Sanität, ein Fass ohne Boden?
Insgesamt neun Milliarden Euro hat das Gesundheitssystem der Region Trentino-Südtirol zwischen 1990 und 2013 mehr als in anderen italienischen Regionen gekostet. Dies geht aus kürzlich veröffentlichten Daten des “Quotidiano Sanità” – des Online-Sanitäts-Informationsportal – hervor. In der Studie werden die Sanitätsausgaben von Trentino-Südtirol mit jenen von sechs anderen Regionen (Emilia Romagna, Lombardei, Marche, Toskana, Umbrien, Veneto) verglichen. Diese sechs Regionen gelten alle als italienweit verhältnismäßig vorbildhaft in der Kostenkontrolle dem Angebot von Qualitätsdiensten.
Die Studie
Aus den Daten der sechs virtuosen Regionen wurde ein Referenzwert für die Gesundheitsausgaben zwischen 1990 und 2013 errechnet – die Standardkosten. Mit diesem sind dann die Zahlen aus Trentino-Südtirol verglichen worden. Einige Ergebnisse:
Im Durchschnitt wurden in Trentino-Südtirol jährlich 602 Euro pro Kopf mehr als in den anderen Regionen für die Sanität ausgegeben. 1990 waren es +29 Euro, 2013 +864 Euro.
Durchschnittlich 317 Millionen Euro mehr im Jahr hat die Region zwischen 1990 und 2013 für das Gesundheitswesen ausgegeben. Der Spitzenwert wurde 2013 mit Mehrausgaben von 515 Millionen Euro erreicht – immer im Vergleich mit dem Referenzwert der anderen sechs Regionen.
Auch im italienweiten Vergleich hat Trentino-Südtirol in den 24 Bezugsjahren jährlich 260 Millionen Euro mehr als der nationale Durchschnitt ausgegeben. 2013 waren es 410 Millionen Euro.
Die orangefarbene Linie zeigt die verhältnismäßig hohen Pro-Kopf-Gesundheitsausgaben der Region Trentino-Südtirol im Zeitraum von 1990 bis 2013 an. Grafik: quotidianosanita.it
Der Kommentar
“Può forse apparire eccessivo usare il termine di inefficienza, visto il livello qualitativo delle prestazioni; ma in senso tecnico di questo si tratta”, so das Fazit des Studienleiters Nicola Salerno. Man könne zwar nicht von “Verschwendung”, “Mängeln” oder “Ineffizienz” sprechen, doch die Mehrausgaben seien laut Salerno “evident”. Seine Empfehlung: “Die Qualität muss ohne Frage beibehalten werden. Doch Trentino-Südtirol müsste Ressourcen frei setzen und Anstrengungen unternehmen, um sich den Standartkosten – dem Referenzwert – anzunähern.” Getrennte Daten für die beiden Provinzen Bozen und Trient waren laut Salerno übrigens unmöglich zu ermitteln.
Wird jedoch davon ausgegangen, dass sowohl die Einwohnerzahl der beiden Provinzen (2013 – Südtirol: 518.000, Trentino: 537.000) als auch die Sanitätsausgaben (2013 – Südtirol: 1,168 Milliarden Euro, Trentino: 1,253 Milliarden Euro) ungefähr gleich hoch sind, dürften auch die Mehrausgaben im Gesundheitswesen mehr oder weniger gleich hoch sein. Doch weist der Corriere dell’Alto Adige in seiner Ausgabe vom Mittwoch darauf hin, dass sich die Situation in den vergangenen zwei Jahren – also nach 2013, bis wohin sich die Studie des “Quotidiano Sanità” bezieht – stark verändert hat. Denn während im Trentino Sparmaßnahmen ergriffen wurden, mit denen die Kosten in der Sanität unter Kontrolle gehalten werden sollen, stiegen die Gesundheitsausgaben in Südtirol stark an. Unter anderem aufgrund der Erneuerung der Kollektivverträge.
Die Kritik
Im Südtiroler Sanitätsbetrieb will man die nackten Zahlen sowie die Ineffizienz-Vorwürfe so nicht auf sich sitzen lassen. Denn gerade bei den Gehältern des Sanitätspersonals sei ein Vergleich mit anderen Regionen nicht möglich. “Wir zahlen überdurchschnittlich hohe Gehälter”, verteidigt sich der Verwaltungsdirektor des Südtiroler Sanitätsbetriebs Marco Cappello. Auch Generaldirektor Andreas Fabi weist auf die besondere Situation hierzulande hin: “Wir haben die Zweisprachigkeit und eine lange Geschichte der lokalen Verhandlungen wenn es um die Gehälter geht. Darüber hinaus bieten wir zusätzliche Dienste wie etwa den Zahnarzt an – etwas, was im restlichen Italien nicht passiert.” Auch die Landesgesundheitsschule Claudiana stelle einen Ausgabeposten dar, der zu berücksichtigen sei, so Fabi. Cappello hingegen erinnert daran, dass in Südtirol der Bereich “Sanität” auch das “Soziale” beinhalte. Rund 200 Millionen jährlich würden dafür ausgegeben.
Ist der Aufschrei jetzt auch groß, noch im vergangenen Dezember – kurz vor der Veröffentlichung der Pasdera-Studie – war der Tonfall noch ein anderer. Auch dort, in der Pasdera-Studie, wurde ein Standardkostenvergleich durchgeführt. Dieser bescheinigte den Südtiroler Krankenhäusern eine stolze Summe von 42 Millionen Euro an Mehrausgaben jährlich. Damals hieß es aus dem Südtiroler Sanitätsbetrieb: “Wir müssen von den besten lernen.”
Die gesamten Daten finden Sie hier.
falsche Zahlen?
falsche Zahlen?
1,168 + 10^9 : 518.000= 2254,8Euro
2254,8 Euro/pro Kopf/Jahr
stimmt auch mit diesem Bericht überein (http://www.tageszeitung.it/2014/02/21/kritik-am-sparhaushalt/) und würde bedeuten, dass der Betrag 20% unter der angegebenen Benchmark liegt.
internationaler Vergleich:
http://de.statista.com/infografik/2739/gesundheitsausgaben-pro-kopf-in-…
https://www.wko.at/Content.Node/Interessenvertretung/Arbeit-und-Soziale…
Wesentlich für eine richtige Interpretation der Ausgaben und der Leistungsfähigkeit des Gesundheitswesens ist also auch der Anteil der privaten Ausgaben/Kopf/Jahr.
Antwort auf falsche Zahlen? von Christian Mair
Glaube nie der Statistik, die
Glaube nie der Statistik, die du nicht selbst gefälscht hast!
Die Zahlen der obigen Graphik beziehen sich auf eine bestimmte Alterskohorte. Das bedeutet die Kosten von 3800 €/Kopf/Jahr beziehen sich auf eine ausgewählte Gruppe von Menschen (In diesem Fall 65-69 jährige).
Tatsächlich belaufen sich die Gesundheitsausgaben ca. auf die errechneten 2300 €/Kopf/Jahr. Und in den Ausgaben ist die Finanzierung der Landesfachhochschule für Pflegeberufe "Claudiana" enthalten.
vielleicht würde eine
vielleicht würde eine Ticketbefreiung für Vorsorgeuntersuchungen diese attraktiver machen und hohe Folgekosten vermeiden.