Regierungschef in Schwebe ?
Italiens Regierung wackelt noch bevor sie steht. Für Polemiken sorgt ausgerechnet ein bisher unbekannter, friedlich wirkender und stets elegant gekleideter Jurist, der aus dem Nichts zum Regierungschef aufsteigen soll. Zumindest war es so vorgesehen – bis Details aus seinem 12-seitigen Lebenslauf Zweifel weckten. Der Professor für Zivilrecht an der Universität Florenz verweist darin auf Studien an der New York University, der Pariser Sorbonne,und anderen Elite-Universitäten wie Cambridge und Yale.
Den Stein ins Rollen brachte der Korrespondent der New York Times in Rom, der bei der US-Universität telefonisch Auskunft forderte. Der Bescheid: Conte sei dort unbekannt - weder als Student noch als Professor habe er die Uni besucht.
Das behauptet der Rechtsprofessor auch nicht direkt. Er habe zwischen 2008 und 2009 jeweils einen Monat dort verbracht – vielleicht als anonymer Besucher von Vorlesungen. Doch das Curriculum nährt auch weitere Zweifel: das "europäische Kulturinstitut in Wien" an dem er sich fortgebildet haben will, erweist sich als simple Sprachschule, die Universität Cambridge sei zur angegebenen Zeit wegen Sommerferien geschlossen gewesen.
Die unerwartete commedia all'italiana bringt nicht nur Conte in Verlegenheit, sondern auch Staatspräsident Sergio Mattarella, der ihm den Regierungsauftrag erteilen sollte. Der absurde Aspekt der undurchsichtigen Affäre: Conte schweigt hartnäckig und überlässt die Verteidigung seiner geschiedenen Frau, die versichert, er sei für das Amt des Premiers bestens geeignet. Der polyglotte Jurist stammt aus dem Apenninen-Nest Volturara Appula unweit des Padre-Pio-Wallfahrtsortes San Giovani Rotondo. Aus einer armen Familie stammend, hatte der Katholik sein Studium mit einem Stipendium des Vatikans absolviert. Der Öffentlichkeit fiel der 54-jährige erstmals auf, als die Fünf-Sterne-Bewegung vor der Wahl ihre Regierungsmannschaft vorstellte. Dort präsentierte er sich als Befürworter eines radikalen Bürokratie-Abbaues.
Doch Conte ist nicht der einzige Anwärter auf ein Ministeramt, der dem Staatspräsidenten Sorgen bereitet. Als Wirtschaftsminister ist nämlich auf Druck der Lega der Ökonom Paolo Savona vorgesehen, ehemaliger Industrieminister der Regierung Ciampi. Savona gilt nicht nur als militanter Euro-Gegner ("E' un cappio che sta stringendo attorno al collo dell'Italia"), sondern vertritt auch die durchwegs unorthodoxe Überzeugung, die Deutschen hätten sich seit der Nazi-Zeit nicht verändert: "La Germania non ha cambiato la visione del suo ruolo in Europa dopo la fine den nazismo, pur avendo abbandonato l'idea di imporla militarmente." Der Anti-Euro-Kurs Savonas ist dagegen ganz nach dem Geschmack Salvinis, der hartnäckig auf der Ernennung des Ökonomen für das Schlüsselresort besteht - trotz dessen hohen Alters von 82 Jahren. Der Lega-Chef übt jetzt massiven Druck aus. Eine Ersetzung Contes durch Luigi Di Maio will er ebenso wenig akzeptieren wie jene Savonas durch einen europafreundlichen Wirtschaftsminister. Andernfalls droht Salvini mit sofortigen Neuwahlen – gestärkt durch den jüngsten Erfolg in Aosta, wo seine Partei 25 Prozent der Stimmen verbuchen konnte.
Bleibt abzuwarten, wie sich der Staatspräsident aus der Zwickmühle befreit. Indessen bewegen sich die Börsenkurse nach unten und der spread nach oben – alles wie gehabt.
Am frühen Nachmittag wurde aus dem Quirinal bekannt, dass der Mattarella den Universitätsprofessor für 17.30 Uhr in den Quirinalspalast bestellt hat.
Man redet viel häufiger
Man redet viel häufiger schlecht als gut über jemanden.... Vielleicht wäre dieser Prof.Conte trotz curricula-Fragen ein Gewinn für Italien... Man sollte ihn erst mal wirken lassen, zumal nicht jeder Rechtsanwalt wie er, einer ärmeren Famile kostenlosen Rectsbeistand gewährt, in einem Rechtsstreit, wo es um eine Stammzellentherapie für deren krankes Kind ging.