Eppan die Betroffenen selbst erzählen:

Foto: Initiativgruppe gegen das Bettelverbot in Eppan

Ich bin Solomo,
bin 27 Jahre alt und komme aus Nigeria. Seit 5 Jahren bin ich in Italien, ich lebe in Verona. Ich bin Christ und musste deshalb vor Boko Haram, die Christen ermorden, fliehen. Ich suche Arbeit, früher war ich Elektriker. Ich bin auf das Betteln angewiesen, damit ich die Miete von 250 Euro bezahlen kann. Ich bettle nur für mich, habe keinen Boss, dem ich das Geld abgeben muss. Ich komme mit dem Zug und dem Bus aus Verona, manchmal übernachte ich am Bahnhof in Bozen.

Foto: Initiativgruppe gegen das Bettelverbot in Eppan

Sono Kisly John
del Nigeria, ho 24 anni. Sono Cristiano ed ho dovuto fuggire dal Boko Haram (esercito terrorista) perché uccidono Cristiani. Vivo a Verona in un appartamento e devo pagare 250 euro di affitto. Sono obbligato a mendicare perché non trovo lavoro. I soldi donati sono solo per me. Ho il permesso di soggiorno in Italia. Vengo quasi tutti i giorno col treno e l’autobus ad Appiano, perché la gente di Appiano mi tratta bene.

Foto: Initiativgruppe gegen das Bettelverbot in Eppan

Ich bin Christopher
(30 Jahre) aus Nigeria und Ingenieur. Ich musste im September in Bozen den Zug verlassen und habe hier Asyl beantragt. Die Aufnahmeeinrichtungen waren überfüllt, und ich musste mit einer Decke ausgestattet auf der Straße schlafen. Bis Weihnachten habe ich, wie viele andere auch, irgendwo im Bahnhofsareal übernachtet. Jetzt komme ich nachts in der Lemayer-Halle in Bozen unter. Tagsüber suche ich einen warmen Ort, bis es draußen warm genug ist, um betteln zu gehen. Ich habe keine andere Möglichkeit, da wir, bis man in einer Einrichtung unterkommt, keine Unterstützung bekommt. Ich möchte am liebsten arbeiten.

Die samstägliche Informations- und Protestaktion soll laut Organisatoren “ein Zeichen für das Zusammenleben und gegen Ausgrenzung sein, ein Zeichen, dass nicht alle Eppaner Bürgerinnen und Bürger arme Menschen als belästigend empfinden”. Mit dabei werden übrigens auch Solomo und andere vom Bettelverbot Betroffene sein.