Gesellschaft | Neue Wege

Ein Ire pflanzt neu an

Zwölf Jahre lang bestimmte die Temple Bar das Leben von Stephen Tierney. Bis der zweifache Familienvater beschloss, seine Lebensweise zu überdenken und Neues zu wagen.
Stephen Tierney
Foto: Ideensalon

“God, no!” Die Antwort auf die Frage, ob es im Leben jemals zu spät sein kann, etwas zu verändern, kommt wie aus der Pistole geschossen. Es ist ein kalter Dezember-Nachmittag. Stephen Tierney sitzt vor einer dampfenden Tasse Orangen-Ingwer-Tee. Er liebt den kräftigen Geschmack, das brennende Aroma des Ingwers. “It’s fantastic!”, meint er begeistert.

Fantastisch, das war das Leben von Stephen auch bevor er vor wenigen Monaten zum letzten Mal die Tür der Temple Bar hinter sich zusperrte. Zwölf Jahre war das Lokal am Bozner Dominikanerplatz Nummer 20 sein zweites Zuhause. Bis er beschloss, ein neues Kapitel aufzuschlagen. Und mit Anfang 40 sein Leben völlig umkrempelte.

 

Neues Leben dank neuem Leben

Im fernen 1995 betritt Stephen Tierney zum ersten Mal Südtiroler Boden. Er kommt aus Dublin. Der irische Bierriese Guiness hat ihn nach Bozen geschickt. Für zwei Jahre wird er im “Pogue Mahones” arbeiten. Das Irish Pub in der Erbsengasse ist das einzige seiner Art in der Bozner Innenstadt. Bis 2006 Stephen Tierney mit seiner damaligen Lebensgefährtin, einer Irin, die Temple Bar eröffnet. Die persönliche Beziehung geht auseinander, beruflich hingegen führen die beiden die Partnerschaft weiter. Erfolgreich. Die Temple Bar ist aus der Bozner Szene nicht mehr wegzudenken, wird über die Jahre zur “institution”, wie Stephen selbst weiß. Der Rhythmus der Bar bestimmt den Rhythmus seines Lebens. Für bewusste, gesunde Ernährung bleibt keine Zeit. Stephen arbeitet für seine Gäste, von denen viele zu Freunden werden. Er feiert gern mit ihnen, stößt mit dem ein und anderen Pint an. “Die Versuchung war immer da”, erinnert er sich.

“Really nice stories, really nice memories, a lot of fun, a lot of good nights, lächelt er heute mit breitem irischen Akzent. Den hat er nicht abgelegt.
Die Jahre vergehen, die Bar floriert, Stephen lernt eine neue Frau kennen. Die beiden heiraten, werden Eltern. Es sind die zwei Söhne, die Stephens Leben verändern werden.

 

“An diesem Punkt in meinem Leben hatte ich alles, was ich je wollte: eine Familie”, meint Stephen. Das Vatersein verändert seinen Blick auf die Welt. Der Wendepunkt kommt mit der Geburt des zweiten Kindes. “It gave us the push to make the change.”

 

Veränderung beginnt im Teller

2015 beschließt Stephen seine Ernährung völlig umzustellen. Auf plant-based”. Ab sofort kommen nur mehr Nahrungsmittel pflanzlichen Ursprungs auf seinen Teller. Er liest viel, informiert sich über die Vorteile einer pflanzlichen Ernährungsweise, die er nach einigen Monaten an sich selbst beobachtet: “Ich hatte mehr Energie, schlief besser, das Gewicht pendelte sich ein.” Immer mehr gelangt Stephen zur Überzeugung: “Der einzige Weg, um heute und auch in Zukunft so viel Zeit wie möglich mit meinen Kindern verbringen zu können ist, meine Lebensweise zu ändern.”

Sein “lifestyle”, den Stephen beginnt mehr und mehr in Frage zu stellen, schaut so aus: “Aufstehen um halb 7, Einkäufe, Buchhaltung, Promoting für die Bar erledigen, dann zur Arbeit in die Bar. Heimkommen um halb 3, 3 Uhr früh.” Er habe viele Gelegenheiten verpasst, “an denen ein Vater und Familienmensch teilnehmen sollte”, sagt Stephen. Mit der Ernährungsumstellung kommt die Idee auf, ein neues Abenteuer zu starten: ein Lieferservie und Take Away für vegane Gerichte aus aller Welt, zubereitet mit lokalen, saisonalen, frischen Produkten – sein Beitrag für eine bessere Welt, für die Zukunft seiner Kinder. “As a parent you should do what is right for the future of your children.” Dazu gehört für ihn auch, seine Kinder für Umweltschutz, nachhaltiges und ressourcenschonendes Leben zu sensibilisieren.

 

Stephen und seine Frau beginnen, für Freunde zu kochen, starten eine “Forschungsgruppe”, wie es Stephen nennt. Ihre Küche kommt gut an. Das Feedback bestätigt ihn: “We know that we are doing the right thing.” Zugleich grübelt er über einen Widerspruch, den er in Südtirol beobachtet: “Die rein pflanzliche Ernährungsweise ist hier so gut wie unbekannt, viele fragen mich, wie soll das gehen? Aber dabei ist das meiste, was ihr esst, doch pflanzlichen Ursprungs!”

Wenn er über Essen und seine Zubereitung spricht, blitzen Stephens Augen auf. Er sprudelt über vor Ideen- und Tatendrang. Dass die vegane Küche einseitig sei, will er nicht hören: “Olivenöl statt Butter, Zitronensaft statt Parmesankäse, Hülsenfrüchte statt Fleisch, viel Obst und Gemüse – you can eat plant-based in thousands of ways!

 

There Is An Alternative

Auf keinen Fall missionieren wolle mit seinem neuen Business, das Anfang 2019 starten soll. Auch im Privaten überlässt Stephen seinen Kindern die Entscheidung, was sie essen wollen, selbst. “Wir wollen die Leute nicht dazu bringen, kein Fleisch mehr zu essen”, betont er, “sondern aufzeigen, dass es Alternativen gibt”. Das bedeutet für ihn nicht nur den Verzicht auf Fleisch, sondern auch weniger Zucker, weniger Salz, weniger Fette beim Kochen verwenden. Das Geschmackvolle bringt er mit Gewürzen und Krätuern in seine Gerichte.

 

Seine Produkte bezieht Stephen von lokalen Herstellern aus der Bozner Umgebung, bei denen er direkt am Hof oder am Bauernmarkt kauft. Über sein neues Projekt will er auch seine Kunden direkt mit den Produzenten, den Bauern in Kontakt bringen. Kochkurse schweben ihm vor, Menschen zusammenbringen, die sich nach Alternativen für ein nachhaltigeres, gesünderes Leben umschauen. So, wie er es getan hat.

 

Über den Tellerrand hinaus

“It's time to take responsibility, because the governments are not taking responsibility for us.” Auch in Südtirol vermisst Stephen eine mutige Politik, die zum Beispiel Einweg-Plastikbesteck aus den Supermärkten verbannt und sie mit Utensilien aus recycletem bzw. biologisch abbaubarem Material ersetzt. Darum hat er bereits beim Landeshauptmann angeklopft. “Es ist ein bisschen traurig: Südtirol stellt sich immer als klimafreundlich, nachhaltig und ökologisch dar. Aber in Wirklichkeit ist man hier nicht konsequent genug”, findet der weit gereiste Ire.

Deshalb vertraut er darauf, mit seinem Projekt zum Nachdenken und Umdenken anzuregen. In der Küche und im Alltag. “Es ist eine große Herausforderung, in Italien und in Südtirol in den Gastronomie-Sektor einzusteigen.” Aber Stephen will sie angehen. So wie er im Oktober 2006 die Herausforderung “Temple Bar” angegangen ist. Inzwischen verbringt er viel Zeit in der Natur, genießt die Zeit mit der Familie. Seit ein paar Monaten verzichtet er auf Alkohol und fühlt sich so gut wie nie zuvor in seinem Leben, gesteht er. Ob er die Bar vermisst? “I don't miss the bar at all”, sagt er bestimmt. Es sei eine “großartige Erfahrung”, gewesen, “a brilliant experience”. “Ich habe viel gelernt, viele gute Freunde getroffen, eine Menge an wunderbaren Erinnerungen mitgenommen. Aber dieses Kapitel ist passé.”

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Paul Stubenruss Do., 27.12.2018 - 09:03

Nur mit Schulmedizin statt mit Alternativmedizin bei Diabetes Typ 2 von der Nadel loskommen. Das nur eines der Beispiele unter den vielen was Schulmedizin kann. Vorausgesetzt sie hat Interesse daran. Oder sind solche Heilungen aus den südtiroler Krankenhäuser bekannt? Im NDR gab es eine Reihe von Sendungen dazu. Man findet alle Wiederholungen auf YouTube unter „Die Ernährungs-Docs. Ein Beispiel zu Diabetes Typ 2 :https://www.youtube.com/watch?v=tzeZl4hedMU

Do., 27.12.2018 - 09:03 Permalink