Politik | Interview
„Politischer Auftrag erteilt“
Foto: Team Köllensperger
salto.bz: Herr Ploner, aus welchen Gründen hat das Team K den Beschlussantrag zur psychologischen Basisversorgung gestellt?
Franz Ploner: Die Corona-Pandemie hat uns in eine Situation gebracht, in der Kinder, Jugendliche und teils Erwachsene zunehmend unter psychologischen Belastungen leiden. Das zeigt uns auch die länderübergreifende COSPY-2 Studie. Fast jedes dritte Kind hat ein knappes Jahr nach Beginn der Pandemie unter psychischen Auffälligkeiten gelitten. Gleichzeitig sind die öffentlichen Strukturen nicht in der Lage, zeitgerecht psychologische Betreuung anzubieten. Das war leider auch schon vor der Pandemie so. Andere Regionen in Italien bieten bereits einen sogenannten niedergelassenen Basispsychologen, der eine ‚hausärztliche‘ psychologische Betreuung garantiert, an. Dieser ist neben dem Hausarzt tätig und bietet der Bevölkerung eine niederschwellige Betreuung an. Wir, vom Team K, glauben, dass diese psychologische Betreuungsform auch in Südtirol eingeführt werden sollte.
Die Gesellschaft, auch in Südtirol, ist in der Zwischenzeit offen für eine psychologische Behandlung.
Welche Gründe vermuten Sie hinter den psychologischen Belastungen?
Einerseits ist es ein großes Gesellschaftsproblem unserer modernen Zeit: Viele Jugendliche sind sich allein überlassen, vereinsamen auch durch die neuen sozialen Medien und brauchen in kritischen Momenten eine psychologische Betreuung und Beratung. Zudem haben die Lockdowns, die Vereinsamung und das Gefühl der Angst bei den Kindern und Jugendlichen Traumatisierungen hinterlassen. Deshalb müssen wir sie gerade jetzt auffangen und ihnen Hilfe anbieten. Sonst werden diese psychischen Probleme, denen wir jetzt keine Antwort geben, im Erwachsenenalter wieder auftreten.
Was erhoffen Sie sich von der psychologischen Beratung?
Gerade junge Menschen sollten sich dort ohne Hemmungen den Psycholog:innen anvertrauen können. Der Psychologe entscheidet dann, welche Formen der Psychotherapie für ihn in Frage kommt, zum Beispiel Familien-, Einzel- , Verhaltens-, Musiktherapie u.v.m. Dabei geht es nicht um eine medikamentöse Behandlung, sondern um eine Psychotherapie mit regelmäßigen Gesprächen, verbunden mit Aufgaben.
Welchen Zugang haben Sie als Erstunterzeichner des Beschlussantrags zu psychischer Gesundheit?
Psychische Gesundheit ist ein großes Thema, das mich in meiner Vergangenheit sehr begleitet hat. Ich arbeitete als Mediziner auch in der Schmerztherapie und kenne die psychischen Belastungen von chronischen Schmerzpatient:innen. Dahinter liegen oft auch schwere psychosoziale Traumata, die erst spät zu Tage treten und vor allem einer psychologischen Betreuung und Behandlung bedürfen. Ohne psychologische Betreuung kann gute moderne Medizin nicht funktionieren.
Das Ziel muss nämlich sein, dass die Behandlungskosten für die psychotherapeutische Betreuung vom öffentlichen Gesundheitssystem getragen werden.
Der Beschlussantrag wurde Ende Juni im Landtag einstimmig angenommen. Was sind nun die nächsten Schritte?
Der Beschlussantrag hält fest, dass die Initiativen von Seiten des Gesundheitsressort, dem Südtiroler Sanitätsbetrieb und der Psychologenkammer fortzuführen und zu intensivieren sind, um einen niederschwelligen Zugang zu den psychologischen Diensten zu gewährleisten. Hier muss man nun überlegen, wie man ein solches System aufbauen kann; die Roadmap sollte von diesen Verantwortungsträgern erstellt und umgesetzt werden. Ich könnte mir vorstellen, dass man anfangs mit einem Pilotprojekt mit einem Hausarzt und einem Psychologen beginnt, dies evaluiert und dann flächendeckend ausbreitet. Man muss beginnen und nicht warten. Den politischen Auftrag haben wir mit unserem Beschlussantrag und der breiten Zustimmung durch den Landtag erteilt.
Wie könnte die Zusammenarbeit mit der Psychologenkammer konkret aussehen?
Die Psychologenkammer, mit der wir den Inhalt des Beschlussantrages vorher besprochen haben, trägt ihn mit und hat als Vertretung der Südtiroler Psycholog:innen bereits ihre Gesprächsbereitschaft und ihre Mithilfe signalisiert. Nun geht es darum, die Zusammenarbeit mit den im Lande tätigen Psycholog:innen zu suchen und auszuformulieren. Das Ziel muss nämlich sein, dass die Behandlungskosten für die psychotherapeutische Betreuung vom öffentlichen Gesundheitssystem getragen werden. In Deutschland, Österreich und anderen europäischen Ländern werden diese von den Kassen übernommen. Ich kann mir schon vorstellen, dass sich dann wahrscheinlich nicht sofort genügend Psycholog:innen finden werden. Leider sind wir hier in Südtirol in dieser Art der Betreuung noch in den Kinderschuhen.
Würde die psychologische Basisversorgung überhaupt genutzt werden?
Es braucht eine Sensibilisierung der Gesellschaft, damit die Bevölkerung von den psychologischen Diensten weiß. Die Eltern und Kinder, aber auch die Schulen sind offen.
Ist psychische Gesundheit nicht auch ein Tabuthema?
Nein, wieso sollte es das sein? Die Gesellschaft, auch in Südtirol, ist in der Zwischenzeit offen für eine psychologische Behandlung.
Weil sich Menschen schämen, in Psychotherapie zu gehen.
Das müssen wir abbauen. Deshalb sollten wir über solche Themen reden. Psychologie ist nicht Psychiatrie. Es geht darum, den eigenen seelischen Zustand durch mein Verhalten und durch Hilfestellungen von außen zu verbessern. Die Psychotherapie ist Teil unserer medizinischen Grundversorgung geworden.
Es braucht einen Abbau der Bürokratie, eine Stärkung der Facharztausbildung, Attraktivität in den einzelnen Abteilungen und Freiräume für junge Ärzt:innen sich zu entwickeln.
Mit der Reform des Gesundheitswesens sollen die Sprengel ausgebaut und wohnortnahe Einsatzzentralen errichtet werden. Kann in diesem Zuge auch die psychologische Betreuung ausgebaut werden?
Das wäre durchaus denkbar und wünschbar. In den geplanten medizinischen Versorgungszentren oder auch Gesundheitseinrichtungen gehören neben den Ärzt:innen, auch der Psychologe, die Physiotherapeutin und viele andere Fachleute dazu. Hierzu gibt es viele gute Beispiele im In- und Ausland. Man braucht sich nur umsehen und übernehmen.
Wie kann der Südtiroler Sanitätsbetrieb für junge Ärzt:innen attraktiver werden?
Es braucht einen Abbau der Bürokratie, eine Stärkung der Facharztausbildung, Attraktivität in den einzelnen Abteilungen und Freiräume für junge Ärzt:innen sich zu entwickeln. Denn ein ausgebildeter Facharzt bleibt häufig dort, wo er ausgebildet wurde und wo das Umfeld passt. Letztendlich glaube ich, dass wir allen Mitarbeiter:innen, die im Gesundheitssystem arbeiten, unsere Wertschätzung entgegenbringen und sie in ihren Bedürfnissen ernst nehmen müssen. Dies sind die verpflichtenden Aufgaben, die das Management und die politisch Verantwortlichen wahrnehmen müssen.
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