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Politik | Kommentar

Message-Control á la Südtirol

Die Änderung der Kriterien für die Medienförderung ist ein Anschlag auf die Meinungsfreiheit. Es ist der Ausdruck einer erbärmlichen Logik: Wer zahlt, schafft an.
  • Wir Südtiroler haben eine Besonderheit. Wir glauben, einmalig zu sein und erfinden immer wieder das Rad neu.
    Jetzt hat die Landesregierung etwas beschlossen, das wirklich einmalig auf dieser Welt ist. Man könnte darüber lachen, wenn es nicht ein Anschlag auf die Presse- und Meinungsfreiheit in diesem Land wäre. 
    Man muss davon ausgehen, dass die Damen an der Spitze der Kommunikationsagentur des Landes und des Landespresseamts, die diesen Beschluss für die Landespolitik vorbereitet haben, nicht wissen, was sie tun. Nur so ist erklärbar, dass man auf diese Idee kommt und sie auch noch umsetzt.
     

    „Die Politik will sich mit allen Mitteln gegen den Tastaturmob schützen. Dafür setzt man sogar die elementarsten Bürgerrechte und Umgangsformen in einer demokratischen Gesellschaft außer Kraft.“

     

    Dass die Landesregierung diese Vorgabe jetzt beschlossen hat, zeigt eines: Die Politik will sich mit allen Mitteln gegen den Tastaturmob schützen. Dafür setzt man sogar die elementarsten Bürgerrechte und Umgangsformen in einer demokratischen Gesellschaft außer Kraft. Es fehlt nicht mehr viel und man wähnt sich in Putins Russland.
    Offiziell werden hehre Motive vorgeschoben, doch in Wirklichkeit ist das Ganze die Umsetzung der Südtiroler Gasthauslogik: Wer zahlt, schafft an!
    Wahrlich ein politisches Programm der Aufklärung.

     

    Dabei wird das Ganze völlig anders verkauft.
     „Ein respektvoller Umgang im Internet ist von entscheidender Bedeutung für eine konstruktive Diskussionskultur und ein harmonisches Miteinander in unserer Gesellschaft“, erklärte Landeshauptmann Arno Kompatscher am Dienstag auf der Pressekonferenz der Landesregierung. 
    Dann verkündete Kompatscher, dass die Landesregierung wichtige Änderungen in den Kriterien für die Medienförderung beschlossen hat. Ziel sei es, eine Atmosphäre des Respekts und der Höflichkeit in der Online-Diskussion zu schaffen.
    Für Online-Portale, die von der Förderung profitieren möchten, gelten künftig strengere Vorgaben für die Handhabe der Online-Foren. Betreiber müssen demnach journalistische Inhalte und Kommentare eindeutig voneinander getrennt darstellen. Und nur registrierte Nutzerinnen und Nutzer können Kommentare in Online-Foren posten und lesen.  
    Genauer geregelt wird auch die Verpflichtung für die Betreiber, eine redaktionelle Moderation sowohl im Forum als auch in den sozialen Medien sicherzustellen. So sehen die Kriterien vor, dass Betreiber von geförderten Medien eine Netiquette für eine respektvolle Diskussion veröffentlichen müssen, auf die bei der redaktionellen Moderation verwiesen wird. Die Einhaltung dieser Vorgaben prüft der Landesbeirat für das Kommunikationswesen stichprobenartig. Wer sich nicht daran hält, wird nach einer Verwarnung von der Förderung ausgeschlossen. 

  • Landeshauptmann Arno Kompatscher auf der Pressekonferenz:: „Ein respektvoller Umgang im Internet ist von entscheidender Bedeutung“. Foto: LPA/fabio_brucculeri
  • Das Gesetz zur Landesmedienförderung wurde 2002 eingeführt und inzwischen fast so oft novelliert wie das Urbanistikgesetz. Allein in den vergangenen zehn Jahren wurde das Gesetz dreimal überarbeitet. Die letzte Änderung erfolgte durch den Landtag im Mai 2022. Dabei hat man besonderen Wert auf „Bestimmungen zur Eindämmung von Hass im Netz“ gelegt. „Die Kriterien zum neuen Medienförderungsgesetz befinden sich derzeit in Ausarbeitung und werden noch im Sommer der Landesregierung zur Genehmigung vorgelegt werden“, hieß es damals in der offiziellen Aussendung.
    Gedauert hat es dann genau zwei Jahre, bis jetzt diese Änderungen vorgelegt und von der Landesregierung beschlossen wurden. 
    Dabei hat man zum Teil einen alten Schmarrn wieder neu aufgewärmt. Denn die Verpflichtung, dass nur registrierte Benutzer und Benutzerin kommentieren dürfen, es eine Netiquette braucht und die Community „moderiert“ werden muss, ist längst schon Voraussetzung, um die Landesförderung zu bekommen. Dieses Online-Portal macht genau das seit Jahren. Auch die Verifizierung der registrierten Benutzer durch eine Telefonnummer haben wir umgesetzt. Jeder und jede, die kommentieren, müssen sich so registrieren. Es gibt damit kaum mehr wüste Beschimpfungen in den Kommentarspalten.
    Bei der Einführung dieser Bestimmungen wurde von den zuständigen Stellen zugesagt, dass dafür zusätzliche finanzielle Hilfen zur Verfügung gestellt werden. Diese gibt es nicht und davon ist auch nicht mehr die Rede.


    Es gibt aber zwei Punkte, die in den jetzt beschlossenen Kriterien ein Anschlag auf den gesunden Menschenverstand und ein politischer Skandal sind.

     

    „Was aber absolut verrückt ist: Die Vorgabe, dass sich ab sofort User und Userinnen registrieren müssen, um die Kommentare zu lesen.“
     

    Etwa die vorgegebene Trennung der Kommentar vom eigentlichen Artikel. Im Klartext: Die Online-Medien müssen ab sofort eine Art Gummizelle einrichten, in der sich dann die Helden und Heldinnen der Tastatur austoben können. Unabhängig davon, ob der Kommentar eine sinnvolle Ergänzung des Artikels ist oder der Furz einiger Berufs-Kommentatoren.
    Was aber absolut verrückt ist: Die Vorgabe, dass sich ab sofort User und Userinnen registrieren müssen, um die Kommentare zu LESEN. Das ist Message-Control á la Südtirol. Die Politik schreibt den Menschen vor, was sie lesen dürfen oder nicht. Und dass man sich registrieren muss, um sich für die Mächtigen unbequeme und lästige Meinungen und Äußerungen anzuschauen.
    Beide Vorgaben sind in einem demokratischen Diskurs nicht tragbar. Vor allem aber gibt es solche Vorgaben wohl nirgends auf der Welt.
    Es gibt Medien, die den Kommentarbereich ganz abgeschafft oder abgeschaltet haben. Und es gibt Medien – wie etwa Spiegel Online – die einen eigenen Bereich für eine „Debatte“ zu einem bestimmten Thema einrichten. Doch einen getrennten Raum für Kommentare zu einem Artikel, wo man sich zudem allein fürs Lesen anmelden muss, gibt es nicht einmal in Russland oder Nordkorea.

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    „Wird es durch diese Kriterien einen einzigen Hasskommentar weniger geben?“

     

    Es hat im Vorfeld ein Hearing zwischen den Medien und den leitenden Funktionären der zuständigen Landesämtern gegeben, auf dem die Änderungen vorgestellt wurden. Es sollte ein Anhörung sein, um auch auf die Vorschläge und Anregungen der Beitragsempfänger einzugehen. Dort haben die SALTO-Vertreter genau diese Kritik offen vorgebracht. Ohne Reaktion vonseiten der Landesverwaltung.
    Man hat den Vorschlag jetzt zum Beschluss der Landesregierung gemacht. Dabei muss man mir eines erklären: Wird es durch diese Kriterien einen einzigen Hass-Kommentar weniger geben? Und wird durch eine künstliche Hürde, die das Lesen der Kommentare erschwert, wirklich „ein harmonisches Miteinander in unserer Gesellschaft“ gefördert?
    Wohl kaum. 
    Auch deshalb muss man unterstellen, dass es hier weniger um eine Verbesserung der Diskussionskultur geht, als um den klaren Versuch, die Politiker und Politikerinnen vor verbalen Abwatschungen zu schützen. 
    Verstehen Sie mich nicht falsch: Auch eine Politikerin oder ein Politiker muss sich nicht alles gefallen lassen. Aber es gibt in einem Rechtsstaat genügend Rechtsmittel, die man ausschöpfen kann, sollte man sich – etwa durch einen Kommentar – in seinen Persönlichkeitsrechten verletzt fühlen. Nach einer Anzeige forscht die Postpolizei in neun von zehn Fällen den Urheber aus.

     

    Ich persönlich halte nicht viel von so manchenKommentaren, die unter meinen Artikeln stehen. Ich versuche, sie nicht allzu oft zu lesen, denn sonst müsste ich den Beruf wechseln. Aber ich werde immer wieder von Menschen auf die verschiedenen Artikel angesprochen. Oft positiv, aber auch negativ. Ich versuche dann vor allem, mit diesen Menschen ins Gespräch zu kommen. Zu argumentieren und zu diskutieren. Das ist die beste Medizin gegen den Hass in der Welt und den Hass im Netz.
    Indem man Schreier, aber auch Personen  ausgrenzt, die einfach nur eine andere Meinung haben – und genau das tut man mit diesen hirnrissigen und nicht durchdachten Kriterien – wird man genau das Gegenteil erreichen. 
    Für diese Menschen es der Beweis, dass Medien von der Macht und vom Kapital manipuliert werden.

     

    „Medien dürfen sich nicht von der Politik am Gängelband führen lassen. Was man spätestens mit diesen Kriterien tut.“

     

    Um die finanzielle Unterstützung richtig einzuordnen: SALTO erhält aus diesem Fördertopf des Landes derzeit rund 14.000 Euro im Jahr. Damit kann man nicht einmal den „Moderator“ bezahlen, den das Landesgesetz vorschreibt. Auch deshalb hat der Autor dieser Zeilen auf der Vollversammlung der Herausgebergenossenschaft Demos2.0 vorgeschlagen, in Zukunft aus Protest und demonstrativ auf diese Förderung zu verzichten.
    Medien dürfen sich nicht von der Politik am Gängelband führen lassen. 
    Was man aber spätestens mit diesen Kriterien erreichen will.