Politik | Wien-Rom

Neue Würze für Doppelpass

Wien scheint in Sachen Doppelpass Gas zu geben. Rom ist alarmiert. Riccardo Fraccaro: “Werden unangebrachte und feindselige Initiative entschlossen zurückweisen.”
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Foto: Pixabay

Kommt er oder kommt er nicht? In die Frage, ob Österreich den Südtirolern den Zugang zur Staatsbürgerschaft ermöglichen wird, ist übers Wochenende neuer Wind gekommen. Wie die Tiroler Tageszeitung am Samstag berichtete, will die Regierungskoalition zwischen FPÖ und ÖVP bereits am 7. September einen Gesetzentwurf zur doppelten Staatsbürgerschaft für Südtiroler vorlegen. Aus Regierungskreisen sei zu erfahren gewesen, dass es bereits zwei Treffen in Sachen Doppelpass gegeben habe – und dass es einen Durchbruch gegeben habe, schreibt die TT: “Der Kreis der möglichen Antragsteller wurde bereits definiert, es handelt sich im Zusammenhang mit der Schutzfunktion Österreichs um alle in Südtirol wohnhaften italienischen Staatsbürger mit deutscher oder ladinischer Muttersprache. Abgeklärt haben die Arbeitsgruppen ebenfalls Rechte und Pflichten.”

 

Von vorsichtigem Optimismus...

Die Reaktionen auf die Aussicht, dass der Doppelpass nun schneller als von vielen vermutet Realität werden könnte, sind denkbar unterschiedlich.
“Natürlich würden wir es begrüßen, wenn nun der Ankündigung Taten folgen würden. Damit würde die österreichische Regierung sicher einen Herzenswunsch sehr vieler Südtiroler erfüllen”, schreibt der Obmann des Südtiroler Heimatbundes Roland Lang in einer Aussendung. Doch er will “besser vorsichtig optimistisch” bleiben, so Lang, denn: “Zu oft wurden Zusagen, Versprechen, ja ganze Verträge nicht eingehalten.” Offener Jubel herrscht indes bei der Süd-Tiroler Freiheit. Sven Knoll spricht davon, dass sich die doppelte Staatsbürgerschaft zu einem “europäischen Vorzeigeprojekt” entwickeln und zeigen werde, “wie mehrere Sprachgruppen friedlich zusammenleben können, wenn nicht mehr ein Staat den Menschen eine Identität aufzwingt, sondern wenn diese selbst über ihre Identität entscheiden können”.

 

... und offener Ablehnung

Die italienische Rechte schäumt indes. Giorgia Meloni spricht von einer “diplomatischen Aggression”. “Fratelli d’Italia è pronta alle barricate per difendere l’italianità di quelle terre”, poltert die Parteivorsitzende. In Südtirol erhebt Alessandro Urzì seine Stimme. Mit der doppelten Staatsbürgerschaft für Südtiroler würde Österreich “Verrat an Italien” verüben, wettert der Landtagsabgeordnete von Alto Adige nel Cuore. Ebenso wie Meloni erwarte er sich “klare Worte von der neuen italienischen Regierung”, so Urzì und erinnert daran, dass sich die Vorgängerregierung von Paolo Gentiloni klar gegen den Doppelpass ausgesprochen habe.

Erste Ansagen aus Rom gibt es bereits – zumal man in Wien das Gesetz, mit dem der Doppelpass für Südtiroler eingeführt werden soll, nur im Einvernehmen mit der italienischen Regierung verabschieden will.
Doch offiziell dürfte es noch keinerlei Kontakt zwischen Wien und Rom gegeben haben, wie eine Presseaussendung des italienischen Außenministeriums am Sonntag Abend vermuten lässt. Darin teilt die Farnesina mit, dass Außenminister Enzo Moavero (parteilos) den italienischen Botschafter in Wien aufgerufen habe, sich bei der Regierung in Wien bezüglich der jüngsten Informationen zum Doppelpass zu erkundigen. Man fordert von Österreich Erklärungen. Falls sich die Medienberichte bestätigt würden, würde man den Vorstoß des Nachbarlandes als “eine unangebrachte und grundsätzlich feindselige Initiative” (“un’iniziativa inopportuna e sostanzialmente ostile”) betrachten.

Klare Worte findet Riccardo Fraccaro am Montag Vormittag. Der Trentiner 5-Stelle-Vertreter und Minister für die Beziehungen zum Parlament und Direkte Demokratie im Kabinett von Giuseppe Conte teilt mit, dass er in engem Kontakt mit Außenminister Moavero stehe. Er sei “beunruhigt”, so Fraccaro und fordert Wien auf, “von jeglicher Bestrebung” in Richtung Doppelpass abzusehen, um “weitere Instrumentalisierungen in politischer Hinsicht und zu Wahlzwecken zu vermeiden”.

“Le notizie in merito alla volontà del Governo austriaco di procedere sulla strada del doppio passaporto per i cittadini sudtirolesi destano inquietudine. Se fosse confermato quanto riportato dai media saremmo di fronte ad un atto inopportuno e ostile che intendiamo respingere con fermezza”
(Riccardo Fraccaro)

Ablehnend steht auch Christian Kern dem Doppelpass gegenüber. Am Freitag war der SPÖ-Chef und österreichische Ex-Kanzler in Girlan zu Gast. Am Rande einer Veranstaltung der SVP-Arbeitnehmer meinte Kern: “Ich halte den Doppelpass für einen falschen Weg, weil wir mit der europäischen Einigung eine gemeinsame Perspektive für Südtirol und Österreich gefunden haben. Die Südtiroler brauchen das (den Doppelpass, Anm.d.Red.) für das Selbstbewusstsein nicht.