Politik | Konfliktsstoff

Lottizzazione

Die Regierungsparteien widmen sich dem ewigen Thema des Postenschachers.
Di Maio, Conte, Salvini
Foto: Facebook/Giuseppe Conte

Alles wie gehabt: Haben Lega und Fünf-Sterne-Bewegung von den Oppositionsbänken den Postenschacher und die lottizzazione selvaggia der Regierungsparteien scharf attackiert, so sind sie jetzt selbst an der Reihe und teilen die wichtigsten poltrone unter sich auf. Die erste Runde ist bereits gelaufen – bei der Cassa depositi e prestiti, die 380 Milliarden verwaltet und Beteiligungen an den Grossunternehmen Eni, Terna, Snam, Italgas und Tim hält. Jetzt folgen RAI, Eisenbahn und das staatliche Statistik-Institut ISTAT, das die Lega mit dem Mailänder Universitätsprofessor Gian Carlo Blangiardo als Präsident besetzen will.

Nach dem Streit um die Auswirkungen des decreto dignità steht bekanntlich auch INPS-Präsident Tito Boeri auf der Abschussliste.

Die bestehenden Konflikte werden vor allem bei der Ausarbeitung des Staatshaushaltes zunehmen.

Auch andere Untugenden, die man aus der Opposition lebhaft kritisiert hatte, kehren nun zurück – mit umgekehrten Vorzeichen. So liebäugelt Vizepremier Luigi Di Maio mit der Versuchung, zum decreto dignità di Vertrauenfrage zu stellen und damit die fast 1000 Abänderungsanträge zu Fall zu bringen. Dagegen regt sich Widerstand – in der Basis und im Flügel um Kammerpräsident Roberto Fico. Die Lega, die bei der Arbeitsmarktregelung viel Kritik aus den eigene Reihen erfahren hat, besteht auf wesentlichen Abänderungen. Dagegen will Luigi Di Maio, der dem Industriellenverband "terrorismo psicologico" vorwirft, das Dekret möglichst unbeschadet durchs Parlament bringen. 

Die bestehenden Konflikte werden vor allem bei der Ausarbeitung des Staatshaushaltes zunehmen, wo Wirtschaftsminister Giovanni Tria den mit der EU vereinbarten Finanzrahmen auf keinen Fall überschreiten will. Das bedeutet im Klartext, dass der Bürgerlohn und die versprochene Steuerrreform auf Eis gelegt werden müssten. Sogar der nahende Tod des Fiat-Managers Sergio Marchionne sorgt für Zwist. Während Premier Giuseppe Conte profondo "dispiacere" äusserte, verwies die Fünf-Sterne-Bewegung auf die von ihm praktizierte delocalizzazione. Marchionne hatte sich vor einigen Monaten eine ironische Bemerkung über den M5S-Stelle Chef erlaubt: "Ho notato che gira con una Renault e mi sono domandato, quale parte dello stabilimento di Pomegliano le produce."

Trotz aller Widersprüche können sich die beiden Regierungsparteien freilich nicht über mangelnden Zuspruch beklagen. Beide verfügen nach jüngsten Umfragen über eine solide Mehrheit von gut 60 Prozent – ein Novum seit Ende der ersten Republik.  Die Fünf-Sterne-Bewegung hat mit 31,5 Prozent nach jüngsten Umfragen die Nase leicht vorne, während die Lega mit 31 Prozent einen leichten Rückgang verzeichnet.

Viele der anstehenden Entscheidungen bieten zusätzlichen Konfliktstoff: Von der Hochgeschwindigkeitsstrecke Turin-Lyon über die durch die Adria führende internationale Gasleitung TAP,  von der umstrittenen Verstaatlichung der maroden Fluggesellschaft Alitalia bis hin zur problematischen Sanierung des grössten europäischen Stahlwerks in Taranto – unbequeme Entscheidungen, die mit Sicherheit auf den Herbst vertagt werden.