"Ein Thema, das tief in die Seele hineinreicht"
Fast ein halbes Jahrhundert galt sie als Tabu. Als Ereignis, über dessen nicht verheilte Wunden ein Mantel des Schweigens gebreitet wurde. "Die Option war Südtirols Sündenfall", meint der Historiker Hannes Obermair. Das vor 75 Jahren von Adolf Hitler und Benito Mussolini vereinbarteUmsiedlungsabkommen sei "nach dem Krieg mit einem Schweigegebot belegt worden". Zum einen habe man das Thema "aus Staatsräson ausgeklammert". Auf deutscher Seite habe es die erforderliche "Einheitsdoktrin" gestört, auf italienischer Seite habe man "die Entnationalisierungspolitik unter demokratischen Vorzeichen über Jahre weitergeführt." Erst nach dem Autonomiestatut und dem wirtschaftlichen Aufschwung des Landes in den 70er Jahren sei das rigoros verdrängte Thema allmählich ins kollektive Gedächtnis zurückgekehrt, so der Bozner Stadtarchivar. "Heute kann man über die Option so unbefangen diskutieren wie über Homosexualität oder ein anderes Thema." Die Option sei heute "ausser Streit gestellt", sei jedoch "nach wie vor ein Thema, das tief in die Seele hineinreicht". Sie war schließlich Südtirols Sündenfall." Kann sich Obermair zur Option ein ähnliches Dokumentationszentrum oder Museum vorstellen wie zum Siegesdenkmal?
"Prinzipiell schon. Aber ich fürchte, es scheitert an der Knappheit der Geldmittel. Der Stand der Forschung würde es auf jeden Fall erlauben. Natürlich müßte man es in einem historischen Vergleich einbetten, der den deutschen und italienischen Faschismus beleuchtet und analysiert. "
Wie gut ist der Durchschnittssüdtiroler über die Option informiert? "Nach der Ausstellung von 1989 hat es ja eine Serie von Büchern, Filmen und Theaterstücken gegeben. Da kann sich jeder schlau machen. Der Film Verkaufte Heimat scheint mir dabei ein Pflichtprogramm", so Obermair. Doch nach Überzeugung des Historikers ist das Thema dennoch nicht ausgeschöpft: "Es bleibt noch viel zu tun. Etwa die Erlebniswelt entlang der Geschlechtergrenzen.
Frauen und Familienmütter waren besonders belastet. Auch der Generationenkonflikt ist ein interessantes Thema. Und was in den örtlichen Gemeinschaften passiert ist, harrt vielfach seit Jahrzehnten einer Aufarbeitung. Die vielen Gemeindebücher, die meist in den 80er und 90er Jahren erschienen sind, haben das Thema mehrheitlich ausgeklammert. In den Archiven läßt sich da sicher noch einiges finden. Wichtig scheint mir, daß der Nachlaß von Zeitzeugen ans das Landesarchiv weitergegeben wird. Auch persönlichen Dokumenten wie Briefen oder Tagebüchern kommt erhebliche Bedeutung zu, um das Bild zu vervollständigen" versichert Hannes Obermair.