Matteo Salvini und Luca Zaia
Foto: Facebook/Luca Zaia
Politik | Auf und Ab

Erregter Nord-Süd-Konflikt um Autonomie

Der Präsident der Region Veneto, Luca Zaia, sticht mit einem Brief an die Süditaliener ins Wespennest.

Zu den etlichen Reformplänen, die Lega und Fünf-Sterne-Bewegung spalten, gehören die Autonomieforderungen der Regionen Venetien, Lombardei und Emilien. Bereits im Oktober 2017 hatte sich beim Referendum eine  Mehrheit der Wähler für grössere Autonomie im Veneto und in der Lombardei entschieden. Die Regionalregierung Emiliens hatte dasselbe Ziel mit einem Mehrheitsbeschluss angepeilt, wie ihn die Verfassung vorsieht. Besonders im Veneto pocht Präsident Luca Zaia seither mit  wachsender Ungeduld auf die Verwirklichung des Vorhabens. Regierungschef Giuseppe Conte hatte sich verpflichtet, die Vereinbarung am 15. Februar zu unterzeichnen. Doch der Termin scheint längst hinfällig. Es muss als Erfolg gewertet werden, wenn das umstrittene Gesetzentwurf noch vor dem Sommer verabschiedet wird.  

 
In keiner anderen Region ist die Kluft zwischen Lega und Fünf-Sterne-Bewegung so tief, die gegenseitige Abneigung so groß wie im Veneto. "La nostra base è in subbuglio. Il reddito di cittadinanza è stato una mazzata, perchè si sa come la pensano i veneti al riguardo. Abbiamo inghiottito tanti bocconi amari", erregt sich der Regionalsekretär der Lega, Gianantonio Da Re – ein bedingungsloser Anhänger des harten Kurses von Parteichef Salvini gegen die Migranten. Damit steht er keineswegs alleine da. Eine deutliche Mehrheit der veneti betrachtet die Grillini als lästige Partner und Gegner vieler Projekte wie Pedemontana und TAV. Besonders stark ist der Widerstand gegen die Autonomie freilich im Süden, wo man keinen Präzedenzfall akzeptieren will und eine wachsende Spaltung Italiens in einen reichen Norden und einen immer ärmeren Süden befürchtet – un'Italia a due velocità. Die rebellische Fünf-Sterne-Senatorin Paola Nugnes hat letzthin auf einen im Gazzettino publizierten Brief Zaias an die Süditaliener geantwortet und auf den wachsenden Wohlstand des Nordens verwiesen: "Rischiamo un'Italia a due velocità." Nugnes hatte die Autonomie sogar als "proposta elaborata alquanto segretamente" angeprangert und sich zu bizarren Aussagen verstiegen: "Il Veneto è Italia come la Puglia e la Sicilia. Nessuno può immaginare di diventare più Italia di qualcun altro." Doch zur Vorsicht mahnt auch der aus Treviso stammende und im Trentino wohnhafte Minister Riccardo Fraccaro"Il M5S è da sempre a favore dell`autonomia, perché avvicina le decisioni ai cittadini. Ma vanno fatti salvi i principi della coesione nazionale e della tenuta dei conti pubblici." 
 
Zaia reagiert mit wachsender Ungeduld: "Si riconosca una volta per tutte che il problema non è il Nord che ha avuto di più, ma che qualcuno al sud vi ha fregato."  Und der Regionalsekretär der Lega im Veneto, Da Re, nimmt sich kein Blatt vor den Mund: "Se Conte e i 5 stelle continueranno a contrastare Salvini nella sua battaglia contro l'immigrazione clandestina un nuovo governo non sarebbe solo possibile, ma auspicabile." 
 

Zaias Brief löst ein Flut von Protesten aus

 
Zaia lässt sich jedoch nicht irritieren und beharrt auf seiner Forderung nach Dezentralisierung aller 23 Sachgebiete, die von der Verfassung vorgesehen sind. Der M5S-Staatssekretär im Regionenministerium, Stefano Buffagni hält dieses Anliegen für "irrealizzabile".
 
In einer Lettera aperta ai cittadini del sud bemüht sich Venetiens Präsident um eine Darstellung der historischen Diskrepanz zwischen Nord und Süd: "Anche senza un'autonomia del nord in questi decenni il mezzogiorno non ha portato a casa nulla in termini di sviluppo. E non mi si venga a dire che abbia avuto meno opportunità del Nord, in termini di cospicui investimenti sul fronte infrastrutturale, dei fondi comunitari, degli aiuti di stato (quando erano possibili), delle agevolazioni fiscali e quant'altro." 
 
Der Brief von Zaia an seine Landsleute im Süden hat Hunderte irritierter und gehässiger Reaktionen ausgelöst – von der Fünfsterne-Ministerni Barbara Lezzi über den Bürgermeister von Neapel bis zum Präsidenten Kampaniens, Vincenzo De Luca. Die Tageszeitung Giornale di Calabria sprach von "inopinato appello intriso di paternalistico intento", zu den bösen Reaktionen gehörte ein Aufruf zum "boicottaggio del prosecco".
Nun aber kommt es unerwartet zu einer direkten Konfrontation: Zaia hat eine Einladung  des Präsidenten der Confindustria Kampaniens , Virgiono Grassi, zu einer öffentlichen Debatte in Neapel angenommen. Dass er dabei die erbosten Süditaliener von der Autonomie Venetiens überzeugen kann, ist unwahrscheinlich. Aber womöglich ist der unermüdliche Kämpfer schon in Kürze an einer anderen heissen Front im Einsatz. Salvini will Luca Zaia nämlich als EU-Kommissar nach Brüssel schicken – seinen Wahlsieg setzt er offenbar voraus.