Foto: upi
Politik | Korruption
Fine della purezza
Die Verhaftung von Marcello De Vito stellt für die Fünf-Sterne-Bewegung einen schweren, nahezu unverdaulichen Schlag dar. Denn der 44-jährige Präsident des römischen Gemeinderates gehört zum Urgestein der Grillini. Zu jenen, die in der Hauptstadt Aufbauarbeit leisteten, als die Cinque Stelle in den meisten Regionen noch nahezu unbekannt waren und Beppe Grillo als Galionsfigur wirkte Bereits 2013 bewarb er sich um das Bürgermeisteramt, verlor die Wahl aber gegen den PD-Kandidaten Ignazio Marino. In der Bewegung gebärdete sich der erste M5S-Fraktionschef am Kapitol stets als eine Art Robespierre. "Ognuno deve prendere una parte della propria vita e dedicarla agli altri", predigte der enge Freund der römischen Fundamentalistin Roberta Lombardi. Es war Beppe Grillo, der De Vito zum Einstieg in die Politik überredete. Schon damals bekundete dieser sein Interesse für jenes Fachgebiet, das ihm nun zum Verhängnis wurde: "Da avvvocato esperto nel settore degli appalti pubblici da 10 anni penso di essere utile soprattutto in questa istituzione." An grossen Sprüchen hat es De Vito nie fehlen lassen. "A Roma faremo una raccolta differenziata al 60 per cento e senza inceneritori e discariche". Er kündigte einen "formidabile attacco all'abusivismo edilizio" an und versprach, die Stadtpolizisten von ihren Schreibtischen wieder in Romas chaotischen Stadtverkehr abzukommandieren."
Mittlerweile sitzt er wegen "corruzione e traffico di influenze illecite" im römischen Regina Coeli-Gefängnis – genau wegen jener Vergehen, deren Ausmerzung die Bewegung auf ihre Fahnen geschrieben hat. Die Ermittler werfen De Vito vor, von mehreren Bauunternehmern für die Errichtung des neuen Stadions und des Grossmarkts mindestens 400.000 Euro an Schmiergeldern kassiert zu haben. Mit ihm in Haft: sein Kollege Camillo Mezzacapo, Mitbesitzer der gemeinsamen Anwaltskanzlei, die offenbar eine wichtige Drehscheibe bei den Verhandlungen zwischen Gemeinde und Bauunternehmern war. "Marce', dobbiamo sfruttarla sta cosa, secondo me, ci rimangono due anni," freut sich Mezzacapo in einem der vielen abgehörten Gespräche.
Der Fall De Vito erinnert stark an die Affäre um Luca Lanzalone, jenen Anwalt, der Bürgermeisterin Raggi von den Ministern Fraccaro und Bonafede als Berater empfohlen worden war und der anschliessend zum Präsidenten des römischen Wasser- und Elektritätswerks ernannt wurde. Auch er wurde 2018 wegen derselben Vergehen festgenommen, das Gerichtsverfahren gegen ihn hat vor wenigen Wochen begonnen.
Damit nicht genug: am Donnerstag erhielt der römische Stadtrat und Raggi-Intimus Daniele Frongia einen Ermittlungsbescheid wegen Korruption.
Der Stadtrat für Sport gilt als wichtigster Vertrauensmann und Berater der erfolglosen Bürgermeisterin, die nach ihrem Dienstantritt nahezu alle Assessoren ausgewechselt hat - einige davon bis zu drei Mal.
Die Ereignisse in Rom bestätigen, was Beobachter der politischen Szene längst wissen: Dass die Fünf-Sterne-Bewegung ihren Anspruch eingebüsst hat, eine neue, unverbrauchte und unbestechliche Bewegung zu sein. Das hat sich am Donnerstag im Senat bestätigt, wo die Grillini Innenminister Salvini vor einem Gerichtsverfahren bewahrten und damit eines ihrer Grundprinzipien opferten, dass sich kein gewählter Volksvertreter der Justiz entziehen darf. Andere Grundsätze wurden bereits früher preisgegeben: nach der (desaströsen) Wahl in Sardinien verkündete Luigi Di Maio, dass er den Vorsitz in der Bewegung für weitere vier Jahre ausüben werde. Und opferte gleichzeitig ein weiteres Prinzip: die Beschränkung auf zwei Mandate.
Der von Di Maio theatralisch verkündete Ausschluss De Vitos kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass diese Bewegung in ihrer Machtausübung mittlerweile alle anderen Parteien eingeholt hat. Die noch vor wenigen Jahren vor dem Parlament erklungenen onestá, onestà-Chöre scheinen eine ferne Reminiszenz.
Bitte anmelden um zu kommentieren