Politik | Aus dem Blog von Silvia Rier

Was für ein Wochenende!

Unser Staat hat einen neuen alten Präsidenten in einem völlig verwüsteten und insofern vielleicht doch bald völlig neuen politischen Umfeld; unser Land hat einen neuen jungen Landeshauptmann, in einem ziemlich stabilen und also wahrscheinlich doch eher alten politischen Umfeld. Dass sich was ändert, gilt als fix, oder?
Hinweis: Dieser Artikel ist ein Beitrag der Community und spiegelt nicht notwendigerweise die Meinung der SALTO-Redaktion wider.

Zwar: Auf stol.it hat man heute die Meldung vom Erdrutschsieg des Arno Kompatscher mit einem sehr schönen Foto des Protagonisten aufgemacht: Es zeigt einen gelösten, unverkrampften und unverstellten Kompatscher, einen, dem man den viel beschworenen Wandel durchaus zutrauen möchte, auch wenn der jetzt nur noch "moderat" sein soll (und das VOR den Wahlen! Da stehen die Chancen wohl nicht schlecht, dass nach den Wahlen doch vielleicht wieder alles beim Alten bleibt?). Bleibt: Zu hoffen. Für die, die ihn gewählt haben und all ihre Hoffnungen in ihn setzen, aber auch für alle anderen, die, die ihn nicht gewählt haben, aber trotzdem große Hoffnungen mit ihm verbinden.

In dem Zusammenhang bleibt ein spitzer Stein im Schuh, und er quält: Von etwa 400.000 (!) wahlberechtigen Südtirolern haben nur knapp 20.000 (!!) dafür gestimmt, Arno Kompatscher als Spitzenkandidat auf die Liste ihrer Partei zu stellen: Weitere knapp 20.000 hätten ihn wählen können, haben's aber nicht getan. Die anderen 360.000 hätten vielleicht gern mitgewählt, an ihrem Landeshauptmann, durften aber nicht und werden aber gleichwohl von ihm regiert werden. Gewählt werden sollte also der Spitzenkandidat der SVP-Liste, gefeiert wird heute ziemlich allenthalben und recht euphorisch: Der neue Landeshauptmann.

Lassen sich – und falls ja: wie? - der moderne, selbstbewusste, "weltoffene" junge Mann, als der er sich gerne präsentiert (und wie es ihn auch zu geben scheint, nicht immer aber vielleicht doch immer öfter) und diese doch recht eklatante Unverhältnismäßigkeit seiner Wahl überhaupt auf einen gemeinsamen Nenner bringen?

Ich bin gespannt, nicht gerade zum Zerreißen, aber schon doch ziemlich.

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Harald Knoflach Di., 23.04.2013 - 08:14

zunächst muss ich sagen, dass ich deinen schreibstil amüsant finde. liest sich locker leicht.
zur frage der geschlossenen vorwahlen bin ich allerdings anderer meinung und kann dies auch in einem demokratischen und politikwissenschaftlichen sinne begründen.
dass die svp die stärkste kraft im lande ist und aller wahrscheinlichkeit nach auch in den kommenden jahren den landeshauptmann stellen wird, ist nicht ihre "schuld" sondern die der wählerinnen und wähler im land. die svp ist eine interessensvertretung, eine art verein, die ein angebot macht, das man annehmen oder ablehnen kann. wie alle anderen parteien auch. es wäre aber doch irgendwie bizarr, wenn z.b. der unternehmerverband einen neuen präsidenten wählt und dabei auch die arbeitnehmer mitstimmen dürften. oder wenn der neue gewerkschaftschef auch von den unternehmern und bauern und allen anderen mitbestimmt wird. der vereinspräsident eines fussballclubs wird auch nicht von den mitgliedern der gegnerischen mannschaften gewählt.
arno kompatscher daraus also einen strick zu drehen und ihm zu unterstellen, dass die demokratische legitimation mangelhaft ist, da ihn 360.000 bei den vorwahlen nicht wählen durften, ist für mich etwas abstrus.
bei den vorwahlen der svp wird zwar mit ziemlich großer wahrscheinlichkeit der kommende landeshauptmann gewählt, aber es sind und bleiben interne entscheidungsfindungen einer interessensvertretung. thomas benedikter meinte einmal "wahrscheinlichkeit ist keine politische kategorie". daher halte ich die forderung nach "teilhabe" an den svp-basiswahlen für ein missverstehen demokratischer prozesse.

Di., 23.04.2013 - 08:14 Permalink
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Sylvia Rier Di., 23.04.2013 - 09:09

Antwort auf von Harald Knoflach

Danke, Harald, für die Blumen wegen meines amüsant-locker-leichten Schreibstils (das Leben ist hart genug); das ist sehr freundlich von dir. Bezüglich der "Schuld" (davon habe ich zwar nie gesprochen, übernehme den Begriff hier der Einfachheit halber) sind wir uns einig. Ganz bei dir. Ob es bizarr wäre, wenn der Unternehmerverband bei der Präsidentenwahl auch die Arbeitnehmer mitbestimmen lässt? Bizarr? Nicht wirklich (bescheidene Meinung). Vielmehr: Warum nicht? Und überhaupt je nachdem, wie sehr die Arbeitnehmer vom Unternehmerverbandspräsidenten "tangiert" werden - oder nicht? Im Gegenteil, ich finde, das sagte doch ganz außerordentlich positive Dinge aus über den Unternehmerverband (steht hier für alle anderen von dir gelisteten). Mag sein, dass es IST, wie du es sagst - aber das heißt doch noch lange nicht, dass es so auch richtig ist, oder? Der Vereinspräsident (vergleichst du hier Äpfel mit Birnen?) eines FC schließlich ist Präsident über seine 11 Mannen (sind doch 11, oder :-) ?), und nicht auch über die des Gegners, richtig? Der Südtiroler Landeshauptmann allerdings ist Präsident auch aller anderen. Ich weiß es nicht (Betonung auf weiß es nicht), aber irgendwie will mir scheinen, dass diese Art der Entscheidungsfindung noch aus einer anderen Zeit kommt und den heutigen Gegebenheiten schlicht nicht (mehr) gerecht wird?! Darüberhinaus will und kann ich "abstrus" nicht bestreiten, in politischen Dingen, musts, dos & donts bin ich ungefähr so beschlagen wie im Fußball... Nicht zuletzt: Ich? Arno Kompatscher "einen Strick drehen"? Du überschätzt mich, mehr als nur maßlos :-) Wie käme ich dazu, wer bin ich, was hätte ich davon? Nichts läge mir ferner. Er hat das System im Übrigen ja nicht erfunden, aber: Er trägt es mit, ein junger Politiker, ein "altes" System, darf ich das so sagen, ganz ohne Anspruch auf Wandel und Erneuerung; und hätte doch (darin sind wir uns vermutlich einig, nicht nur du und ich) sehr viel mehr als nur das Zeug dazu, auch aus einer "richtigen" Wahl (häng dich bitte nicht an meiner Wortwahl auf...) als Erdrutschsieger hervorzugehen. Das würde sich doch schon mal ganz anders anfühlen, findest du nicht auch, für einen Landeshauptmann? "Interne" (!!!) Entscheidungsfindungen sind es eben nicht, bzw. dann doch nicht mehr, wenn sie das "extern" maßgeblichst beeinflussen?! Aller Rest, wie du's sagt, wird schon so sein, aber: Ist es so richtig? Und: Muss es so bleiben?

Di., 23.04.2013 - 09:09 Permalink
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Sylvia Rier Di., 23.04.2013 - 13:09

ist mir gerade nachgelaufen... (dein Titel!) du sprichst ja von den Vorwahlen! Okay, dann ist's wohl richtig, wie du's sagst, nichts dagegen einzuwenden - sorry für die falschen Töne!

Di., 23.04.2013 - 13:09 Permalink
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Harald Knoflach Di., 23.04.2013 - 20:32

Antwort auf von Sylvia Rier

jetzt verwirrst du mich. du sprichst doch auch von den vorwahlen. die svp-basiswahlen sind vorwahlen. die richtigen wahlen sind, wenn wir alle ran dürfen im herbst.
was ich schon gut finde, ist eine direktwahl des landeshauptmannes bzw. der landeshauptfrau. dann könnten wir tatsächlich alle mitbestimmen. für gewöhnlich wird in unseren systemen zwar nur die legislative gewählt aus der heraus dann meist die exekutive erwächst, aber warum sollte man nicht auch die exekutive direkt wählen. die amerikaner machen das ja auch und ich finde das nicht schlecht.

zu offenen vorwahlen noch mal ein gedanke.
in den usa gibt es sowohl offene als auch geschlossenen vorwahlen (wie die basiswahl der svp, bei der nur mitglieder zugelassen waren) zur bestimmung z.b. der präsidentschaftskandidaten. das problem bei offenen vorwahlen ist folgendes: wenn zwei parteien ungefähr gleich auf sind und dann offene vorwahlen machen, können die anhänger der gegnerischen partei absichtlich die jeweils schwächeren kandidaten der anderen partei unterstützen um die gegner bei der "richtig wahl" dann zu schwächen, indem diese mit einem schwachen kandidaten antreten müssen. ist das richtig oder zielführend frage ich dich?
natürlich hat die svp kaum zu befürchten, dass ihre gegner massiv den schwächeren kandidaten unterstützen, der dann in der richtigen wahl gegen einen oppositionskandidaten verliert. aber wo ziehe ich da die grenze? nur weil die svp (derzeit) unangefochten ist, soll sie offene vorwahlen machen. ist dann irgendwann mal zu befürchten (aus sicht der svp), dass auch eine andere partei den landeshauptmann stellt, können sie das risiko offener vorwahlen nicht mehr eingehen.
ich finde, geschlossene vorwahlen, wie sie die svp jetzt veranstaltet hat, sind demokratiepolitisch korrekter und fairer.

Di., 23.04.2013 - 20:32 Permalink
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Sylvia Rier Di., 23.04.2013 - 21:10

Antwort auf von Harald Knoflach

Ja, von den Vorwahlen hatte ich gesprochen, richtig, bin aber unter dem Strich bei den Wahlen rausgekommen (hab's wohl schlecht formuliert). Schau nochmal hier, zweiter Absatz, letzter Satz bei mir: "Gewählt werden sollte also der Spitzenkandidat der SVP-Liste, gefeiert wird heute ziemlich allenthalben und recht euphorisch: Der neue Landeshauptmann." Denn es war ja "nur" die Vorwahl der SVP, und doch wird Kompatscher überall als der neue Landeshauptmann gefeiert. Ich vergönn's ihm, per carità, aber richtig finde ich's trotzdem nicht und glaube schon, dass jedenfalls die direkte Wahl der Landeshauptfrau/des Landeshauptmannes (ladies first :-) der fairere und m. E. auch bessere Weg wäre. ---- Vorausgesetzt, ich habe deine Ausführungen zur offenen Vorwahl richtig verstanden, nein, scheint mir nicht sinnvoll, andererseits, wenn es so etwas gibt, dann muss es wohl noch einen anderen Sinn haben als den, den du oben skizzierst?? Dein letzter Satz: Ja :-) aber auch und noch einmal: Sehr viel weniger bis gar nicht wenn der Sieger der geschlossenen Vorwahl einer Partei und mit nur 20.000 Stimmen aus einer Bevölkerung von 400.000 Wählern automatisch auch schon der Landeshauptmann ist (danke übrigens für deine Aufklärungsarbeit in Sachen open/closed politix & primaries :-)

Di., 23.04.2013 - 21:10 Permalink
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Harald Knoflach Di., 23.04.2013 - 21:50

Antwort auf von Sylvia Rier

ok. jetzt sind wir auf linie :-).
automatisch landeshauptmann mit 20.000 stimmen ist schon auch ein wenig übertrieben. der wahl im herbst muss sich die svp schon auch noch stellen. die wahrscheinlichkeit ist groß, dass der sieger der svp-vorwahlen der nächste lh wird. aber wahrscheinlichkeit ist wie gesagt keine politische kategorie.

Di., 23.04.2013 - 21:50 Permalink