Gesellschaft | Aufmerksamkeit

Mehr als violette Pickerlen

Wer steckt hinter der violetten Aufkleber-Flut in Bozen? Die Initiatoren melden sich zu Wort, mit einem Brief richten sie sich an die Öffentlichkeit.

Wem sind sie nicht aufgefallen, die violetten Aufkleber mit gelber Schrift, die seit einigen Wochen ganz Bozen zieren?

Foto: Facebook/Paul Bacher

Auf Müllkübeln, Türen, Laternenpfählen, Kanaldeckeln, Pflastersteinen – kein Stück öffentlicher Raum, der von den Pickerlen verschont wurde. Nicht allen gefallen sie, manch einer hat sich die Frage gestellt: “Wer wird die Beseitigung der ganzen Sticker bezahlen?” Doch noch mehr Menschen haben sich gefragt: “Wer steckt überhaupt hinter der Aktion?” Bekannt war nur der Name, den sich die Gruppe gegeben hat – “Jung in Bozen – Giovani a Bolzano” – und ihr Ziel: für eine Aufwertung der Bahnhofszone und gegen das Benko-Kaufhausprojekt. Verdächtigt wurden sowohl die Bozner Kaufleute, als auch gewisse ökosoziale Parteien, junge Leute für die Aktion zu bezahlen.

Nun haben sich die jungen Boznerinnen und Bozner mit einem offenen Brief an die Öffentlichkeit gewandt. Sie wollen sich nicht instrumentalisieren lassen:

Wir arbeiten für niemanden, wir werden von niemanden bezahlt, sind nicht parteipolitisch und werden weder am Einkaufszentrum-Projekt noch an anderen Ideen verdienen! Unsere einzige Ressource ist unsere Lust und Bereitschaft Bozen mitzugestalten. Uns geht es nur um das Wohl der Menschen, die in Bozen leben! Wir sind schließlich die Zukunft von Bozen!

Uns geht es nicht um „Benko“ oder „Zukunft Bozen“, um „Oberrauch“ oder die „Laubenkönige“, uns geht es um die Vorangehensweise: wo Entscheidungen getroffen werden, wie Bürger/innen nicht beteiligt werden, wie private Interessen vor öffentlichem Wohl stehen! Wir plädieren für eine sinnvolle, diskutierte und bedachte Stadtentwicklung! Stadtentwicklung ohne Bürger/innen kann nicht funktionieren!!

Gegen Konsum- und Machtrausch

Die Gruppe, die aus jungen BoznerInnen zwischen 17 und 26 Jahre, besteht, erzählt, warum und wie sie bisher aktiv geworden sind:

Wir haben uns mit Expert/innen getroffen, haben uns informiert, und festgestellt, dass zu viele Informationen über das Projekt nicht öffentlich präsentiert wurden. Uns selbst wurden dabei die Augen geöffnet: vieles war neu für uns, vieles stellte sich als verfälscht dargestellt dar, die Berichterstattung war meist einseitig. Davon angetrieben wuchs in uns die Motivation etwas zu verändern: wir brauchten die Aufmerksamkeit der Bevölkerung! Damit über das Einkaufszentrum wieder neu gesprochen wird, wurden wir laut!

Wir sind nicht Expert/innen für Stadtentwicklung, wir müssen keine Alternativen vorschlagen, aber wir haben Ideen und Visionen für unsere Stadt. Wir erwarten, dass die Politik und die Öffentlichkeit (junge) Menschen beteiligt, anhört und dass unterschiedliche Meinungen Platz haben. Wie sollen Jugendliche in dieser Stadt gut und gern leben, wenn die einzigen vorgelebten Werte Konsum und Macht sind?

Wir müssen den Charakter von Bozen erhalten und immer wieder neu gestalten! Der öffentliche Grund ist Lebensraum für uns, er kann und darf nicht einfach privatisiert werden! Das Wohl von Bürger/innen kann man nicht erkaufen. Das Zusammenleben von Sprachgruppen, Kulturen, von Menschen ist kein „Geschäft“.

Die Zukunft von Bozen geht also alle etwas an – und vor allem ihre jungen BewohnerInnen, sind sich diese sicher. Über soziale Medien und ihre neu eingerichtete Webseite wollen die Mitglieder von “Jung in Bozen – Giovani a Bolzano” in Zukunft die Öffentlichkeit über ihre Tätigkeiten informieren. Sie versprechen:

Wir werden uns für unsere Stadt weiterhin einsetzen, wir werden laut sein und für manche vielleicht auch unangenehm! Wir sind jung und wollen mitreden und mitentscheiden!

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Oskar Egger Do., 23.04.2015 - 07:14

Die Jugend hat Recht: nirgendwo in Europa würde so ein historischer Bahnhof nieder gemacht, nirgends außer im südtiroler Meran, wo Schlösser und historische Hotels, Jugendstil- und noch ältere -denkmäler dem Bauwahn der Wirtschaftselite, die noch heute das Sagen hat, weichen mussten. Geschmacklos, kulturlos und gierig.

Do., 23.04.2015 - 07:14 Permalink