Torta di Rose
Ein Geheimtipp, der eigentlich keiner mehr ist: Seit Riccardo Camanini, zuvor Chefkoch in der renommierten "Villa Fiordaliso", vor weniger als drei Jahren das "Lido 84" in Gardone übernommen hat, genießt er in jenen italienischen Foodblogs, für die Kreativität mehr ist als nur ein Verrat am "Artusi", fast schon Kultstatus. Auch der "Espresso" zeichnet ihn bereits mit 18 Punkten bzw. nunmehr "tre cappelli" aus - eine Bewertung, die in Südtirol bisher nur das "St. Hubertus" erreicht hat. Weil sich aber der Michelin bislang zurückhielt (ein Stern), ist Camanini für viele kulinarisch Interessierte immer noch ein eher unbeschriebenes Blatt - und das hat sich selbst dann nicht geändert, als im Vorjahr der große Alain Ducasse kundtat, die "Spaghettoni con burro e lievito di birra" im Lido 84 seien tout court das Beste gewesen, was er je gegessen habe.
Meine Erwartungen waren also hoch, und ich wurde nicht enttäuscht. Camanini hat einen Stil entwickelt, der sich noch am ehesten - und sicher am Banalsten - als ganz individuelle Mischung aus Tradition und Moderne bezeichnen ließe; allerdings nicht nur der italienischen Tradition, sondern ganz bewusst auch der französischen, wie etwa in der "Lepre al cucchiaio", einer Hommage an die klassische "Lievre royale", oder in seinen Saucen auf der Basis von Kalbsknie und Kollagen. "Modern" ist er dagegen in der behutsamen Verwendung japanischer Stilemente, in einigen Kochechniken und in der Vorliebe für einfache Zutaten ("materie prime povere", wie es so schön heißt) mit Anklängen an Lopriore oder Parini - die Lieblinge der italienischen Avantgarde, die vom Michelin nach wie vor verschmäht werden. Texturas, Espumas und flüssigen Stickstoff sucht man dagegen vergebens, wie immer man dazu auch stehen mag.
Wir wählten diesmal das Menü "I classici"; auf die kreativere Variante ("Oscillazioni") freue ich mich bei meinem nächsten Besuch, der im Übrigen so sicher kommen wird wie die tägliche Pressemitteilung von Andreas Pöder. Nach einigen eher unspektakulären "stuzzichini" zum Aperitiv und einem hervorragendem Amuse-Gueule (Kürbiscreme mit Sternanis) folgten: