„Wollt dich nur kurz hören“
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Interessanterweise war der Eindruck, den man beim Durchzappen hatte, ein ziemlich anderer als jener, den man schließlich beim Hören der neuen Anger-LP als Ganzes am Stück erhielt. Ein Grund dafür war wohl, dass man doch einige Album-Songs bereits kannte, da sie in den vorigen Monaten laufend als digitale Singles erschienen sind, wie etwa der Song „0039“, der sich optimal als Opener eignet. Obwohl sich der Song gefühlt etwas in die Länge zieht, ist er mit seinem sehnsüchtigen Italien/Österreich-Vorwahl-Tastenspiel einer der besten Songs auf „Verlieren, Baby!“.
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Die Nummer „Was du Liebe nennst“, die mit einem erstaunlich gut funktionierenden Gitarrensolo überrascht, endet mit einem Fadeout, was der ebenfalls bereits vom Netz bekannten Nummer am Ende etwas an Power nimmt; alles in allem bleibt „Was du Liebe nennst“ aber ein nennenswert guter Track.
Im anschließenden, sehr tanzbaren Titelsong „Verlieren, Baby!“ ist vor allem die Stimme von Nora Pider mit säuselndem Autotune toll in Szene gesetzt, sodass man sich am liebsten darin reinlegen möchte, um so etwas auch zu kriegen. Da reicht die Begeisterung auch aus, über den etwas schwächeren Folge-Song „1000x“ hinweg zuhören; die Melodie von „Verlieren, Baby!“ hat es sich im Ohr bequem gemacht und möchte vorerst noch ein Weilchen dort bleiben. Das liegt daran, dass man mit mehr solchem alternativen Pop gerechnet hatte als mit fetten, massentauglichen Synth-Pop-Songs, wie es auch bei „L.I.E.B.E.“ und „Alles dreht sich“ der Fall ist.
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Langsam muss Track Nr. 5 dann doch weichen, denn „Regen“ ist ein schöner, gemäßigter Song mit tollen Autotune-Effekten auf den Stimmen von Julian Angerer und Nora Pider. Der Mix aus Deutsch, Englisch und manchmal auch Italienisch, der ein Erkennungsmerkmal der Musik des Pop-Duos aus Brixen/Wien ist, zeigt hier einmal mehr wie geschmeidig die beiden Musiker das Sprachwortspiel inzwischen beherrschen.
Der Song „Babyface“ - mit dem Schlachtruf „Früher war es nicht so teuer!“ (der sich ideal auf T-Shirts machen würde) und mit seinem kurzen Zwischenspiel, das man im angeschickerten Zustand wohl mit Nena’s „99 Luftballons“ in Verbindung bringen wird - steht im persönlichen Empfinden für technoide Schlager-Dorfdisko vs. Großstadt-Electrosynthpoppunk. Ein guter Song, mit dem der bereits erwähnte Song „L.I.E.B.E.“ nicht so ganz mithalten kann, auch wenn er Anger’s Publikum bei den Livegigs durch den Refrain führen und tanzen lassen mag wie wohl kaum ein anderer auf dieser Platte.
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Erfreulich frisch, extrem poppig und eingängig daher kommt „Spiel“ und zählt somit zu den besten Songs auf der Platte überhaupt. Zu erwähnen ist hier auch Julian’s kraftvoller Part gegen Ende der Nummer. Den Abschluss der LP bildet das im Wiener Dialekt betitelte „Skifoan“, ein Lied für Pistenliebhaber, das man bereits als Single-Auskoppelung kennt.
Alles in allem ist „Verlieren, Baby!“ ein (digitales) Album bzw. eine LP, die in Österreich und bei uns gut funktionieren wird. Da fällt es auch nicht wirklich ins Gewicht, Baby!, dass hier ein kleiner, alternativer Hit wie die 2019er-Single „Baby“ fehlt. Denn damals schleppte das Baby noch kein Ausrufezeichen mit sich rum und mal ehrlich... das möchten wir nicht verlieren, Baby!
Zu den besten Songs und unseren Anspieltipps zählen: der Titeltrack „Verlieren, Baby!“, „0039“, „Regen“, „Babyface“ und „Das Spiel“.
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(c) Anger
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Info:
Anger Offizielle Website: https://www.weareanger.com/