Gesellschaft | Zukunft

Von der Pflegekrise zur Pflegevision

Kurzfristig sollte sich die Politik daher mehr um das Thema Altern kümmern. Auf staatlicher Ebene geht es politisch jedoch eher in die andere Richtung.
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Anziani
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  • Die Gesellschaft verändert sich, die Geburtenrate sinkt, die Menschen werden immer älter und die Pflege ist ein großes Thema: Das sind Herausforderungen, denen wir uns als Gesellschaft insgesamt stellen müssen. Vor allem das Altern ist eine Realität, die wir heute schon ziemlich genau vorhersehen können. Natürlich kann die Medizin hier große Fortschritte machen, die sich positiv auf die Pflegebedürftigkeit auswirken können. Auch die Digitalisierung oder andere Hilfsmittel könnten die Pflege erleichtern.  Was die Geburtenrate betrifft, sind Prognosen schwieriger, wenn nicht gar unmöglich.

    Kurzfristig sollte sich die Politik daher mehr um das Thema Altern kümmern. Auf staatlicher Ebene geht es politisch jedoch eher in die andere Richtung. Für die Senioren gibt es kaum greifbare Verbesserungen, im Gegenteil, es werden Renten gekürzt. Auf der anderen Seite wird versucht, das Problem der niederen Geburtenrate durch Prämien für Neugeborene in den Griff zu bekommen. Hilfen für Familien sind sicherlich notwendig, aber es wird noch mindestens 20 Jahre dauern, bis man sieht, ob eine höhere Geburtenrate etwas bringt. Dabei dürfte sich bis dahin auch die Situation langsam entspannen, denn die Reihen der geburtenstarken Jahrgänge von Rentnern werden sich nach und nach lichten.  Wir sollten uns also kurzfristig verstärkt mit dem Thema Alterung auseinandersetzen, aber ohne die übliche Katastrophenstimmung. Anstatt sich über die Verlängerung der Lebenszeit zu freuen, scheint eine längere Lebenserwartung eine Tragödie für unsere Gesellschaft zu sein.

    Dabei wird übersehen, dass ältere Menschen heute länger aktiv sind und am gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Leben teilnehmen. Wir müssen diese Generation richtig in die Gesellschaft integrieren und uns über ihren Wert Gedanken zu machen. Viele sind noch berufstätig oder kümmern sich um ihre Enkelkinder, wieder andere helfen ihren Kindern bei der Zukunftsplanung, und andere wiederum beleben den Tourismus gerade in der Nebensaison oder füllen Museen und andere Kultureinrichtungen. Die Vorgabe für ein aktives Altern auf europäischer Ebene geht genau in diese Richtung. Jetzt müssen wir auch bei uns dafür sorgen, dass das lokale Gesetz Wirklichkeit wird.  So sind Seniorinnen und Senioren seit jeher bereit, sich in freiwillige Tätigkeiten einzubringen.  Wir brauchen aber eine Koordination der möglichen Aufgaben und einen rechtlichen Rahmen, der den Einzelnen auch rechtlich absichert, wenn er bestimmte Tätigkeiten ausführt.

    Mit zunehmendem Alter werden die Menschen immer gebrechlicher. Der Partner oder die Partnerin sterben, die Freunde werden immer weniger, die Kinder wohnen weit weg und man vereinsamt zusehends. Alltägliche Dinge wie Einkaufen können ohne fremde Hilfe schwierig werden. Hier könnten neue Wohnmodelle helfen. Man könnte sich dabei an anderswo bereits bestehende Einrichtungen orientieren. Aber auch moderne Technik kann helfen, Menschen, die in ihrem Alltag eingeschränkt sind, in ihrem gewohnten Umfeld zu belassen. Digitale Medien können helfen, den Kontakt zu Kindern und Verwandten aufrechtzuerhalten. Außerdem können sie bei medizinischen Problemen helfen oder bei anderen Problemen wie Stürzen ein schnelles Eingreifen ermöglichen. Und elektronische Mittel können auch dabei helfen, die Wohnung zu organisieren. Auch müssen wir den Freiwilligensektor einbeziehen. Der füllt nämlich schon heute verschiedene Lücken in der Altersbetreuung aus.

    In der letzten Lebensphase steigt die Pflegebedürftigkeit. Das Verhältnis zwischen den Pflegebedürftigen und denjenigen, die noch selbstständig leben, hat sich nicht verändert. Was sich aber in den nächsten Jahren ändern wird, ist die Gesamtzahl der älteren Mitbürger aufgrund der Generation der Babyboomer. Das treibt die Zahlen für die Pflege nach oben und ist das eigentliche Problem der nächsten Jahre, weniger die Veralterung der Gesellschaft an sich.

    Neulich haben wir uns als Rentnergewerkschaft über den Anstieg der Tagessätze in den Altenheimen beschwert. Die zusätzlichen Beträge sind nicht immer hoch, aber sie summieren sich im Laufe des Jahres. Wenn die Inflation bei Löhnen und Renten nicht angeglichen wird, belastet das die Familien zusätzlich. Die Steigerungen sind zwar nachvollziehbar, aber trotzdem sollten man versuchen. mit den Bürgern über die Gründe zu reden. Unsere Heime sind sicherlich nicht gewinnorientiert. Was oftmals zusätzlich ins Gewicht fällt, sind die großen Unterschiede zwischen den billigsten und den teuersten Heimen. Die können fast 30 Euro täglich betragen. Es gibt verschiedene Ursachen die dies rechtfertigen können, aber für die Bürger ist dies wenig hilfreich. Es ist ein heikles Thema, weil man das Altenheim nicht immer frei wählen kann und die Familien oft nehmen müssen, was gerade frei wird.

    Dabei ist die Betreuung überall gut. Dies wahrscheinlich auch, weil es sich meistens um Einrichtungen handelt, bei denen die öffentliche Hand die Kontrolle ausüben kann, weil ein beträchtlicher Teil der nötigen Mittel aus dem Landeshaushalt kommt. Die Gemeinden kümmern sich ihrerseits um die Gäste, die das Heim nicht selbst bezahlen können. Wir haben deshalb kaum Probleme mit unhaltbaren Zuständen, wie sie in anderen Regionen aufgedeckt wurden, und sind auch von größeren Missbrauchsfällen bisher verschont geblieben. Altersheime dürfen nicht zu einem Geschäftsmodell für Investoren und große Finanzgruppen werden, die im Pflegesektor eine sichere und stetig wachsende Einnahmequelle sehen. Leider führt das dann oft dazu, dass das Personal und die Pflegequalität vernachlässigt werden.

    Es ist auch wichtig, dass die Heime nicht zu reinen "Lazaretten" werden. Künftig könnten Heime zu flexiblen und offenen Strukturen innerhalb eines lokalen Betreuungsnetzwerks werden. Diese könnten dann Dienstleistungen für ältere Menschen in der näheren Umgebung anbieten. Das notwendige Personal ist dabei natürlich Voraussetzung. Wenn dieses stimmt, könnten die Altersheime für verschiedene vereinbarte Dienstleistungen offen sein, wie z. B. häusliche Pflege, Telemedizin, Tagespflege und Präventionsmaßnahmen. Die Digitalisierung könnte dabei helfen.

    Es gibt viel zu tun. Lasst es uns angehen!


    Ein Beitrag von Alfred Ebner