Politik | Gries am Brenner
„Strafe einen, erziehe viele“
Foto: Google Street Maps
Die Gemeinderatssitzung, die für morgen (24. Mai) angesetzt wurde, findet um 8.00 Uhr statt. Einige Gemeinderäte werden sich extra frei nehmen müssen, um bei dieser für die Familie Steiner wichtigen Sitzung anwesend zu sein. Es geht dabei um nichts geringeres als um die Entscheidung, ob das sogenannte Vennhäusl der Familie Steiner abgerissen werden soll oder ob es baurechtlich saniert und damit weiterhin bewohnt werden kann.
Die Oppositionspartei „Team Kugler“ hat die Abhaltung eines Sondergemeinderates beantragt, in welchem über eine Sonderflächenwidmung des „Vennhäusls“ diskutiert und abgestimmt wird. Sollte der Antrag angenommen werden, könnten die Besitzer ein neues Baugesuch stellen, womit zumindest der Altbestand teilweise gerettet werden könnte.
Ob eine Mehrheit für diesen Antrag zustande kommt, ist fraglich. Sieben Gemeinderäte gehören nämlich der regierenden Mehrheitspartei Offene Gemeindeliste Bürgermeister Karl Mühlsteiger an, sechs der Oppositionspartei Team Kugler, welche damit in der Minderheit ist. Doch wie konnte es zu dieser Entwicklung kommen, die so in Südtirol wohl nicht möglich wäre?
Fehlende Baugenehmigung
Die Geschichte reicht rund 30 Jahre zurück, als die Besitzer des Vennhäusls das Gebäude mehrmals umgebaut und erweitert haben, unter anderem auch auf der Grundlage eines nur mündlich erteilten ergänzenden Baubescheides. Ein schriftlich verfasstes Dokument der mündlichen Vereinbarung fehlt in den Unterlagen, womit das Gebäude, das übrigens als Hauptwohnsitz eingetragen ist, als Schwarzbau gilt. 2016 wollte Familie Steiner weitere Umbauarbeiten durchführen lassen, als die fehlende Baugenehmigung bemerkt wurde. Bürgermeister Karl Mühlsteiger stellte daraufhin im Dezember 2017 den Abbruchbescheid aus, gegen den die Besitzer nun seit sechs Jahren kämpfen. Mühlsteiger argumentiert dabei, dass er sich des Amtsmissbrauches schuldig machen würde, würde er das Vennhäusl baurechtlich sanieren. Dem hält die Familie Steiner entgegen, dass dies sehr wohl möglich ist und führt in einem offenen Brief, der in den vergangenen Tagen in den Briefkästen der Bürger und Bürgerinnen der Gemeinde Gries am Brenner gelandet ist, einige Beispiele an, wo die derzeitige Gemeindeverwaltung „Schwarzbauten“ auch unkompliziert durch Flächenwidmungen baurechtlich saniert hat. Bei anderen sollte dies möglich sein, beim Vennhäusl jedoch nicht?
In der zitierten Postwurfsendung werden auch einige Beweise und Dokumente angeführt, die belegen sollen, dass das Vennhäusl zum einen sehr wohl der Tiroler Bauordnung entspricht und daher genehmigungsfähig ist und zum anderen, dass eine rechtliche Sanierung möglich ist, und zwar durch die Anwendung des Paragraphen 43 Abs. 1 lit. a TROG 2022 mit dem Widmungswortlaut „Forst- und Fischereibetrieb mit Betriebsinhaberwohnung mit maximal 150 m2 Wohnnutzfläche“. Ins Feld geführt wird dabei ein raumplanungsfachliches Gutachten von Diplom-Ingenieur Friedrich Rauch, laut dessen Expertise eine gesetzeskonforme Widmung des Vennhäusls möglich ist. Wie im offenen Brief zu lesen ist, behauptet Bürgermeister Mühlsteiger weiterhin, dass eine Sanierung durch Umwidmung rechtswidrig sei und deshalb nicht nur er als Bürgermeister, sondern auch alle Gemeinderäte strafrechtlich belangt werden könnten, wenn sie – gestützt auf das Sachverständigengutachten von Diplom-Ingenieur Rauch – für eine „Sonderfläche Forst- und Fischereihaus nach § 43 lit a TROG“ stimmen würden.
„Strafe einen, erziehe viele“
Spricht man mit einigen Bürgern der Gemeinde Gries am Brenner, so geht nicht nur die Angst um, sondern es fehlt auch an Informationen, was in der Gemeinde und vor allem im Rathaus vor sich geht. Auf die im Brief geäußerte Vermutung angesprochen, dass Bürgermeister Mühlsteiger im Fall des Vennhäusls auf Zerstörung und Vertreibung fixiert sei, erfährt man, dass die Auseinandersetzung um die fehlende Baugenehmigung eine weitere Vorgeschichte hat. Denn der Besitzer, Hubert Steiner, war ebenfalls im Gemeinderat von Gries vertreten, und zwar von 2010 bis 2015 für die Bürgerliste „Gemeinsam für Gries – Liste Andreas Vogelsberger“. Karl Mühlsteiger hat damals das Rennen um das Bürgermeisteramt knapp vor Vogelsberger für sich entscheiden können. Die nächsten fünf Jahre waren teils von heftigen Auseinandersetzungen zwischen Mühlsteiger und vor allem Hubert Steiner geprägt. Offen wird deshalb auch von einem Rachefeldzug gegen den ehemaligen politischen Kontrahenten nach dem Motto „Strafe einen, erziehe viele“ gesprochen. Vor diesem Hintergrund scheint es fraglich, ob die Mühlsteiger Getreuen ausscheren und für die Umwidmung stimmen werden – es könnte ihnen schließlich genauso ergehen.
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"Jede Gemeinde-Autonomie
"Jede Gemeinde-Autonomie endet dort, wo Familien wegen Fehlern von Gemeinde und Behörden vor 30, 40, 50 ... Jahren wissentlich, vorsätzlich und willkürlich von Haus und Hof vertrieben oder dem Land Tirol Schaden zugefügt wird". Beides ist in Gries am Brenner in der Sache "Vennhäusl" und "Lueg-Brücke" der Fall. Zeit, den Herrn Bürgermeister einzuladen, seine Rolle als "Blockiermeister" wieder abzugeben und für seine Bürgerinnen und Bürger da zu sein. Dafür wurden er und seine Gemeinderäte gewählt und nicht dafür, eine Familie zu vertreiben, von der für die Gemeinde keine Gefahr ausgeht. Fritz Gurgiser, Bürgerrechtler und LAbg. im Unruhestand.